Österreich mitschuldig: 140 Geflüchtete vor Westafrika ertrunken


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140 schutzsuchende Menschen sind vor der Küste Senegals ertrunken, nachdem ihr Schiff wenige Stunden nach dem Auslaufen Feuer fing und kenterte. Es ist die bisher größte Schiffskatastrophe des Jahres. Die Fluchtrouten über den Atlantik entlang der afrikanischen Westküste und die Mittelmeerrouten werden immer gefährlicher und tödlicher. Die österreichische Regierung ist seit Jahren an EU-Militärmissionen beteiligt und trägt damit unmittelbar zum Tod von Geflüchteten bei.

von David Albrich

Vergangenen Samstag, 24. Oktober, lief von der senegalesischen Hafenstadt M’bour ein Schiff mit rund 200 schutzsuchenden Menschen an Bord aus und steuerte die nördlich gelegenen Kanarischen Inseln, die zu Spanien gehören, an. Nach wenigen Stunden Fahrt brach ein Feuer aus und das Schiff kenterte. Für 140 Geflüchtete kam jede Hilfe zu spät, 59 Menschen konnten noch von Fischern sowie der senegalesischen und spanischen Küstenwache gerettet werden, berichtete die Internationale Organisation für Migration (IOM) am Donnerstag.

Es ist die bisher größte Schiffskatastrophe des Jahres. In den vergangenen Wochen machten sich wieder deutlich mehr Menschen über die gefährliche Atlantik-Fluchtroute, eine für ihre unberechenbaren Strömungen berüchtigte Route, auf, Europa zu erreichen. Die Zahl der Menschen (11.000), die bislang im Jahr 2020 auf den Kanaren ankamen, vervierfachte sich laut IOM zum Vergleichszeitraum des Vorjahres. Alleine im September legten 14 Schiffe mit 663 Menschen an Bord von der senegalesischen Küste ab.

Österreich mitverantwortlich

Das Hochziehen von Mauern und Grenzschutz macht die Migration und Flucht gefährlicher und tödlicher. Nachdem 2006 über 30.000 Menschen auf den Kanarischen Inseln über den Seeweg ankamen, schloss die spanische Regierung einen Pakt mit Senegal, um die Zahlen durch verstärkte Grenzpatrouillen zu reduzieren. Die Menschen aus Westafrika, die nach Spanien wollen, suchten sich andere Wege, vor allem über das Land. Sie versuchten über Mali, Marokko (westliche Mittelmeerrouten) und Libyen (zentrale Mittelmeerrouten) nach Europa zu kommen.

2013 ergriff die ehemalige Kolonialmacht Frankreich im Bürgerkrieg in Mali die Gunst der Stunde und intervenierte militärisch. Die Europäische Union (EU) schickte Soldaten zur Flüchtlingsabwehr, getarnt als Ausbildungsmission (European Union Training Mission Mali, EUTM Mali), um die malische Armee zu unterstützen. Die deutsche Bundeswehr sagte ganz offen, dass es beim Einsatz in Mali aufgrund der „zentral geografischen Lage“ um die Bekämpfung von Migration ginge, man vertrete „deutsche Sicherheitsinteressen“.

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Auch Österreich ist an der EU-Militärmission in Mali beteiligt, sie wurde zeitweilig sogar von Bundesheer-Offizieren geleitet (von Juni bis Dezember 2019). Das Bundesheer rechtfertigte die Beteiligung am Auslandseinsatz, wie die deutsche Bundeswehr, damit, die Mission würde die „negativen Effekte auf die äußere und innere Sicherheit Österreichs und Europa (unter anderem […] durch irreguläre Migration)“ reduzieren. Migration wird ganz ungeniert als Bedrohung der Staatsinteressen bezeichnet, gegen die man mit militärischen Mitteln vorgehen müsse.

2013 begann die EU ihre höchst umstrittene Kooperation mit der korrupten libyschen Küstenwache (die European Union Border Assistance Mission in Libya , EUBAM Libya), die Geflüchtete zurück in libysche Internierungslager verfrachtet, in denen sie gefoltert, misshandelt und vergewaltigt werden, wie Amnesty International mehrfach kritisierte. Wieder ist Österreich mitten in der EU-Militärmission engagiert. Zu Beginn des Jahres beschloss die türkis-grüne Regierung die Entsendung von Soldaten in die sogenannten EU-Operation IRINI, bei der die libysche Küstenwache beim Bekämpfen „illegaler Migration“, also Deportationen nach Libyen, unterstützt werden soll.

Vor einem Jahr schloss die EU auch einen Deal mit Marokko ab, „einschließlich erheblicher finanzieller Unterstützung der EU für das Grenzmanagement und die Bekämpfung der irregulären Migration“. Kurz darauf erteilte ausgerechnet Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Spanien die Freigabe, Menschen aus seinen Enklaven auf nordafrikanischem Boden abzuweisen, ohne ihren Asylantrag zu prüfen. Die Mauern wurden noch weiter hochgezogen. Viele Menschen machten sich daher inzwischen wieder auf die weitaus längere und gefährlichere Route über den Atlantik und die Kanarischen Inseln auf den Weg nach Europa.

Die Coronakrise verschärft die Situation zusätzlich: Das Mixed Migration Center in Genf führt die Verschiebung der Fluchtrouten teilweise auf die Pandemie zurück. Auf den „klassischen“ Routen (im Mittelmeer) stünden einfach weniger Schleuser zur Verfügung, zusätzlich fehlt es den Menschen an Geld, und die Bewegungsfreiheit würde durch Corona noch weiter einschränkt werden.

Internationale Solidarität

Österreich trägt – in seiner schändlichen Rolle in Moria am deutlichsten sichtbar – mit dazu bei, dass die Flucht- und Migrationswege für Menschen immer gefährlicher werden. Die österreichische Regierung trägt Mitschuld am Tod der 140 Menschen vor der senegalesischen Küste. Nach wie vor gibt es keine legalen Möglichkeiten, nach Europa zu fliehen. Im Gegenteil, die EU-Grenzschutzagentur Frontex ist in aktive Zurückweisungen, sogenannte „Pushbacks“ an den Außengrenzen involviert, wie zuletzt ein internationales Rechercheteam aufgedeckt hat und vom ORF bestätigt wurde. Auch vom Balkan werden immer mehr Berichte von schrecklicher Polizeigewalt gegen Flüchtlinge bekannt.

Die Menschen werden unmittelbar in die Abhängigkeit von Schleppern gedrängt. Sie sind auf sie angewiesen, um das ersehnte Leben in Sicherheit, Würde und Freiheit zu erlangen. Wir fordern ein Ende der Gewalt gegen Geflüchtete, die Schaffung legaler Migrations- und Fluchtmöglichkeiten und ein Ende der militärischen Einmischungen und neokolonialen Ausbeutung afrikanischer Staaten durch Österreich und andere westliche Staaten. Aus diesen Gründen sind wir selbstverständlich solidarisch mit den Massenprotesten in Nigeria, im Sudan oder im Kongo.

Menschen lassen sich nicht durch Grenzen aufhalten, und sie haben jedes Recht zur Migration. Die Proteste in zahlreichen afrikanischen Ländern geben uns Hoffnung. Sie zeigen den Weg in eine Welt, in der niemand mehr aufgrund seiner Herkunft, seines sozialen Status oder aus andere Gründen flüchten muss.