Wir erheben unsere Stimme gegen Rassismus


Foto: Black Voices Volksbegehren

Die Black Lives Matter-Bewegung hat die antirassistische Bewegung weltweit inspiriert und in Österreich 100.000 Menschen auf die Straße gebracht. Einer der größten Proteste der letzten Jahre. Daraus ist eine Reihe von Initiativen und Projekten entstanden, unter anderem das erste antirassistische Volksbegehren in Österreich: das Black Voices Volksbegehren. Melanie Kandlbauer, inhaltliche Leiterin des Volksbegehrens, stellt es vor.

Die Morde an Breonna Tyler und George Floyd lösten nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern weltweit große Empörung, Proteste und Solidaritätsbekundungen aus. Erschreckende Bilder erreichen uns aber nicht nur aus Nordamerika. Rassistische Polizeigewalt und ethnisches Profiling gehören auch in Österreich zum Alltag und werden schon lange angeklagt. So machten Schwarze Aktivist*innen bereits nach dem Tod von Marcus Omofuma im Jahr 1999 in Polizeigewahrsam durch große Demonstrationen auf die Missstände in Österreich aufmerksam. Bis heute wurde ihren Stimmen nicht ausreichend Gehör geschenkt. Umfassende Reformen, die strukturellen und institutionellen Rassismus innerhalb der Polizei ein für allemal beenden, blieben aus. Das forderte weitere Opfer tödlicher Polizeigewalt wie Cheibani Wague, der im Jahr 2003 ums Leben kam.

Vor diesem Hintergrund organisierten Mugtaba Hamoudah und die nunmehrige SPÖ-Gemeinderätin Mireille Ngosso Anfang Juni letzten Jahres in Wien die erste von mehreren Black Lives Matter-Demonstrationen. 50.000 Menschen gingen damals auf die Straße um lautstark ihr „Nein“ zu Rassismus zu verkünden und für die Rechte Schwarzer Menschen zu demonstrieren. Österreichweit waren es beinahe 100.000. Genauso viele Stimmen wie das Black Voices Volksbegehren benötigt, damit sich der Nationalrat dem Thema Rassismusbekämpfung stellen muss.

Die Idee zu Österreichs erstem Antirassismus-Volksbegehren entstand im Zuge der Black Lives Matter-Demonstrationen und wurde von Schwarzen Aktivist*innen gemeinsam mit den Politikerinnen Mireille Ngosso und Faika El-Nagashi auf die Beine gestellt. Heute besteht die Initiative bereits aus über hundert Schwarzen Menschen und People of Colour (BIPoCs) und weißen Verbündeten aus allen Bundesländern und wird von zahlreichen Politiker*innen, Künstler*innen, Influencer*innen und Vereinen unterstützt.

Black Voices – das antirassistische Volksbegehren

Gemeinsam kämpfen die Aktivist*innen für die gleichberechtigte Teilhabe von BIPoCs in allen Bereichen der österreichischen Gesellschaft. Die Umsetzung dieses Ziels benötigt umfassende Maßnahmen. Bereits seit Jahren engagieren sich zahlreiche NGOs, Initiativen und Aktivist*innen gegen Rassismus. Damit Menschen in Österreich aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihrer kulturellen oder religiösen Zugehörigkeit nicht länger ausgegrenzt und rassistisch diskriminiert werden, braucht es jedoch mehr als mutige Stimmen aus der Zivilgesellschaft. Der Kampf gegen Rassismus muss auf staatlicher Ebene beginnen. Das Black Voices Volksbegehren fordert deshalb die Einführung und Umsetzung eines Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus (NAP) sowie gesetzliche Veränderungen und politische Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Arbeit, Gesundheit, Migration und Flucht, Repräsentation und Öffentlichkeit sowie bei Polizei und Justiz.

Mugtaba Hamoudah und Mireille Ngosso stellten mit 50.000 Menschen bei der Black Lives Matter-Demonstration in Wien eine der größten Proteste der letzten Jahre auf die Beine. Foto: Murtaza Elham

Die zentralen Forderungen lauten:

  • Einrichtung einer unabhängigen Kontroll- und Beschwerdestelle außerhalb des Innenministeriums bei Polizeiübergriffen
  • Einrichtung eines psychosozialen Dienstes von und für Schwarze Menschen und People of Colour bei Fällen rassistischer Polizeigewalt
  • Bindung des Wahlrechts an den Hauptwohnsitz. Einführung des aktiven und passiven Wahlrechts auf allen politischen Ebenen, ab einer gemeldeten Wohndauer von fünf Jahren in Österreich
  • Verpflichtende Aufkärungsarbeit und Sensibilisierung für Rassismus sowie die Reflexion über Privilegien im Unterricht sowie die Einführung des Unterrichtsprinzips „Postkolonialismus“
  • Antirassismus-Workshops in Unternehmen mit dem Ziel einer offenen und inklusiven Organisationskultur
  • Nach Vorbild der Gender- und Kindermedizin: Ausbau der Diversität in der medizinischen Forschung, Lehre und Praxis, um ein wissenschaftlich breiteres und individualisiertes Wissen über den menschlichen Körper jeder Hautfarbe zu generieren
  • Aktive Beteiligung Österreichs an Resettlement- sowie Relocation-Programmen, insbesondere durch die Aufnahme von Geflüchteten aus überfüllten Aufnahmezentren
  • Einsatz der österreichischen Regierung für die Erneuerung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) sowie für die Schaffung sicherer und legaler Wege nach Europa unter Beachtung der menschenrechtlichen Prinzipien der UN-Menschenrechtscharta sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)

Gemeinsam Veränderung fordern

Rassismus ist tief in der österreichischen Gesellschaft verankert. Er kann nur nachhaltig, effektiv und auf allen Ebenen bekämpft werden, wenn er sichtbar und bewusst gemacht wird.

Im Zuge von Black Lives Matter wurde viel über Rassismus gesprochen. Nun heißt es: Weiter laut sein! Stimme erheben! Keinen Millimeter nachgeben! Der Kampf gegen Rassismus ist noch lange nicht beendet. Gesellschaftlicher Wandel und antirassistische Geschichte können nur geschrieben werden, wenn wir gemeinsam Veränderung einfordern.

Über 15.000 Menschen haben bereits das Black Voices Volksbegehren unterzeichnet (Stand zu Redaktionsschluss Anfang März 2021) und damit ein Zeichen gegen Rassismus und für Veränderung gesetzt. Bis Ende des Jahres kann es online per Handysignatur oder in jedem Gemeindeamt unterzeichnet werden.

Das Say it loud!-Magazin erscheint vierteljährlich und ist auf Protesten, über Sammelbestellungen (Empfehlung für Initiativen und Organisationen) und als Einzelabo erhältlich.