Zwei syrische Brüder in Groß-Enzersdorf vor der Abschiebung


shivanmargityusefGroß-Enzersdorf, Oktober 2016
Ein Appell von Margit Huber

Shivan und Yusef sind zwei Brüder aus Syrien. Shivan wirkt mit seinen 20 Jahren wesentlich älter, ist ruhig, zurückhaltend, äußerst höflich und wohlerzogen. Jede Mutter wäre unglaublich stolz auf so einen Sohn. Er trägt hier in Österreich die Verantwortung für seinen 18-jährigen Bruder Yusef. Beide sind Kurden und haben eine sehr lange Fluchtgeschichte auch schon in ihrer Heimat hinter sich. Als Kurden mussten sie auch schon innerhalb Syriens immer wieder flüchten. Yusef konnte oft ein Schuljahr nicht richtig abschließen, weil er das Haus nicht verlassen durfte: zu gefährlich, zu viele Bomben. Sie haben sich nach Österreich durchgeschlagen und wie so viele in der Türkei Station gemacht, um Geld zu verdienen für den weiteren Weg. Beide sprechen Kurdisch und Arabisch.

Als ich die beiden im Februar kennenlernte, hatten wir keine gemeinsame Sprache. Doch Yusef hat sich in den letzten Monaten selber Englisch beigebracht. So kann ich mich mit ihm jetzt in Englisch unterhalten. Und mit beiden kann ich mich auf Deutsch unterhalten. Den A1-Kurs haben sie bereits abgeschlossen, jetzt besuchen sie den A2-Kurs seit eineinhalb Monaten. Shivan spricht schon wunderschöne deutsche Sätze und lernt sehr fleißig, denn sein Traum ist es, hier in Österreich Arzt zu werden. Ich traue ihm das zu. Er lässt sich nicht ablenken, arbeitet konzentriert und jeden Abend, um die deutsche Grammatik zu lernen und möglichst viele neue Wörter. Ich bin unglaublich stolz auf ihn. Wie eine Mama auf ihren Sohn.
Die beiden Brüder leben in einer WG mit zwei anderen Asylwerbern eine Minute von mir entfernt. So sind sie Teil meiner Familie. Wir essen gemeinsam, wir feiern gemeinsam, wir lachen gemeinsam und ab und zu weinen wir auch gemeinsam. Wir geben einander Kraft und helfen einander, wann immer jemand Hilfe benötigt. So wie es in einer Familie selbstverständlich ist. Denn nichts anderes sind wir.

Shivan und Yusef spielen jede Woche Volleyball in einem Team hier in unserer kleinen Stadt in Niederösterreich. Sie haben bei Veranstaltungen von Vereinen mitgeholfen, sobald sie darum gebeten wurden. So haben sie Freunde gefunden, haben sich eingelebt, Vertrauen gefasst zu den vielen neuen Menschen in ihrem Leben, sich geöffnet, Wurzeln geschlagen und begonnen an eine Zukunft hier in unserem kleinen Städtchen zu glauben. Dafür tun sie alles.
Eine Schwester der beiden lebt in Linz. Als Asylwerber dürfen die Geschwister das Bundesland leider nicht wechseln, somit sind die Geschwister getrennt. Der Ehemann der Schwester hat schon Asyl. Somit hofft sie, auch in Österreich Asyl zu bekommen. Ihre Brüder aber sollen jetzt nach Kroatien abgeschoben werden, damit wären die Geschwister endgültig getrennt.

Shivan und Yusef leben jetzt in ständiger Angst, dass die Polizei in ihre Wohnung kommt und sie mitnimmt in ein unbekanntes Land, in dem sie nur ein paar Stunden auf der Durchreise waren. Sie können nicht mehr schlafen und nicht mehr essen, haben ständige Bauchschmerzen. Sie kennen niemanden in Kroatien, wären auf sich allein gestellt. Müssten eine fünfte Sprache lernen. Wieder bei Null anfangen. Dafür haben sie keine Kraft mehr. Das kann man diesen jungen, anständigen und ohnehin schon schwer traumatisierten Menschen einfach nicht zumuten. Das wäre einfach grausam. Warum möchte unser Staat auf Biegen und Brechen so vielversprechende, kluge junge Menschen loswerden?

Bitte unterschreibe jetzt die Online-Petition gegen Dublin-Abschiebungen! Hier die Liste mit weiteren dokumentierten Fällen.