Say it loud!-Gespräch #3: Grenzgewalt Balkanroute, Menschenrechte und Pushbacks


Schwere Menschenrechtsbrüche durch illegale Pushbacks an EU-Außengrenzen

Zum UN-Tag der Menschenrechte am 10. Dezember veröffentlicht die Plattform für eine menschliche Asylpolitik ihr drittes Say it loud!-Gespräch zum Thema „Grenzgewalt entlang der Balkanroute, Menschenrechte und Pushbacks“. Es diskutieren Zehida Bihorac („Flüchtlingsmutter“ in Bosnien), Erich Fenninger (Volkshilfe Österreich, Plattform-Sprecher), Petar Rosandić (SOS Balkanroute), Stephan Handl (Amnesty International Österreich), David Neuber (Pfarrnetzwerk Asyl) und Vedran Džihić (Österreichisches Institut für Internationale Politik, oiip). Das Gespräch ist auf Youtube und Facebook erschienen.

Zehida Bihorac, im Jugoslawienkrieg selbst geflüchtet und nun freiwillige Helferin in Bosnien, schildert die unerträgliche Situation nur wenige Minuten von der EU-Außengrenze zu Kroatien. Geflüchtete werden geschlagen, müssen in den Wäldern im Freien ausharren, Helfer_innen werden kriminalisiert. Nun steht der harte Winter bevor. „Die Menschenrechte liegen in irgendeiner Schublade“, berichtet Bihorac entsetzt über den Umgang mit Menschen, die einfach nur auf „dem Weg zu einem besseren Leben“ seien. „Was mir am meisten wehtut, sind die Kinder“, sagt sie. Ihr größer Wunsch wäre, dass die Menschen zumindest unmittelbar eine Unterkunft erhielten.

Politikwissenschafter Vedran Džihić, ebenfalls Kriegsflüchtling, verortet einen systematischen, gewaltsamen Bruch der Grund- und Menschenrechte in der Europäischen Union (EU), auch durch die österreichische Regierung. Ihm stimmt Stephan Handl, Jurist bei Amnesty International, zu. Er zählt nahezu ein Dutzend Menschenrechtsverletzungen, von der Verwehrung der Einreise über Kettenabschiebungen bis hin zum Bruch der UN-Folterkonvention, auf. Handl sieht nicht bloß Versagen, sondern vermutet politische Absicht hinter dem brutalen Vorgehen gegen schutzsuchende Menschen, wie der aktuelle Entwurf des EU-Migrationspakts zeige.

Die Initiative SOS Balkanroute hat Hilfsgüter gesammelt, die nach Bosnien gebracht werden. Gründer Petar Rosandić, bekannt als „Kid Pex“, zeigt sich enttäuscht von Politiker_innen, die „nur so tun als ob“, und ruft dazu auf, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen: „Wir haben eine besondere Verantwortung, denn irgendwie sind wir alle Flüchtlinge.“ Dieser Verantwortung ist sich auch das Pfarrnetzwerk Asyl bewusst. „Nur weil die Menschen nicht mehr durchkommen, heißt das nicht, dass wir nichts mehr tun,“ sagt David Neuber vom Netzwerk. Darum habe man mit Menschen vor Ort gesprochen und organisiere nun ein Projekt für minderjährige Geflüchtete.

Erich Fenninger plädiert zusammenfassend dafür, die unterschiedlichen Interessen miteinander zu verbinden: das Engagement gegen Armut, Arbeitslosigkeit und Einkommensverluste in der Coronakrise mit dem universellen Einsatz für die Menschenrechte. Auch er glaubt nicht mehr, dass wir diesen Anspruch nur an Politiker_innen delegieren können: „Wir müssen als Zivilgesellschaft mehr politisches Subjekt werden.“ Die Say it loud!-Gespräche werden von Judith Ranftler (Plattform für eine menschliche Asylpolitik und Volkshilfe Österreich) moderiert und von der Grünen Bildungswerkstatt Wien (GBW Wien) unterstützt.