Online-Mahnwache für Menschen auf der Flucht in Bregenz #WirHabenPlatz


Zahlreiche Initiativen, darunter das Vorarlberger Bündnis uns reicht’s, luden am 15. November zur Online-Mahnwache für die Menschlichkeit und die Aufnahme von schutzsuchenden Menschen aus Moria (Video ganz unten). Aufgezeichnet im Vorarlberger Landestheater in Bregenz boten Schauspieler_innen und die Intendantin Stephanie Gräve berührende Texte und Reden dar, während vor dem Theater am Kornmarktplatz Zelte aufgestellt wurden. Die klare Botschaft: Wir haben Platz!

von David Albrich

Mit einer Mahnwache der besonderen Art forderten Aktivist_innen am vergangenen Sonntag in Bregenz die Politik auf, endlich Menschen aus dem ehemaligen griechischen Flüchtlingslager Moria aufzunehmen. Die Mahnwache wurde kurzerhand in das Vorarlberger Landestheater verlegt und online gestreamt, da man einem Marsch von antisemitischen Querdenker-Verschwörungstheoretiker_innen nicht in die Quere kommen wollte.

Schauspieler Tobias Krüger las im Theater „Ansprache an Millionäre“ aus Erich Kästners 1930 erschienenem Gedichtband „Ein Mann gibt Auskunft“ und Michael Köhlmeiers 2017 gehaltene Neujahrsansprache „Mangel an Schönheit“. Michael Schiemer trug „Bleib erschütterbar und widersteh“ von Peter Rühmkorf vor. Vivienne Causemann rezitierte das Gedicht „Wenn jeder eine Blume pflanzt“ von Peter Härtling und sang das Lied „Donna Donna“ von Donovan.

Währenddessen stellten Aktivist_innen vor dem Landestheater Zelte auf, die auf die unerträgliche Situation für schutzsuchenden Menschen auf den griechischen Inseln aufmerksam machen sollten. Mit den Mahnwachen wollen die Organisator_innen bewusst Bilder erzeugen. „Unsere Sprache ist so einfach wie die der Bilder aus Moria“, sagt die Schriftstellerin und Autorin Daniela Egger. „Wir stehen mit einer Kolonie von Zelten in den Gemeinden des Landes und erinnern daran, dass wir genau das nicht wollen. Unsere Botschaft lautet: Wir haben Platz.“

Die Intendantin des Vorarlberger Landestheaters, Stephanie Gräve, gab in einer sehr persönlichen Rede einen besonderen Denkanstoß, sich an eine Zugfahrt erinnernd, kurz nachdem am 9. Oktober 2019 im deutschen Halle ein Neonazi einen Anschlag auf die Synagoge verübte. Zu Beginn war die Identität des Täters noch unbekannt. Gräve fragte, was es über unsere Gesellschaft aussage, wenn man sich wie sie wünscht, dass der Attentäter ein „Deutscher“ und kein islamistischer Terrorist wäre.

Intendantin Stephanie Gräve

„Weil ich an die Folgen dachte, für all die muslimischen Migrantinnen und Migranten in Europa, die wieder als Folge einer solchen Tat noch mehr Ablehnung, Misstrauen und Hass ertragen müssten. Weil ich an die Verzweifelten und Asylsuchenden der Welt dachte“, sagte Gräve. Sie betonte, dass wir besonders nach dem Anschlag in Wien am 2. November genau hinschauen müssten und uns in einer vielschichtigen Welt gegen plumpe Verallgemeinerungen stemmen sollen, „jeden einzelnen Tag“.

Ein reiches Land wie Österreich sei verpflichtet, Menschen in Not zu helfen, vor allem, wenn man selbst zur Ungleichheit auf der Welt beiträgt. Gräve forderte von der Politik ein, kollektive Verantwortung zu übernehmen. Die Menschlichkeit gebiete, so die Intendantin, dass man Menschen aus Moria aufnehmen müsse. Das Ziel müsse sein, die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden und die Offenheit zu verteidigen.

Konrad Steurer vom Verein Vindex – Schutz und Asyl wandte sich mit einem dringenden Spendenappell an die Zuseher_innen. Der Verein um Geschäftsführerin Eva Fahlbusch, der sich seit Jahren um die Betreuung von Geflüchteten kümmert, steht aufgrund des Wegfalls eines großen privaten Sponsors vor dem Aus und ist auf Spenden angewiesen, da sich auch die Politik nicht bereit erklärte, zu helfen.

Das Bündnis uns reicht’s, das die Sonntagsdemonstrationen in Vorarlberg organisiert hat, ist ein breiter Zusammenschluss von zivilgesellschaftlichen Vereinen, Organisationen, Ehrenamtlichen und engagierten Bürger_innen. Bereits am 8. November hielt uns reicht’s in Lustenau eine Mahnwache ab. Am 12. und 20. Dezember folgen Bludenz beziehungsweise Feldkirch, weitere Termine sind in Planung sowie eine Aktion „20 Zelte für die Menschlichkeit“ am 6. Dezember. Alle Infos auf www.unsreichts.at.

Video: Sebastian Mischitz

Fotos: Sarah Mistura