Archiv für den Monat: November 2016

Herr Bundeskanzler, stoppen Sie die Abschiebungen nach Kroatien!

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Wir veröffentlichen einen Brief von Boukje Veltema aus Vöcklabruck an Bundeskanzler Christian Kern. 

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

Mein Name ist Mag. Boukje Veltema, ich wohne in Vöcklabruck. Seit nunmehr drei Jahren arbeite ich freiwillig mit Flüchtlingen. Ich unterrichte Deutsch und helfe, wo immer es mir möglich ist. Ich habe großartige, geduldige und liebenswerte Menschen kennengelernt und ihre Hoffnungen und ihre traurige Momente. Wenn ich aber jetzt damit konfrontiert werde, wie Menschen abgeschoben werden, die sich  sehr bemüht haben, Deutsch zu lernen, sich zu integrieren und nun völlig verzweifelt sind, dann war diese Arbeit völlig umsonst. Ich könnte Ihnen schildern unter welchen Umstände diese Menschen hier gelebt haben und dass der Deutschunterricht die einzige Abwechslung war, den sie hatten.

Als ich Ihre Antrittsrede im Parlament hörte, hatte ich die Hoffnung, es könnte doch noch eine menschliche Politik in Österreich gemacht werden. Diese Hoffnung habe ich begraben und ich bin erschüttert darüber, wie in diesem Land mit Menschen umgegangen wird. 1968 bin ich mit meinen Eltern nach Österreich gekommen und ich liebe dieses Land, aber es ist kalt und unmenschlich geworden.

Am 26. November wird in Wien die Kundgebung #LetThemStay vor dem Westbahnhof stattfinden. Setzen Sie ein Zeichen für mehr Menschlichkeit in Österreich und nehmen Sie bitte daran teil. Wir sind nicht wenige, wir sind viele und wir setzen uns für unsere Schützlinge ein. Und sprechen Sie mit Alev Korun, sie weiß über die Situation der Flüchtlinge Bescheid.

Bitte stoppen Sie die Abschiebungen nach Kroatien.

Mit hoffnungsvollen Grüßen,
Mag. Boukje Veltema

Bilanz: Mahnwachen gegen Abschiebungen voller Erfolg!

mahnwachen-oesterreichIn ganz Österreich fanden am Sonntag, 13. November Mahnwachen gegen Abschiebungen statt (Ausnahmen: Bad Vöslau hielt die Mahnwache einen Tag später am Montag ab, Mureck am Dienstag). Hunderte engagierte Helfer_innen und Flüchtlinge setzten ein eindrucksvolles Zeichen gegen die Abschiebungen von neu gewonnen Freund_innen nach Kroatien und in andere Länder. Mit 150 Menschen wurde in Bad Ischl die größte Mahnwache abgehalten.

In vierzehn Städten und Gemeinden wurden öffentliche Mahnwachen organisiert: Bad Ischl (150 Teilnehmende), Bad Vöslau (70), Graz (100), Groß-Enzersdorf (45), Innsbruck (40), Korneuburg (30), Kumberg (50), Langenzersdorf (30), Mistelbach (40), Mureck (32), Nickelsdorf (9), Tulln (70), Vöcklabruck (26) und Wien (105). Weitere solidarische Menschen beteiligten sich privatem Kreis und mit kleineren Aktionen unter anderem in Furth bei Göttweig, Krems an der Donau, Innsbruck, Breitenwang, Salzburg, Wals Greifenstein und Gresten.

Gesammelte Fotos aus Österreich:

Österreichweite Mahnwachen gegen Abschiebungen #LetThemStay

Die Regierung kann und darf diesen Aufschrei nicht mehr ignorieren! Am Samstag, 26. November gehen die Initiativen und Betroffene gemeinsam in Wien zur Großdemonstration #LetThemStay #LasstSieBleiben auf die Straße: Treffpunkt ist um 14 Uhr am Christian-Broda-Platz beim Westbahnhof. Die Route führt über die Mariahilfer Straße und den Ring vor das Bundeskanzleramt am Ballhausplatz. Alle sind eingeladen teilzunehmen und sich an der Mobilisierung zu beteiligen. Materialbestellungen (Flyer, Plakate, Aufkleber) bitte unter mithelfen@menschliche-asylpolitik.at.

Ein großes Dankeschön an alle Organisator_innen und Teilnehmenden! Vielen Dank auch an die Fotograf_innen: Daniel Leitner (Bad Ischl), Gerlinde Buchberger (Bad Vöslau), Kulturverein mişmaš (Graz), Barbara Bösendorfer (Gresten), Samer Amin (Groß-Enzersdorf), Raquel Mina (Innsbruck), Tarigh Nejat (Korneuburg), Anna Stekl (Krems an der Donau, Furth bei Göttweig), Dagmar Eklaude (Kumberg), Hans Batik (Langenzersdorf), Bewegung Mitmensch (Mistelbach), Karin Pscheidl (Nickelsdorf), Hemma Niedl (Tulln), Boukje Veltema (Vöcklabruck), Christian Volek (Wien).

Österreichweite Mahnwachen bringen Widerstand gegen Abschiebungen zusammen

Mahnwache in Wien vor der Nationalbibliothek / Foto: Christian Volek
Mahnwache in Wien vor der Nationalbibliothek / Foto: Christian Volek

Am Sonntag, 13. November, fanden österreichweit Mahnwachen gegen Abschiebungen statt. Neben den größeren Städten Wien, Graz und Innsbruck organisierten solidarische Initiativen in verschiedenen Gemeinden wie in Bad Ischl, Breitenwang, Furth bei Göttweig, Groß-Enzersdorf, Korneuburg, Krems an der Donau, Kumberg, Langenzersdorf, Mistelbach, Nickelsdorf, Tulln und Vöcklabruck ebenfalls zeitgleich Kundgebungen und Aktionen. Am Montag folgt eine Mahnwache in Bad Vöslau.

In vielen Gemeinden wehren sich Menschen, die die Flüchtlinge seit letztem Jahr bei ihrer Integration in Österreich begleiten. Flüchtlingshelfer_innen aus der Bevölkerung und von NGOs und Schutzsuchende forderten, dass Österreich sich für hier gestellte Asylanträge zuständig erklärt.

Gesammelte Fotos aus Österreich:

Österreichweite Mahnwachen gegen Abschiebungen #LetThemStay

In Wien wurde die Zahl 1.782 mit Kerzen am Wiener Heldenplatz vor der Nationalbibliothek aufgestellt – so viele Abschiebungen will das Innenministerium nach Kroatien abschieben. Michael Genner, Sprecher der Plattform für eine menschliche Asylpolitik sagte: „Flüchtlinge werden aus Spitälern und Schulen abgeholt, Mütter vor ihren Kindern in Handschellen abgeführt. Die Zurückgebliebenen sind teilweise selbstmordgefährdet. Es spielen sich unglaubliche Tragödien ab. Die volle Verantwortung dafür trägt die Bundesregierung, insbesondere der rücktrittsreife Innenminister Sobotka.“

Genner rief zu Widerstand auf und kündigte die Großdemonstration am 26. November an, auf der die österreichweite Bewegung einen geeinten Ausdruck bekommen soll. Beim Song „Imagine“ von John Lennon zum Abschluss holten sich über hundert Menschen Material, um die Proteste zu bewerben. Sie spendeten über 130 Euro für weiteres Material. Vielen Dank!

Großdemonstration gegen Abschiebungen #LetThemStay #LasstSieBleiben am 26. November um 14 Uhr Westbahnhof, Christian-Broda-Platz. Auf Facebook.

Protest für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen im Flüchtlingsbereich

fight-togetherDie Initiative Fight Together ruft am Montag, 28. November zum Protest vor dem Fonds Soziales Wien (FSW) für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen im Flüchtlingsbereich auf. Die Plattform für eine menschliche Asylpolitik unterstützt den Protest.

Montag, 28. November  | 16:00
Guglgasse 7-9, U3 Gasometer

Forderungen von Fight Together:

  • Menschenwürdige Lebensbedingungen für alle Migrant*innen, mit Aufenthaltstitel oder ohne!
  • Keine isolierten/isolierenden Massenunterkünfte! Keine desolaten, kaputten, schimmligen Unterkünfte. Recht auf private und soziale Räume! Mehr Unterstützung für privates Wohnen!
  • Qualitative Betreuung, keine Abfertigung!
  • Selbstbestimmung statt Fremdbestimmung!
  • Geld, das den Bewohner*innen zusteht, auszahlen – in bar, keine Gutscheine!
  • Erhöhung des Essensgeldes und der Tagessätze im Allgemeinen durch den Fonds Soziales Wien!
  • Kostenlose Öffi-Tickets für Geflüchtete
  • Schulplätze und gratis Deutschkurse für alle, unabhängig von Aufenthaltstitel und Meldezettel in Wien

Deutschtrainer*innen, Betreuer*innen und alle, die mit Geflüchteten arbeiten:

  • Nein zu Kündigungen, nein zu Hire & Fire!
  • Erhalt der Häuser und Anpassung an Bedürfnisse – der Wohnraum wird weiter benötigt!
  • Benötigte Vor- und Nachbereitungszeit sowie Zeit für Administration muss entlohnt werden!
  • Gleiche Rechte für Scheinselbständige wie für Angestellte, insbesondere das Recht, Kritik zu üben und sich zu organisieren: keine Einschüchterung & Kündigungen!
  • Betriebsrat und echten gewerkschaftlichen Einsatz auch für Freie Dienstnehmer*innen!
  • Deutsch-Institute müssen gutes Material bereitstellen: Schluss mit reaktionärem, kapitalistischem Menschenbild und Integrations-Zwang!
  • Transparente und faire Gehalts-Einstufung und Abrechnung
Veranstaltung auf Facebook

Österreichweite Mahnwachen: 1.782 Lichter gegen Abschiebungen

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Sonntag, 13. November, in ganz Österreich

1.782 Menschen sind von Dublin-Abschiebungen nach Kroatien betroffen. Wir lassen nicht zu, dass man unsere Freund_innen abschiebt. Für alle, die bereits abgeschoben sind, fordern wir das Rückkehrrecht in ihre neue Heimat Österreich. Am Sonntag, 13. November, finden deshalb in ganz Österreich Mahnwachen statt.

#LetThemStay #LasstSieBleiben

Wenn ihr mit eurer Gemeinde und Initiative teilnehmen wollt, schreibt uns kurz auf Facebook oder auf office@menschliche-asylpolitik.at. Wir helfen gerne bei der Anmeldung der Mahnwache bei der Behörde und stellen ein Formular zu Verfügung.

Was ihr tun könnt:

  • Nachbarschaft und Freund_innen kontaktieren
  • Fotos von Betroffenen ausdrucken und mitnehmen (bitte auf Einverständnis achten!)
  • Zettel #LetThemStay #LasstSieBleiben ausdrucken
  • Kerzen besorgen
  • Foto von der Mahnwache schicken an: office@menschliche-asylpolitik.at
  • Online-Petition gegen Abschiebungen verbreiten und unterzeichnen
  • Kommt zur Großdemonstration am 26. November in Wien

Liste der Mahnwachen (alphabetisch, wird laufend ergänzt):

  • Bad Ischl: Sonntag, 13.11., 18:30 Uhr, Sparkassenplatz
  • Bad Vöslau: Montag, 14.11., 16:30 Uhr Schlossplatz (vor dem Rathaus)
  • Graz: Sonntag, 13.11., 17:00 Uhr, Südtirolerplatz/Ecke Mariahilferstraße
  • Groß-Enzersdorf: Sonntag, 13.11., 17:00 Uhr, Stadtpark
  • Innsbruck: Sonntag, 13.11., 16:00 Uhr, Annasäule (Maria-Theresien-Straße 18)
  • Korneuburg: Sonntag, 13.11., 16:30 Uhr: Hauptplatz
  • Kumberg: Sonntag, 13.11., 18:00 Uhr, Marktplatz
  • Langenzersdorf: Sonntag, 13.11., 18:00 Uhr, Enzo-Platz
  • Mistelbach: Sonntag, 13.11., 17:00 Uhr, Hauptplatz
  • Nickelsdorf: Sonntag, 13.11., 16:30 Uhr, Dorfplatz
  • Tulln: Sonntag, 13.11., 18:00 Uhr, Hauptplatz
  • Vöcklabruck: Sonntag, 13.11., 17:00 Uhr, Stadtplatz
  • Wien: Sonntag, 13.11., 17:00 Uhr, Heldenplatz (vor der Nationalbibliothek)

Vier Dublin-Abschiebungen in Oberwaltersdorf

Foto: Karl Gruber (Wikimedia Commons) / CC BY-SA 3.0 at
Foto: Karl Gruber (Wikimedia Commons) / CC BY-SA 3.0 at

Viermal wurden Flüchtlinge aus Oberwaltersdorf dieses Jahr abgeschoben, dreimal traf es Familien, einmal einen jungen Bursch. Zwei Familien wurden nach Kroatien gebracht, eine nach Deutschland, und der junge Mann befindet sich jetzt in Spanien. Aus Oberwaltersdorf schrieb uns Silke. 

Die 1. Abschiebung

Hier wurde eine Familie aus Georgien mit ihrer 4-jährigen Tochter am 5. April 2016 gegen 6 Uhr morgens von der Polizei abgeholt – sie hatten noch kurz Zeit um einige Habseligkeiten zu packen und wurden dann nach München gebracht – laut Dublin III ist für diese Familie Deutschland zuständig – sie wurden in ein Camp in Nürnberg verlegt und warten nun auf ihren Asylbescheid.

Die Familie kam im November 2015 zu uns in den Ort, der Mann sprach recht gut Deutsch, da er beruflich viele Jahre mit Deutschland zu tun hatte. Die Frau besuchte regelmäßig den Deutschkurs und war auf einem guten Weg.

Die 2. Abschiebung

Am 20. Juli  fragt uns Yousef, ein 18-jähriger Syrer, der seit Anfang April mit seiner Mutter und seiner kleinen 12-jährigen Schwester hier bei uns im Ort wohnt, um Hilfe. Er braucht eine Fahrmöglichkeit zum nächsten Bahnhof. Zu diesem Zeitpunkt denken wir noch sie wollen nur nach Wien um Verwandte zu besuchen. Aber sie kamen nicht mehr zurück.
Sie versuchten über Wien mit dem Zug zum Bruder nach Deutschland zu kommen. Leider scheiterte dies an der österreichisch-deutschen Grenze und die deutsche Polizei schickt sie wieder zurück nach Österreich. Die 3 sind völlig fertig – wollen auf keinen Fall nach Kroatien abgeschoben werden. Möchten wenigstens ein Familienmitglied – das in Deutschland wohnt – endlich wiedersehen. Ein anderer Bruder/Sohn und der Vater/Ehemann sitzen schon über ein Jahr in Aleppo fest und die Familie fürchtet täglich um deren Leben.

Ihre Unterkunft im Ort wurde von der Diakonie als Unterkunftsgeber in Windeseile gleich an die nächste Flüchtlingsfamilie weiter vergeben und so muss Yousef mit seiner Mutter und Schwester nach Natschbach in ein Camp ausweichen und dort über zwei Monate auf ihre Abschiebung warten. Die Abschiebung selbst läuft ähnlich ab, wie immer – Polizeieinsatz – Schubhaft – Flughafen Wien – Flughafen Zagreb – Camp in Kutina.

Die 12-jährige Rawda ging drei Monate bei uns zur Schule und hat in dieser Zeit so viel Deutsch gelernt, dass man sich wirklich schon sehr gut mit ihr unterhalten konnte. Yousef spricht fließend englisch und war uns eine große Hilfe beim Kommunizieren mit anderen Flüchtlingen, die weder deutsch noch englisch sprechen konnten.  Bereits an ihrem 2. Tag hier im Ort kamen die Mutter und Yousef zum Deutschkurs und besuchten diese regelmäßig. Die Mutter war über 30 Jahre lang Lehrerin in Syrien und war so froh, endlich auch geregelt Deutsch lernen zu dürfen. Die Familie war wirklich sehr rasch integriert, aber leider hat Dublin III auch hier mehr Gewicht als jegliche gelebte Integration.

Die 3. Abschiebung

Am 16. Oktober nachmittags klopfte es an der Türe einer jungen iranischen Familie (Ehepaar Samira & Puria, jeweils 22, mit je einem Bruder namens Reza 23 und 16)
Als der Mann Puria öffnete, standen 4 Polizeibeamte vor der Türe und wollten sie alle mitnehmen. Zu dem Zeitpunkt war nur Puria zuhause. Die drei anderen waren in der evang. Kirche. Die Polizei nahm ihn mit und fuhr zur Kirche – die drei anderen Familienmitglieder waren aber nicht mehr vor Ort. So nahm die Polizei nur den jungen Ehemann mit auf den Polizeiposten und dann kam er ins Schubhaftzentrum Rossauerlände.

Samira, ihr Bruder Reza und ihr Schwager Reza verbrachten eine Nacht in großer Angst bei einer befreundeten Familie – sie konnten nicht in die Wohnung, da die Polizei den einzigen Schlüssel mitgenommen hatte.

Am Montag 17. Oktober hätten die vier eigentlich eine Ladung im EAST OST Traiskirchen gehabt – zur Adressfeststellung wegen bevorstehender Abschiebung. Nun war nicht klar, sollen die drei zu diesem Termin erscheinen, um nicht einen Schubhafttitel auszulösen, oder sollen sie sich der Polizei stellen oder…

Um eine Einzelabschiebung von Puria zu verhindern, haben sich die drei anderen Familienmitglieder dann doch wieder VOR ihrer Wohnung eingefunden und gemeinsam mit uns Helfern auf die Polizei gewartet. Über ein Fenster konnten wir die notwendigsten Habseligkeiten noch zusammenpacken und kurz darauf war auch schon die Polizei da.

Der Abschied war schrecklich – für sie aber auch für uns Helferinnen.

Die junge Familie war im Ort schon sehr gut integriert. Sie kamen Anfang Jänner zu uns, besuchten seit Februar fünf Mal wöchentlich den Deutschkurs und lernten wirklich fleißig Deutsch, man konnte sich mit ihnen schon recht gut unterhalten. Puria spielte bereits in der örtlichen Fußball-Kampfmannschaft. Samira durfte einige Monate im Kindergarten helfen und war dort sehr beliebt.

Der minderjährige Reza war sowohl ein toller Läufer im örtlichen Laufteam, der einige Wettkämpfe gewonnen hat, als auch ein exzellenter Volleyballer – seit September war er Spieler in einem bekannten Wiener Volleyball-Team. Ende Oktober hätte er die A1 Prüfung ablegen sollen und mit 3.11. hätte die Schule in der Übergangsklasse einer HAK begonnen.
All ihre Träume wurden durch diese Aktion zerstört.

Den ganzen Montag, 17. Oktober verbrachten sie – getrennt voneinander – in Einzelzellen im Schubhaftzentrum Rossauerlände. Ihnen war nicht klar, was mit dem, am Sonntag bereits festgenommenen Puria geschehen war. Sie wurden wie echte Häftlinge behandelt – ein 16-jähriger Junge, der niemandem etwas getan hat, musste alleine in einer Zelle fast 24 Stunden verbringen – alle Habseligkeiten und Geräte (auch Handy) wurden ihnen abgenommen, sogar die Gürtel mussten sie abgeben.

Reza schrieb mir später – „In Haftanstalt für mich ein Jahr gedauert“

Am Mittwoch, 18. Oktober wurden sie – getrennt voneinander – zum Flughafen gebracht. Erst dort war klar, dass sie alle 4 gemeinsam nach Kroatien gebracht werden. Für jeden Flüchtling stand ein Polizist im Einsatz.

Nun sitzen sie in Kutina und warten auf ihr Interview, haben aktuell keine Zukunftsperspektive, weil ihre Träume zerstört wurden.

In ihrer Heimat waren sie Molkereiarbeiter, Friseurin und Modedesign-Studentin, Bauer und Schüler.

Zurück in den Iran können sie nicht, das wäre ihr sicherer Tod, denn Christen werden dort nicht akzeptiert.

Und all das nur, weil sie damals auf ihrer Flucht mit Massen von anderen Flüchtlingen irgendwo in Kroatien in einem Zug saßen, der angehalten wurde und allen Insassen Fingerabdrücke abgenommen wurden – niemandem wurde damals erklärt, dass dieser Fingerabdruck einem Asylantrag gleichzustellen ist. Kurz nach dieser Aktion rollte der Zug weiter Richtung Österreich. Dass dieser Abdruck sie nun nach Kroatien zurückbringt, verstehen sie leider gar nicht.

Was hat ein 16-jähriger „verbrochen“, dass ihm aufgrund dieses Fingerabdruckes wieder all seine Träume und Ziele zerstört werden? Wir sind im täglichen Kontakt mit ihnen – die Motivation bei ihnen ist sehr geschrumpft, sie sind depressiv und antriebslos.

Die 4. Abschiebung

Diesmal war es ein 19-jähriger Bursche aus dem Sudan mit sehr guten Englischkenntnissen.

Wieder mal gab es frühmorgentlichen Besuch der Polizei – Festnahme am 31. Oktober – Schubhaft bis 2. November – Abschiebung nach Madrid per Flugzeug am 2. November
Aktuell hat er bei einem Freund Unterschlupf gefunden und ist so der Unterbringung in einem Camp entkommen. Die Arbeitsaussichten in Madrid sind absolut NULL. Er hofft nun im südlichen Teil Spaniens eine neue Bleibe und Arbeit zu finden.
Wohin er nun aktuell genau gehen wird ist uns noch nicht bekannt.

James besuchte regelmäßig den Deutschkurs und war ein echtes Sprachentalent – in kürzester Zeit wechselte er von der Anfängergruppe in die Spitzengruppe, er wollte unbedingt rasch Deutsch lernen und das gelang ihm in unglaublich kurzer Zeit.
Leider hat auch hier keinerlei Integrationsbemühung einen Wert – Dublin III lässt grüßen.

Podiumsdiskussion mit Initiativen und Betroffenen: Wir wehren uns gegen Abschiebungen!

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Freitag, 11. November | 19:00 Uhr | Auf Facebook
Hörsaal 1, Neues Institutsgebäude (NIG), Universitätsstraße 7, 1010 Wien

  • Sylvia Jöbstl (Border Crossing Spielfeld)
  • Fanny Dellinger (Deutschkurs für Traiskirchen)
  • Michael Genner (Asyl in Not, Plattform für eine menschliche Asylpolitik)
  • Betroffene von Dublin-Abschiebungen

Seit Wochen werden hunderte gut integrierte Menschen aus ihrer neuen Heimat Österreich nach Kroatien und in andere Länder abgeschoben. Freiwillige Helfer_innen haben über das letzte Jahr unglaublich viel Zeit und Energie in die Integration gesteckt. Sie sind schockiert und empört, wie die Behörden jetzt über sie und ihre neuen Freund_innen drüberfahren.

Initiativen und Einzelpersonen haben begonnen sich zu vernetzen. Erste Abschiebungen konnten verhindert werden. Am 13. November finden österreichweit Mahnwachen statt, am 26. November ist eine Großdemonstration in Wien geplant.

#LetThemStay #LasstSieBleiben #DublinAbschiebungenStoppen

In Kooperation mit dem Verband Sozialistischer Student_innen (VSStÖ) Wien.

Ein Hilferuf von Ghufran aus Zagreb: „Ich vermisse meine Freunde“

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Ghufran ist 19 Jahre alt. Sie hat im letzten Winter ganz alleine die Fluch von Bagdad über die „Balkanroute“ bis nach Österreich geschafft. Sie war Schülerin in der kleinen südsteirischen Gemeinde Mureck.

Am Montag, 7. November wurde sie von Wien aus nach Zagreb abgeschoben. In Kroatien hat sie nur wenige Stunden auf der Durchreise verbracht und ist nie registriert worden. Sie kennt dort niemand. Ihr Freund_innen in Mureck haben Samstagabend eine Mahnwache abgehalten (siehe Bild oben).

Ghufran rief ihre Freund_innen in Mureck an. Ein Anruf, der einem das Herz bricht:

„Im Gefängnis Roßauer Lände in Wien war es furchtbar. Ich war zwei Tage lang ganz alleine in einem leeren gekachelten Raum eingesperrt. Sie haben mir mein Telefon abgenommen. Niemand durfte mich besuchen. Da waren nur Polizisten und Polizistinnen.

Hier im Lager in Zagreb stehen alle unter Drogen. Bitte helft mir. Bitte kommt mich besuchen. Ich fühle mich so allein. Ich vermisse meine Freunde.“

Die Nachricht von Ghufran wurde zuerst auf der Seite der Plattform Willkommenskultur in Mureck veröffentlicht.
Hier geht's zu den österreichweiten Mahnwachen gegen Abschiebungen am Sonntag, 13. November. Und hier zur Großdemonstration #LetThemStay #LasstSieBleiben am Samstag, 26. November in Wien.

Schülerin aus Mureck droht Abschiebung: „Das ist einfach nicht in Ordnung“

Foto: Plattform Willkommenskultur Mureck
Foto: Plattform Willkommenskultur Mureck

Frühmorgens am Samstag, 5. November, holte die Polizei die 19-jährige Schülerin Ghufran aus Mureck in der Südsteiermark ab. Sie soll nach Kroatien abgeschoben werden. Sie hat ganz alleine die gefährliche Flucht aus dem Irak nach Österreich überlebt. Hier hat sie neue Freund_innen gefunden und ging zur Schule. Wir veröffentlichen Ghufrans Geschichte, zusammengefasst von der Plattform Willkommenskultur in Mureck.

Ghufran ist gerade mal neunzehn. Trotzdem hat sie es vom Irak ganz alleine über die Balkanroute bis nach Österreich geschafft. Seit Ende Dezember 2015 lebt sie in einer kleinen südsteirischen Gemeinde, wo sich viele Jugendlichen in ihrem Alter wahrscheinlich fadisieren würden. Nicht so Ghufran. Sie hatte Glück.

Eine engagierte Direktorin startete in der örtlichen Berufsbildenden Höheren Schule eine Übergangsklasse für jugendliche Schutzsuchende aus den umliegenden Gemeinden. Schul- und vor allem Sprachunterricht, an dem die herzliche junge Frau mit dem liebevollen Lächeln mit großer Begeisterung teilnimmt. „Anfangs gab es gewisse Berührungsängste mit den regulären SchülerInnen“, schildert die Französischprofessorin, „aber wir haben den Jugendlichen einfach Zeit gelassen. Das wird schon…“ Und es wurde… Ghufran verständigt sich nach fünf Monaten Schulbesuch locker auf Deutsch und fand in der Schule nicht nur FreundInnen, sondern auch ihre große Liebe.

Luca ist Südsteirer. Schüler, wie Ghufran. Ein überlegter und freundlicher junger Mensch, der einfach nicht begreifen kann, dass seine Freundin nun nach Zagreb verbannt werden soll, wie ihr vor drei Wochen per Bescheid mitgeteilt wurde. In Österreich bestünde „kein Privat- und Familienleben“. Bei ihrer Einvernahme in Traiskirchen, so Ghufran, zu der sogar ihre Lehrerin, die sie sehr ins Herz geschlossen hat, persönlich mitgekommen sei, hätte sie natürlich auch von Luca erzählt, aber die Referentin habe sie dabei nicht einmal angesehen.

Luca versteht die Welt nicht mehr: „Sie ist eine der wichtigsten Personen in meinem Leben. Sie ist ein wichtiger Teil unserer Familie und unseres Lebens geworden und dann soll sie einfach so wieder in eine anderes Land wo sie niemanden kennt, die Sprache nicht versteht und wenig Perspektiven auf ein Zukunft hat? Das ist für mich einfach nicht in Ordnung.“

Lucas Mutter Waltraud ist entsetzt, dass das „tolle Mädchen“, das zu einem Teil der Familie geworden ist, nun bei den Behördenterminen einfach so abgefertigt wird. „Dieses Mädchen hat hier ein neues Leben angefangen, sie lernt Deutsch, ist gut in die Schule integriert und hat meinen Sohn als ihren Freund, und hat uns als Familie. All das sind Dinge, die ein junger Mensch braucht, um aus sich etwas zu machen. Diese Dinge wurden bis jetzt nicht anerkannt, es wird ihr einfach weggenommen. Es wird ihr erneut ein unschlagbares Leid zugefügt und auch uns. Wer kann solche Entscheidungen verantworten?“

Die Plattform Willkommenskultur ruft zu einer Mahnwache am Sonntag, 6. November um 17:30 Uhr vor der HLW/BFW Mureck (Süßenberger Straße 27, 8480 Mureck) auf. Ghufran befindet sich derzeit in Schubhaft in der Rößauer Lände. Sie soll am Montag, 7. November über den Flughafen Schwechat abgeschoben werden.