Protest in Klosterneuburg gegen Abschiebung: „Bitte holt Naveed nach Hause!“


Hunderte Menschen demonstrierten am Mittwoch, 21. April, unter dem Motto „Gebt Naveed sein Zuhause zurück!“ am Rathausplatz in Klosterneuburg. Sie wollen nicht hinnehmen, dass ihr Freund und Schulkollege Naveed aus ihrer Mitte gerissen und abgeschoben wurde. Der 23-jährige Tullner, der sich vorbildlich in die Gemeinde eingelebt, seinen Schulabschluss gemacht hatte und eine Pflegeausbildung beginnen wollte, wurde kurz zuvor vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) in eine Falle gelockt und nach Pakistan deportiert.

von David Albrich

Marlies Bauer, Naveeds „Mama“, kämpft weiter.

Der Schock sitzt bei allen noch tief. Um ihrem Ärger Luft zu verschaffen und eine Stimme für die Menschlichkeit zu erheben, initiierten Schulkolleg*innen des 23-jährigen Naveed aus Tulln am Mittwoch eine Protestaktion in Klosterneuburg. Naveed wurde vor zwei Wochen zu einer harmlos klingenden Befragung in das Schubhaftzentrum Hernalser Gürtel gelockt, wo er nicht wieder als freier Mensch herauskam. Man verlegte Naveed in das Gefängnis Rossaußer Lände zur Abschiebung nach Pakistan. Man legte ihm Handschellen an und warf ihn wie einen Schwerverbrecher in eine „Disziplinierungszelle“.

Von 2016 bis 2018 besuchte Naveed als außerordentlicher Schüler die HLW in Tulln. „Ich hätte mich am liebsten vor das Flugzeug gelegt, um ihm das Gefühl zu geben, dass er willkommen und in Österreich geliebt ist“, sagte seine Klassenkameradin Myriel auf der Kundgebung. In ihrer Rede spielte sie auf Bundespräsident Alexander Van der Bellen an, der diese hässliche Seite von Österreich nicht wahrhaben wollte. „Wir können zwar sagen, so sind wir nicht. Aber in dem Moment, wo dir Handschellen angelegt werden und du in ein Flugzeug geschleift wirst, zählt das nicht.“

Naveed rein, Kurz raus!

Naveeds ehemalige Lehrer*innen in Tulln hatten sich vorab in einer Stellungnahme zu Wort gemeldet. „Ich bin traurig, wütend, sprachlos, dass in Österreich so mit Menschen, die sich ehrlich um Integration bemühen, umgegangen werden darf“ und „Dass er abgeschoben wurde, bestürzt mich zutiefst“ schrieben einige Lehrer*innen. Auch die Schulleiterin, Margit Längauer, ist fassungslos. Sie konnte und wollte nicht schweigen. Sie möchte mit der Stellungnahme auch dazu beitragen, dass „das offizielle Österreich wieder menschlicher = humaner wird“.

Hunderte Menschen forderten am Rathausplatz in Klosterneuburg Naveeds Rückkehr


„Wir wollen Naveed zeigen, dass es viele gibt, die sich um ihn sorgen und die sich dafür einsetzen, dass er hier sein und wieder kommen darf“, sagte Lena, eine Freundin von Naveed. Die Protestierenden verlangten eine sofortige Rückholaktion und dass die Gesetze endlich verändert werden. Immer wieder riefen sie „Bleiberecht!“.  Empört war man besonders wegen der herzlosen Haltung von Kanzler Sebastian Kurz und der türkisen ÖVP. Auf selbstgebastelten Schildern war „Wir haben Platz“, „Kein Mensch ist illegal“ oder „Naveed rein, Kurz raus!“ zu lesen.

Der Protest wurde getragen und unterstützt von der Initiative Klosterneuburg hilft, Amnesty International und der Jungen Generation in Tulln, allen voran von Naveeds „Ziehmama“ und „Omi“, Marlies Bauer. Bis heute kann sie diese Ungerechtigkeit nicht wirklich fassen. „Es heißt Bleiberecht und nicht Bleibegnade!“, rief Marlies den Asylbehörden entgegen und bekam lauten Applaus. Sie appellierte, nicht aufzugeben und weiter Öffentlichkeit zu schaffen. „Wir klammern uns an jeden Strohhalm. Viele Strohhalme machen ein Dach. Bitte bauen wir ein Dach!“

Hoffnung stärken

Die Protestaktion hat den Zusammenhalt und den Kampfgeist für eine menschliche Asylpolitik wieder gestärkt. Ein Vorbild für weitere Aktionen im ganzen Land. „Wenn ich mich hier umsehe, dann habe ich die Hoffnung nicht ganz aufgegeben. Hier und heute haben wir zumindest eine Gewissheit, dass ein wenig Menschlichkeit in Österreich da ist, auch wenn sie nicht bei der Regierung angekommen ist“, sagte Julia, die Naveed wie einen Bruder ins Herz geschlossen hat. „Wir sind eine Gruppe und wir können stark sein. Wir dürfen es nicht hinnehmen, dass dies weiterhin passiert.“

Sandy (am Mikrofon) und die WG, mit der Naveed gearbeitet hat.

Naveed arbeitete freiwillig als Behindertenbetreuer bei der Caritas und betreute eine Wohngemeinschaft für behinderte Menschen mit. Die WG reiste auch zum Protest an. Sandy, eine Bewohnerin, fand genau die richtigen Worte und begeisterte die Menge: „Wir finden das alle eine Frechheit, dass Naveed gezwungen worden ist, wegzugehen. Wir wollen dich wieder in Österreich haben. Vielleicht findet jemand Mitleid mit dir und holt dich zurück aus dem Land, wo du fast umgebracht worden bist. Bitte holt Naveed nach Hause!“

Fotos: Murtaza Elham. Video: Renate Sassmann