Rede von Erich Fenninger (Volkshilfe) zum Weltflüchtlingstag: „Widerstand ist notwendig!“


Rede von Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich und Sprecher der Plattform für eine menschliche Asylpolitik, am Mittwoch, 20. Juni 2018, dem Weltflüchtlingstag. Gehalten auf der Auftaktkundgebung der Demonstration „Menschenleben schützen“ am Wiener Hauptbahnhof. 

Die Menschenrechte werden bedroht, angegriffen und schrittweise abgebaut. Sie werden – wie eine nicht mehr gewollte Bekleidung – Schicht für Schicht abgestreift.
Der Abbau erfolgt global! Die USA treten am Weltflüchtlingstag aus dem UN-Menschenrechtsrat aus. Trump trennt Kinder von ihren Eltern, verhaftet diese und sperrt sie ein.

Abbau der Menschenrechte auch in Europa! Noch im Jahr 2012 wurde die EU für ihren Einsatz für Frieden, Versöhnung, Demokratie und Menschenrechte mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Wofür steht die EU 2018? Für Friedenspolitik? Sie ist nicht einmal mehr wahrnehmbar, sie wird nicht mehr gemacht. Anstelle dieser profitieren europäische Staaten wie Deutschland an den Kriegen. Die Waffenexporte in den arabischen Raum haben sich verdoppelt.
Versöhnung? Antisemitische Wahlkämpfe wie beispielsweise in Ungarn. Roma und Sinti werden in unseren Nachbarstaaten bedroht und verfolgt. Salvini, der italienische Innenminister, ruft zu einer Zählung der Ethnie der Roma auf.

Demokratie? Demokratien transformieren sich zusehends in autoritäre, nationalistische Projekte. Das Solidarische soll aus der Gesellschaft, aus dem Menschen herausgequetscht werden. Propaganda und Politik der negativen Gefühle lösen inhaltliche Auseinandersetzung ab. Öffentlich-rechtliche Medien werden diffamiert, um sie zu einem Regierungsfunk umzubauen.

Menschenrechte? Die europäische Kommission arbeitet hinter verschlossenen Türen am Abbau der Grund- und Menschenrechte sowie der Genfer Flüchtlingskonvention. Schutzsuchenden Menschen sollen ohne Verfahren an die Außengrenzen zurückgeschoben werden. Die Verantwortung für Flüchtlingsschutz soll aus Europa ausgelagert werden.

Allein zwischen dem Jahr 2008 und 2011 wurde der Finanzmarkt mit 1,6 Billionen unterstützt. Bankenrettungsschirme jede Menge und im unvorstellbaren Ausmaß. Menschenrettungsschirme werden abgespannt. Das Rettungsschiff Aquarius durfte weder in Malta und in Italien noch Frankreich anlegen. Eine Woche Irrfahrt bis 600 gerettete Menschen in Valencia an Land gehen konnten. Aus Menschenrechten werden Gnadenakte.
Ein Europa, welches die Menschenrechte abbaut und das Recht auf ein Asylverfahren verhindern will ist einen Friedensnobelpreis nicht mehr würdig.

Es ist die falsche Frage über die diskutiert wird. Wir wollen nicht weniger oder mehr EU. Wir wollen ein anderes Europa. Eines der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit. Ein Europa der BürgerInnen – nicht ein Europa der ökonomischen und politischen Eliten.
Die Menschenrechte werden in Österreich, wie wir wissen, massiv bedroht und abgebaut!
Österreich übernimmt in wenigen Tagen am 1. Juli den Ratsvorsitz. Kurz und Strache heben eine Agenda. Ohne Not und ohne Krise soll das Soziale und Menschenrechtliche in der EU weiter minimiert werden.

Sie müssen nicht existierende Flüchtlingsprobleme herbeilügen um sich auf Kosten schutzsuchender Menschen zu privilegieren. Sie müssten Flüchtlinge erfinden – ohne sie würde ihre ganze Politik der Entsolidarisierung in sich zusammenstürzen.

Die Gewalt geht von den Mächtigen aus. Global, in Europa und national nimmt die strukturelle und direkte Gewalt gegen die Bürger und Bürgerinnen zu. Sie werden zu Feinden erklärt. Die Volkshilfe Flüchtlingsbetreuung wurde vom Bundesnachrichtendienst abgehört.

Wir müssen uns und anderen folgendes klarmachen: In dem Moment, in dem Menschenrechte bei anderen abgebaut werden, werden auch dir deine genommen. Das Wir aus Sicht von Kurz und Strache sperrt nicht nur Flüchtlinge aus. Es sperrt auch dich und mich aus.

Wenn du arbeitslos wirst, bist du ein Durchschwindler, dem die finanzielle Unterstützung gestrichen wird. Bist du armutsbetroffen, wird dir das Mindeste weggenommen. Acht Stunden Lohnarbeit sind nicht mehr genug. Sie wollen noch mehr Gewinn für deine Arbeit generieren. Die Schere zwischen Reich und Arm soll weiter auseinandergehen.

Der Mensch im Neoliberalen Zeitalter ist kein Zweck an sich. Er ist ein Kostenfaktor auf zwei Beinen, der so gut wie möglich ökonomisiert werden soll.

Der Kampf für die Menschenrechte der Anderen ist auch dein Kampf. Sie sind nicht zufällig universell und unteilbar. Lässt du die Teilung zu, wachst du in Bälde morgens auf und hast selbst keine mehr. Die Lage ist ernst. Ihre Propaganda und Messagecontrol unerträglich.

Lassen wir uns von dieser Reformierung nicht lähmen. Schützen wir uns wechselseitig. Spannen wir über uns Menschenrettungsschirme auf. Widerstand ist notwendig und ein gemeinsamer Akt. Die Menschenrechte sind unser. Eine sozial gerechte Welt ist möglich.

 

Die verschriftlichte Rede ist zuerst auf Facebook erschienen. Foto: Murtaza Elham.