„Bereiten wir den rechtsextremen Umtrieben in diesem Land ein Ende“


Ungekürzte Rede von David Albrich für die Plattform für eine menschliche Asylpolitik auf der Kundgebung #aufdiestrasse gegen die Abschaffung der Mindestsicherung am 23. April 2019 am Wiener Ballhausplatz

Ausgerechnet in Braunau, dem Geburtsort von Adolf Hitler, hat die FPÖ in den Osterfeiertagen ein ekelhaftes rassistisches Gedicht gegen Ausländer verbreitet, ein Gedicht, in dem Migranten als Ratten „mit Kanalisationshintergrund“ verunglimpft wurden. Für ÖVP-Vizekanzler Sebastian Kurz ist das Gedicht „abscheulich, menschenverachtend sowie zutiefst rassistisch“.

Ich bin selbst in Braunau in die Schule gegangen und fühle mich verpflichtet, gegen diese Abscheulichkeiten, die hier in Österreich über 70 Jahre nach der Schoah scheinbar wieder salonfähig werden, aufzustehen –  auch weil ich die Nazi-Aufmärsche rund um den Hitlergeburtstag in Braunau erlebt und auf die Gegendemonstrationen gegangen bin.

Der Presserat hat kurz zuvor in einem anderen Fall geurteilt, dass Tiermetaphern wie mit Ratten „in der NS-Zeit für bestimmte Personengruppen gezielt eingesetzt“ wurden und „zwangsläufig von Vernichtungsfantasien begleitet“ wären, denn „Ratten dürfen ausgerottet werden“. Die Nazis haben Jüdinnen und Juden, politische Gegner, „Asoziale“ und andere Menschen systematisch als auszumerzende „Volksschädlinge“ entmenschlicht und damit den Holocaust, die Massenvernichtung von Menschen vorbereitet.

Dass es überhaupt mehrere Tage gedauert hat, bis der Braunauer FPÖ-Vizebürgermeister zurückgetreten ist, spricht schon Bände über den Charakter der FPÖ und den braunen Sumpf, der in Österreich Einzug in die höchsten Ämter des Staates gefunden hat.

Das Braunauer Gedicht ist kein Einzelfall, sondern die Regel in der FPÖ. Da ist eine ehemalige FPÖ-Abgeordnete Winter, die ein „Tierbordell“ für „muslimische Männer“ einrichten wollte. Da ist der niederösterreichische FPÖ-Klubobmann Landbauer, der von einer „Verseuchung“ durch Asylantenheime sprach. Da ist der niederösterreichische „Asyllandesrat“ Waldhäusl, der Asylsuchende mit „Rindsviechern“ und „Schweinen“ verglich. Da ist FPÖ-Minister Hofer, der ein Buch herausgab, in dem Zuwanderer als „Wespenlarven“ entmenschlicht werden, „die Maden von innen zerfressen“. Da ist FPÖ-Klubobmann Gudenus, der fantasierte, Flüchtlinge würden gefährliche Krankheiten wie die Krätze nach Europa einschleppen. Da ist Vizekanzler Strache höchstpersönlich, der im Comic „Sagen aus Wien“ Linke gleich mehrfach Linke mit Ratten verglich.

Die FPÖ ist – um die Worte des Kanzlers zu verwenden – als Ganzes eine „abscheuliche, menschenverachtende sowie zutiefst rassistische“ Partei, die nichts, aber wirklich gar nichts in der Regierung verloren hat.

Dass Kurz überhaupt reagieren musste, liegt an eurem unermüdlichen Einsatz. Ihr, die immer wieder auf die Straße geht und sagt: Nein, es reicht! Wir haben dafür gesorgt, dass die Regierung seit dem Aufdecken der Spende des Christchurch-Attentäters an die „Identitären“ in einer schweren Krise steckt – eine Krise, die wir ausnutzen und vertiefen können.

In dem Braunauer Gedicht wird explizit von einer „Vermischung der Kulturen“ und dem Untergang des „eigenen Volkes“ gewarnt. Das ist nichts anderes jenes an die jüdische Weltverschwörung anknüpfende Untergangsszenario, das die FPÖ und die „Identitären“ seit Jahren heraufbeschwören – jene antisemitische-antimuslimische Verschwörungstheorie des „Großen Austauschs“, die der Christchurch-Attentäter mit seinen Spenden belohnt hat.

Vergessen wir nicht, dass ÖVP-Kanzler Kurz seine Regierung am Kahlenberg in Anlehnung an die Befreiung von der Türkenbelagerung präsentiert und inszeniert hat. Wir müssen diese brandgefährliche Ideologie offenlegen und den Finger in die Wunde legen, wenn wir dieser Regierung schaden wollen.

Viele von euch waren mit dabei, als wir die „Identitären“ vor einer Woche mit über 2000 Antirassistinnen und Antirassisten zahlenmäßig in den Schatten gestellt und gezeigt haben: für rassistische Hetze ist in Österreich kein Platz. Viele von euch waren am internationalen Aktionstag gegen Rassismus mit uns und Zehntausenden auf der ganzen Welt auf der Straße.

Unsere Botschaft ist: Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen. Wir stehen auf gegen Rassismus und Sozialabbau. Wir lehnen uns auf, wenn gegen Flüchtlinge, Muslime und Juden gehetzt wird, und wenn sie die Mindestsicherung abschaffen wollen. Wir sind die solidarische Zivilgesellschaft, die 2015 die Öffnung der Grenzen erzwungen und ein Feuerwerk des Miteinanders entzündet hat.

Wir sind laut, bunt und zahlreich, und wir wachsen: Tausende Schülerinnen und Schüler stellen in Österreich und der ganzen Welt mit den Klimastreiks die politische Landschaft auf den Kopf. Nehmen wir uns an den Schülerinnen und Schülern ein Beispiel: Nehmen wir unsere Zukunft selbst in die Hand und bereiten wir den rechtsextremen Umtrieben in diesem Land ein Ende.

Unsere Stärke ist die internationale Solidarität.