„Farzad und uns wurde der Boden unter den Füßen weggerissen“


Im März durfte Farzad (hier mit seinen Freunden beim Abschied in Zagreb) wieder nach Österreich zurück. Jetzt droht ihm erneut die Abschiebung.

Im November 2016 wurde Farzad von den österreichischen Behörden nach Kroatien abgeschoben, wo schreckliche Zustände herrschten. Seiner Betreuerin Hemma Niedl und engagierten Aktivist_innen gelang es, ihn nach Österreich zurückzuholen. Durch die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) droht Farzad nun ein zweites Mal eine Dublin-Abschiebung.

Farzad Mohammadi, 19 Jahre alt. Er ist seit Februar 2016 in Österreich.

Aufgewachsen ist Farzad im Iran, denn dorthin sind seine Eltern geflohen als Farzad noch ein Baby war. Er hat keine Verwandten in Afghanistan.

Ich will jetzt gar nicht näher auf sein hartes Leben als Afghane im Iran eingehen, sondern nur die vergangenen Monate in Österreich schildern. Farzad wurde am 13. November 2016 aufgrund Dublin III nach Kroatien abgeschoben. Er hatte hier in unserer kleinen Stadt Tulln Freunde und so etwas wie eine Familie gefunden. Er spielte Fußball, war im örtlichen Lauf-Team, sang im Chor und hatte einen Schulplatz. Dies alles half ihm nicht.

Wir hielten damals eine Mahnwache, wir starteten eine Petition (die wir im Jänner 2017 einreichten), wir betrauten einen Anwalt mit der Sache. Wir versuchten alles und als wir Farzad nach monatelangem Psychostress im März nach Österreich zurückholen durften, schien alles für ihn und uns gut zu werden.

Abschied in Zagreb.

Farzad erholte sich nach und nach von dieser furchtbaren Zeit: zuerst die Angst davor, dass die Polizei jederzeit vor der Tür stehen könnte, dann der Horror in Zagreb, mit der Gewissheit, dass es in Kroatien kaum positive Asylbescheide gibt. Wir waren zweimal dort. Wir haben dort wundervolle Menschen kennengelernt, die dort irgendwie einfach auf’s „Abstellgleis“ geschoben wurden. Wie wir haben sie fieberhaft auf das Urteil des EuGH gewartet. Und dann wurde dieses langersehnte Urteil gefällt und wir sind noch immer benommen, schockiert und können diese Rechtsprechung nicht wahrhaben.

Farzad und uns wurde der Boden unter den Füßen weggerissen. Er ist wieder in Unsicherheit.

Er hat seine Klasse mit lauter „Sehr gut“ abgeschlossen (obwohl er so lange gefehlt hat). Er hat Deutsch B1 abgeschlossen, er spielt in der Kampfmannschaft im örtlichen Fußballverein, er hat Laufbewerbe gewonnen. Er ist allen ein guter und hilfsbereiter Freund und er kann schon österreichisch Schmäh führen. Das alles wird ihm voraussichtlich nicht helfen.

Hemma Niedl

2015 und 2016 wurden viele europäische Regierungen gezwungen die Dublin III-Verordnung auszusetzen und ihre Grenzen zu öffnen. Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 26. Juli, in der die Grenzübergänge in dieser Zeit als „illegal“ erklärt wurden, droht hunderten Flüchtlingen in Österreich (teilweise zum wiederholten Male) eine Abschiebung nach Kroatien und in andere Balkanstaaten. Die Plattform für eine menschliche Asylpolitik sammelt Fälle von Betroffenen.