In Erinnerung an Dora Schimanko (1932-2020)


Dora Schimanko am 27. Jänner 2012 auf der Kundgebung von Jetzt Zeichen setzen auf dem Wiener Heldenplatz

Wir trauern um Dora Schimanko.

Eine der wichtigsten Zeitzeuginnen und Antifaschistinnen Österreichs ist am 24. Oktober 2020 von uns gegangen. Dora Schimanko, geboren 1932, musste als sechsjähriges Kind den Einmarsch der Nazis in Wien erleben. „Ohne Hitler hätte ich überhaupt nicht gewusst, dass ich jüdisch bin“, erzählte sie später einmal. Dass ihre jüdische Familie, der auch Karl Popper entstammte, die Religion nicht praktizierte, bewahrte Schimanko nicht vor der Verfolgung – zunächst durch die Austrofaschisten, später durch die Nazis. Ihre Erinnerungen an damals schrieb sie Jahrzehnte später in ihrem Buch Warum so und nicht anders (2006) nieder.

Nach dem „Anschluss“ an Hitlerdeutschland 1938 war schnell klar, dass die Familie in ernster Gefahr war. Schimanko konnte mit einem Kindertransport per Zug mit 800 Kindern zu ihrem Großvater nach London entkommen, wo sie sich der Kommunistischen Jugend anschloss (später auch der KPÖ). Ihre Rückkehr nach Österreich 1946 war alles andere als eine Befreiung: Der Staat gab ihre Wohnung, die 1936 enteignet und arisiert wurde, nicht zurück, sie fiel in die Obdachlosigkeit. Erst 2002 bekam sie eine „Entschädigung“ zugesprochen, die sie nur widerwillig annahm – sie wollte niemals um Genugtuung betteln. Das Geld spendete sie schließlich Organisationen, die Obdachlosen und Flüchtlingen helfen.

Schimanko warnte stets vor dem Wiedererstarken des Faschismus und Rassismus. Immer wieder zog sie Vergleiche zwischen ihren Erinnerungen und aktuellen politischen Entwicklungen. „Heute sagt man halt Ausländer statt Juden, das ändert an der Gesinnung überhaupt nichts“, mahnte Schimanko. 2012 sprach sie am internationalen Holocaust-Gedenktag vor tausenden Antifaschist_innen als Hauptrednerin auf dem Wiener Heldenplatz gegen den Ball des Wiener Korporationsrings (WKR), einer Veranstaltung der deutschnationalen, antisemitischen FPÖ-Burschenschafter, in den offiziellen Räumlichkeiten der Republik in der Hofburg. Kurz darauf wurde der WKR-Ball aus der Hofburg geworfen.

Zwei Jahre später verurteilte sie den brutalen Polizeieinsatz gegen Antifaschist_innen, die gegen den Nachfolger des WKR-Balls in der Hofburg, den FPÖ-Akademikerball demonstrierten, und verlangte die Absetzung des Wiener Polizeipräsidenten. Wieder erinnerte sie an die politische Situation, die sie in ihrer Jugend noch miterlebte, als man sich vom sogenannten „Justizpalastbrand“ 1927 erzählte – damals schoss die Polizei auf eine antifaschistische Demonstration vor dem Wiener Justizpalast und ermordete 84 Menschen. „Noch ist es bei uns nicht so weit, aber ich bekomme es mit der Angst zu tun“, warnte Schimanko, die sich bis zu ihrem Tod für ein Ende des FPÖ-Balls, gegen Abschiebungen und für eine humane Asylpolitik engagierte.

Deine Worte waren und sind uns stets eine Mahnung, dass Faschismus nie wieder auferstehen darf und dass wir Rassismus immer und überall bekämpfen müssen. Unsere Gedanken sind bei deiner Familie und deinen Freund_innen.

Liebe Dora, du wirst uns fehlen!