Rechtsextremer Terror in Hanau ist Ergebnis der Hetze gegen Muslime und Minderheiten


Foto: Aufstehen gegen Rassismus

Am späten Abend des 19. Februar 2020 hat der rechtsradikale Terrorist Tobias R. in der hessischen Stadt Hanau in einer Shisha-Bar und einem Kiosk neun Menschen mit Migrationshintergrund ermordet. Nach dem Blutbad hat er seine Mutter und anschließend sich selbst erschossen. Die Plattform für eine menschliche Asylpolitik gedenkt der Opfer von Hanau und mahnt einen entschlossenen Kampf gegen Rassismus ein.

In seinem 24-seitigen rassistischen Manifest schrieb der Attentäter von Hanau, der Islam sei „destruktiv“ und Zuwanderer hätten „sich in ihrer Historie nicht als leistungsfähig erwiesen“. Dagegen abzugrenzen sei das „reinrassige und wertvolle“ deutsche Volk. Die Wissenschaft beweise, so der Terrorist, dass „manche Rassen überlegen seien“. Deswegen müsse man die mehrheitlich muslimischen Länder in Nordafrika, im Mittleren Osten und Zentralasien und Völker, die man aus Deutschland nicht mehr ausweisen könne, „vernichten“. In einem Video sah sich der Attentäter als Opfer eines „modernen Systems der Sklaverei“, gegen das es zu kämpfen gelte. Auch nach Österreich hatte er Kontakt – ob auch ins rechtsextreme Milieu, ist noch Gegenstand der Untersuchungen.

Der Anschlag reiht sich in eine Serie von rechtsextremen Terror ein – vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) über die Attacke im Olympia-Einkaufszentrum in München bis zur Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübcke und dem Angriff auf eine Synagoge in Halle letzten Jahres. Er folgte, nachdem nur kurz zuvor CDU und FDP in Thüringen für einen politischen Dammbruch sorgten, indem sie mit der Alternative für Deutschland (AfD) paktierten.

Tobias R. war kein „verrückter Einzeltäter“ mit „wirren Gedanken“, wie es der deutsche Generalbundesanwalt darstellte, und nicht bloß „psychisch krank“, wie es der Leiter des Bundeskriminalamts ausdrückte. Die Fragestellung, ob der Attentäter psychisch krank war oder nicht, ist in diesem Zusammenhang irrelevant. Er wurde in einem ideologischen und gesellschaftlichen Umfeld politisiert, in dem er sich – wie bereits andere vor ihm – berufen fühlte, zur Tat zu schreiten. Rechtsextremismus-Experte Hajo Funke erklärte im Interview mit dem Standard, dass die Hemmschwelle durch die aggressive Hetze gegen Minderheiten gesenkt werde und dies „eröffnet, ermöglicht und erleichtert, dass rassistische Gesinnung in Gewalt umschlägt. Man fühlt sich in diesem Klima ermutigt, zuzuschlagen“.

FPÖ mitverantwortlich

Seit Jahren verbreiten AfD, „Identitäre“ und FPÖ die antimuslimisch-antisemitische Verschwörungstheorie von einem angeblichen „Bevölkerungsaustausch“, auf die sich bereits andere Nazi-Terroristen wie der Mörder von Christchurch bezogen haben. Nur zwei Tage vor dem Anschlag rief Björn Höcke, Führer der AfD in Thüringen, zum „Umsturz“ auf – eine „Lizenz für Anschläge“, wie es ein Politikwissenschafter in Deutschland richtig charakterisierte. FPÖ-Klubchef Herbert Kickl besuchte Ende Jänner die AfD in Berlin und lobte die Partei als eine „aufsteigende, dynamische politische Kraft“. Die FPÖ und AfD verbinde Wesentliches, so Kickl:

In der Sprache gibt es Ähnlichkeiten, wir reden nicht um den heißen Brei, wir sprechen die Dinge an, wir legen die Finger in die Wunden. Auch in der Asyl- und Migrationsfrage muss man so sprechen, dass die Menschen es verstehen. […] Unsere Identität und Heimat muss erhalten bleiben für unsere kommenden Generationen, weil wir nicht wollen, dass sie zu Fremden in der eigenen Heimat werden. […] Wir sind die natürlichen Gegner eines Systems, das glaubt, dass Verwurzelung, dass Identität, dass Heimatliebe, dass die Pflege der eigenen Tradition […] etwas Negatives ist.

Es sind diese kruden Verschwörungstheorien von einem feindlichen System, in dem man angeblich nichts mehr sagen darf und gegen das man sich zur Wehr setzen muss, die sich in den Manifesten des Hanauer Attentäters wiederfinden. Er fühlte sich berufen den „Umsturz“, von dem Höcke sprach, zu provozieren.

Rassismus der Mitte

Die Gewalt des Wortes schlug in die Gewalt der Tat um. Aber die dafür nötige Entmenschlichung begann nicht erst durch Rechtsextreme. Sie greifen die rassistische Hetze der politischen Mitte auf und treiben sie auf die Spitze. Der jahrelange Rassismus gegen Muslim_innen und Geflüchtete bereitete den Boden für das schreckliche Attentat auf. Die Ausweitung des Kopftuchverbots für Schülerinnen bis 14 Jahre, die Einführung einer „Dokumentationsstelle für politischen Islam“ oder Sicherungshaft für Geflüchtete in Österreich sind nur die jüngsten geplanten Maßnahmen, durch die Minderheiten gebrandmarkt werden.

Noch am Vorabend des Attentats sprach ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz im ORF von „Migranten“ als einer „Belastung“ für Österreich. Er sei gegen die Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten aus den griechischen Lagern, weil es „nicht sinnvoll“ sei, „mehr Menschen aufzunehmen, als man integrieren kann“. Es ist eben dieser Diskurs, nachdem ein Land, ein „Volk“, bereits mit Ausländern und „Fremdkörpern“ gesättigt sei, von dem sich Rechtsextreme nähren. Das ist verheerend, denn die Dokustelle Islamfeindlichkeit & antimuslimischer Rassismus stellte den klaren Zusammenhang fest, dass Zahl der gemeldeten rassistischen Fälle dann signifikant ansteigt, wenn „zur selben Zeit politische Kampagnen und politische Debatten negative Assoziationen zu bestimmten Minderheitengruppen wecken“.

25 Jahre nach dem verheerenden Attentat des österreichischen Rechtsextremisten Franz Fuchs in Oberwart, bei dem vier Roma durch eine Rohrbombe ermordet wurden, mahnen wir einen entschlossenen Kampf gegen Rassismus und rechten Terror ein. Solidarität mit unseren muslimischen Brüdern und Schwestern, mit allen betroffenen Religionsgemeinschaften und mit allen Opfern rechtsextremer Gewalt!

Weiterführende Literatur:

David Albrich ist Koordinator der Plattform für eine menschliche Asylpolitik und bei Linkswende jetzt aktiv. Die Plattform ruft zum UN-Tag gegen Rassismus am Samstag, 21. März, zur Großdemo „Klimaflucht ist kein Verbrechen“ auf (Karlsplatz, 14:00 Uhr, Event auf Facebook) und organisiert am Freitag, 28. Februar, die Podiumsdiskussion „Klimaschutz. Menschenrechte. Solidarische Zukunft“ im Depot (Breite Gasse 3, 1070 Wien, Event auf Facebook).