Frontex zweifelsfrei illegaler Pushbacks überführt


Foto: Türkische Küstenwache / Screenshot ARD

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex organisierte nachweislich mit der griechischen Küstenwache systematische „Pushbacks“, das bedeutet gewaltsame Zurückweisungen von schutzsuchenden Menschen. Das hat ein gemeinsames Rechercheteam aus dem ARD-Magazin Report Mainz, der Spiegel, Lighthouse Reports, Bellingcat und TV Asahi aufgedeckt.

Auf Videos, die unter anderem von der türkischen Küstenwache aufgenommen und dem Rechercheteam zugespielt wurden, ist in mindestens sechs Fällen dokumentiert, wie Frontex-Beamte seeuntüchtige Flüchtlingsboote blockieren anstatt die Passagiere zu retten, durch mehrfaches, knappes Vorbeifahren Todespanik erzeugen und die Boote Richtung Türkei treiben.

Zudem deckten die Journalist_innen auf, dass Frontex-Beamte ihre Einsatzberichte beschönigen, bevor sie an die Zentrale in der polnischen Hauptstadt Warschau geschickt werden. Aussagen von Geflüchteten über die in Todesfurcht erlebten Pushbacks, die in Befragungen durch Frontex-Mitarbeiter_innen zu Protokoll gegeben wurden, werden einfach aus den Schreiben getilgt.

Systematische Gewalt

Das Rechercheteam kam zum Schluss, dass es sich dabei keineswegs um Verfehlungen einzelner Beamter handelt. Heiner Hoffmann, ein an den akribischen Untersuchungen beteiligter Redakteur, sagt im ARD-Interview, es wären keine Einzelfälle, sondern ein System. Dafür würden „die Vielzahl an Vorfällen die mittlerweile völlig zweifelsfrei dokumentiert sind“ sprechen, so Hoffmann.

Erst Ende 2019 wurde das Frontex-Budget im EU-Finanzrahmen 2021-2027 auf 11 Milliarden Euro aufgestockt, die gesamten Mittel für „Grenzschutz“ gar auf 35 Milliarden Euro verdreifacht. Mit unserem Steuergeld werden unter dem Deckmantel des „Kampfes gegen illegale Migration“ (ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz) systematische Menschenrechtsbrüche finanziert.

Die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger von der Wirtschaftsuniversität Wien sieht in den jüngsten Enthüllungen das strukturelle, systemische Versagen der EU-Migrations- und Asylpolitik bestätigt. Kohlenberger sagt gegenüber der Plattform für eine menschliche Asylpolitik: „Die bisherige Migrationspolitik der EU war und ist im Grunde reine Sicherheitspolitik – die aber, wie wir jetzt in Moria deutlich vor Augen geführt bekommen, chronische Unsicherheit für die eigentlich Betroffenen schafft, und damit nur eine trügerische Sicherheit für uns Europäerinnen und Europäer.“

Schluss mit Pushbacks!

Erst am Mittwoch führte die griechische Küstenwache wieder einen großangelegten Pushback durch. Laut Aegean Boat Report waren 197 Menschen, die auf einem Boot von der Türkei nach Griechenland übersetzen wollten, in Seenot geraten. Die Küstenwache nahm sie zunächst auf und konfiszierte sämtliche Mobiltelefone. Ein paar wenige konnten ihre Handys verstecken, erst darüber konnte der Pushback dokumentiert werden. Im Anschluss wurden die Menschen auf insgesamt sieben Rettungsbooten wieder zurück vor der türkischen Küste im Meer ausgesetzt.

Das ist völlig inakzeptabel! Wir, als Plattform für eine menschliche Asylpolitik, verteidigen die hart erkämpften Menschenrechte  und verurteilen die brutale Gewalt gegen Geflüchtete. Eine Gewalt, die durch die besonders menschenverachtende Haltung der österreichischen Regierung eskaliert. Schluss mit illegalen Pushbacks, egal ob im Mittelmeer, entlang der Balkanroute oder anderswo!

Rechtlich ist übrigens klar: Jedes Schiff ist verpflichtet, manövrierunfähigen, überfüllten Booten, die damit per Definition in Seenot sind, Hilfe zu leisten. Darüber hinaus gilt der Grundsatz, das sogenannte Refoulement-Verbot, dass Menschen auf der Flucht nicht zurückgewiesen werden dürfen. Frontex hätte die Menschen aufnehmen und jeden Fall einzeln prüfen müssen.