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Zwei syrische Brüder in Groß-Enzersdorf vor der Abschiebung

shivanmargityusefGroß-Enzersdorf, Oktober 2016
Ein Appell von Margit Huber

Shivan und Yusef sind zwei Brüder aus Syrien. Shivan wirkt mit seinen 20 Jahren wesentlich älter, ist ruhig, zurückhaltend, äußerst höflich und wohlerzogen. Jede Mutter wäre unglaublich stolz auf so einen Sohn. Er trägt hier in Österreich die Verantwortung für seinen 18-jährigen Bruder Yusef. Beide sind Kurden und haben eine sehr lange Fluchtgeschichte auch schon in ihrer Heimat hinter sich. Als Kurden mussten sie auch schon innerhalb Syriens immer wieder flüchten. Yusef konnte oft ein Schuljahr nicht richtig abschließen, weil er das Haus nicht verlassen durfte: zu gefährlich, zu viele Bomben. Sie haben sich nach Österreich durchgeschlagen und wie so viele in der Türkei Station gemacht, um Geld zu verdienen für den weiteren Weg. Beide sprechen Kurdisch und Arabisch.

Als ich die beiden im Februar kennenlernte, hatten wir keine gemeinsame Sprache. Doch Yusef hat sich in den letzten Monaten selber Englisch beigebracht. So kann ich mich mit ihm jetzt in Englisch unterhalten. Und mit beiden kann ich mich auf Deutsch unterhalten. Den A1-Kurs haben sie bereits abgeschlossen, jetzt besuchen sie den A2-Kurs seit eineinhalb Monaten. Shivan spricht schon wunderschöne deutsche Sätze und lernt sehr fleißig, denn sein Traum ist es, hier in Österreich Arzt zu werden. Ich traue ihm das zu. Er lässt sich nicht ablenken, arbeitet konzentriert und jeden Abend, um die deutsche Grammatik zu lernen und möglichst viele neue Wörter. Ich bin unglaublich stolz auf ihn. Wie eine Mama auf ihren Sohn.
Die beiden Brüder leben in einer WG mit zwei anderen Asylwerbern eine Minute von mir entfernt. So sind sie Teil meiner Familie. Wir essen gemeinsam, wir feiern gemeinsam, wir lachen gemeinsam und ab und zu weinen wir auch gemeinsam. Wir geben einander Kraft und helfen einander, wann immer jemand Hilfe benötigt. So wie es in einer Familie selbstverständlich ist. Denn nichts anderes sind wir.

Shivan und Yusef spielen jede Woche Volleyball in einem Team hier in unserer kleinen Stadt in Niederösterreich. Sie haben bei Veranstaltungen von Vereinen mitgeholfen, sobald sie darum gebeten wurden. So haben sie Freunde gefunden, haben sich eingelebt, Vertrauen gefasst zu den vielen neuen Menschen in ihrem Leben, sich geöffnet, Wurzeln geschlagen und begonnen an eine Zukunft hier in unserem kleinen Städtchen zu glauben. Dafür tun sie alles.
Eine Schwester der beiden lebt in Linz. Als Asylwerber dürfen die Geschwister das Bundesland leider nicht wechseln, somit sind die Geschwister getrennt. Der Ehemann der Schwester hat schon Asyl. Somit hofft sie, auch in Österreich Asyl zu bekommen. Ihre Brüder aber sollen jetzt nach Kroatien abgeschoben werden, damit wären die Geschwister endgültig getrennt.

Shivan und Yusef leben jetzt in ständiger Angst, dass die Polizei in ihre Wohnung kommt und sie mitnimmt in ein unbekanntes Land, in dem sie nur ein paar Stunden auf der Durchreise waren. Sie können nicht mehr schlafen und nicht mehr essen, haben ständige Bauchschmerzen. Sie kennen niemanden in Kroatien, wären auf sich allein gestellt. Müssten eine fünfte Sprache lernen. Wieder bei Null anfangen. Dafür haben sie keine Kraft mehr. Das kann man diesen jungen, anständigen und ohnehin schon schwer traumatisierten Menschen einfach nicht zumuten. Das wäre einfach grausam. Warum möchte unser Staat auf Biegen und Brechen so vielversprechende, kluge junge Menschen loswerden?

Bitte unterschreibe jetzt die Online-Petition gegen Dublin-Abschiebungen! Hier die Liste mit weiteren dokumentierten Fällen.

Plattform verlangt sofortige Einstellung der Dublin-Abschiebungen nach Kroatien!

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Die Schüler_innen im Wiener Ursulinen-Gymnasium forderten, dass ihr Schulkollege Nijteh bleiben darf. Foto: Ruth Lesigang

Die „Plattform für eine menschliche Asylpolitik“ kritisiert die unmenschliche Abschiebepraxis der österreichischen Behörden auf das Schärfste. Wir fordern: Lasst die Menschen bleiben! #LetThemStay #LasstSieBleiben

Hier geht's zur Online-Petition! Und hier zur Liste mit den dokumentierten Fällen von Dublin-Abschiebungen.

Aktuell sind in Österreich etwa 1.700 Menschen von Dublin-Abschiebungen nach Kroatien betroffen – 200 wurden bereits abgeschoben (Stand: Ende September). Es ist völlig inakzeptabel, dass Menschen, die sich bestens integriert haben, von heute auf morgen abgeschoben werden. Es empört uns besonders, dass Kinder, die in die Schule gehen, einfach aus ihrem Leben und Freundeskreis herausgerissen werden.

Wir protestieren auf das Schärfste! Wir verlangen, dass die österreichische Bundesregierung unverzüglich die Abschiebungen aussetzt und diesen Menschen hier ein faires Asylverfahren ermöglicht wird. Die Betroffenen müssten – rein rechtlich gesehen – gar nicht abgeschoben werden: Die Regierung könnte sich einfach dafür zuständig erklären und die „Fälle“ übernehmen!

Die Flüchtlinge sind im Winter ganz legal über die „Balkan-Route“ von den staatlichen Behörden nach Österreich gebracht worden. Österreich hat den Ländern entlang dieser Route zugesichert, dass sie diese Schutzsuchenden übernehmen wird.

Im Nachhinein bezieht sich die Regierung auf das „Dublin-Abkommen“, wonach jener EU-Staat für das Asylverfahren zuständig ist, in der die Flüchtlinge das erste Mal europäischen Boden betreten haben. Das Innenministerium will offenbar jene Menschen loswerden, deren 6-Monatsfrist abläuft, denn nach dieser Frist wäre Österreich automatisch für das Verfahren zuständig. Diese hinterhältige Politik auf dem Rücken von Menschen, die alles verloren haben, ist schäbig und muss beendet werden!

Wir bereiten Widerstand vor und versuchen Initiativen zu vernetzen. Bitte kontaktiert uns, wenn ihr von Menschen gehört habt, die möglicherweise betroffen sein könnten. Einige „Fälle“ wurden bereits dokumentiert:

  • Die Initiative „Border Crossing Spielfeld“ berichtete unter anderem von einem 11-jährigen Schüler aus dem Mürztal, der mit seiner Familie in den frühen Morgenstunden aus dem Bett gerissen und nach Kroatien abgeschoben wurde.
  • In Kumberg in der Steiermark stellte sich ein ganzer Ort quer und verhinderte vorerst die Abschiebung der bestens integrierten Familie Hamaazeez aus dem Irak. [zur Petition]
  • In Wien organisierten Schüler_innen inspirierenden Widerstand gegen die Abschiebung ihres Freundes Nijteh aus Aleppo, den die Behörden ebenfalls aus seinem Freundeskreis rissen und nach Zagreb schafften. [Appell der Betreuerin]
  • In Kalwang in der Steiermark droht Mariam und Tagleb aus Syrien die Abschiebung. Beide sind inzwischen fester Bestandteil des Ortes und der Familie Dokter geworden. [zur Petition]
  • In Mistelbach wurde bereits eine Person trotz Beschwerde gegen den Bescheid nach Zagreb abgeschoben, 12 weitere Menschen sind von Abschiebung unmittelbar bedroht. Flüchtlingsinitiativen wie Plattform Flüchtlingshilfe Mistelbach und Bewegung Mitmensch organisieren Widerstand dagegen.
  • In Graz hat sich die irakische Familie A. ein neues Zuhause aufgebaut. Jetzt droht die Abschiebung nach Kroatien und zusätzlich die Trennung der beiden ältesten Kinder (20 und 22 J.) vom Rest der Familie, weil ihre Fälle getrennt behandelt werden.
  • … Hier geht es zur vollständigen Liste mit den dokumentierten Fällen von Dublin-Abschiebungen

Appell der Wiener Betreuerin, die ihre wohl integrierte Familie verloren hat

Der 13-jährige Njteh und seine Familie wurden letzten Mittwoch, 5. Oktober, festgenommen und Freitag nach Zagreb abgeschoben. Wir veröffentlichen den Appell ihrer Betreuerin in Wien-Liesing, Ruth Lesigang.

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Liebe Freunde, liebe am Schicksal der Familie Interessierte, liebe Medienvertreter, liebe Alle,

Familie Grboyian, die syrisch-christliche Familie, die seit Ende November 2015 in unserer Wohnung in der Pfarre Erlöserkirche im 23. Bezirk untergebracht ist, befindet sich nun in einem Lager in Zagreb.

Chronologie der Ereignisse:

Die Familie stammt aus Aleppo, trat im November die Flucht aus der umkämpften Stadt an. Ich möchte hier auch nichts von all den schrecklichen Erlebnisse schildern, die ich im Laufe der Zeit von meiner Familie erfahren habe. Zu den täglichen Bildern von der Zerstörung, den Bomben, den Toten muss ich hier nichts hinzufügen.

Vater Artin, Sohn Njteh (13 Jahre) und Tochter Lucy (25 Jahre) mussten ihre Mutter zurücklassen, da sie aus gesundheitlichen Gründen die gefährliche Flucht nicht auf sich nehmen konnte. Sie kamen über Griechenland, wo ihnen die Fingerabdrücke abgenommen wurden und der Balkanroute nach Österreich. In Kroatien und Slowenien wurden sie von den Behörden schnell in das nächste Land gebracht – sie wurden weder registriert noch wurden Fingerabdrücke genommen. Diese Länder hatten (und haben) kein Interesse an Flüchtlingen.

In Österreich angekommen stellten sie einen Antrag auf Asyl, gaben bei der Befragung ehrlich an, wie sie zu uns gelangt sind – nämlich unter anderem durch Slowenien und Kroatien. Daraufhin wurde ihnen mitgeteilt, dass bei ihnen das Dublin III Verfahren anzuwenden sei, d.h. die österreichische Asylbehörde hat zu prüfen, ob nicht diese beiden Länder für das Asylverfahren zuständig wären (nach Griechenland darf nach geltender Rechtsprechung nicht zurückgeschoben werden).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fragte offiziell in Slowenien und Kroatien nach, ob sie sich für zuständig erachten. Wie in diesen Fällen offensichtlich üblich, lehnte Slowenien die Zuständigkeit ab, Kroatien „verschwieg“ sich. Das bedeutet, dass dieses Land innerhalb von drei Monaten ab Anfrage keine Rückmeldung gegeben hat. Daher wurde Kroatien nach der Dublin III Verordnung zuständig. Da auch sonst keine Gründe durch das Bundesamt für Asyl- und Fremdenwesen gefunden wurden, die eine Zuständigkeit Österreichs begründet hätten, erging Ende Juli der Bescheid, der die Außerlandesbringung unserer Familie anordnete. Unter anderem stellte die Behörde fest, dass es zu keiner Integrationsverfestigung gekommen wäre.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Hilfe der Caritas Rechtsberatung eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht mit der Anregung auf aufschiebende Wirkung des angefochtenen Bescheids. Diese aufschiebende Wirkung tritt aber nur in Kraft, wenn der Richter innerhalb von acht Tagen diese erteilt. Das bedeutet, dass durch „Verschweigen“ des Richters, die Frist verstreichen kann ohne dass er/sie begründen müsste, warum die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt wird.

Damit wussten wir alle ab Anfang August, dass jederzeit die Polizei kommen könnte und die Familie holen würde. Und das obwohl noch keine Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht ergangen ist. Diese Entscheidung ist auch nach wie vor ausständig.

Alle drei Familienmitglieder waren eng in unserer Pfarrgemeinde integriert. Der Vater – er besaß eine Fabrik für T-Shirts in Aleppo – half beim Sortieren der Flohmarktartikel, die Tochter gab Flüchtlingskindern aus Syrien Nachhilfeunterricht – sie ist ausgebildete Englischdolmetscherin, der 13-jährige Sohn besuchte die dritte Klasse eines Gymnasiums im 23. Bezirk. Wir könnten noch unzählige Aktivitäten und Freundschaften, die entstanden sind, aufzählen, es würde hier den Rahmen sprengen.

Viele liebe Menschen haben sich um diese Familie bemüht, was nicht schwer fiel, da man sie sofort ins Herz schließen muss. Die Pfarre unterstützte finanziell die Deutschkurse der Familie – als Nicht-Asylberechtigte gibt es darauf ja keinen Anspruch. Der Bub sprach durch seinen Besuch und die Integration in der Schule schon sehr gut Deutsch, die Tochter beispielsweise stand kurz vor der Ablegung der B1-Prüfung.

Alle hofften wir auf die positive Erledigung beim Bundesverwaltungsgericht. Mittwoch letzter Woche um 6.30 Uhr früh stand dann die Polizei vor der Tür und führte die drei Menschen ab. Mit Blaulicht wurden sie in die Zinnergasse nach Simmering gebracht, wir durften sie ein einziges Mal 20 Minuten sehen – die Zinnergasse wurde von der diensthabenden Polizistin als „Strafgefangenenhaus“ bezeichnet und diese Bezeichnung entsprach dem, wie wir es empfunden haben. Jedes Stockwerk war mit Gittern versperrt, Polizisten mit Maschinengewehr standen herum, die Handys wurde unserer Familie abgenommen, sie hatte keine Kontakt nach draußen.

Am Freitag wurde unsere Familie dann außer Landes gebracht, mit dem Flugzeug nach Zagreb. Dort, im Auffanglager, herrschen katastrophale Verhältnisse, wie wir von verschiedensten NGOs und auch von einem dort tätigen Jesuitenpater und der Familie selbst erfahren mussten. Es gibt keine Sicherheitskräfte, gäbe es keine NGOs und Freiwillige, wären diese abgeschobenen Menschen sich selbst überlassen. Lucy, mit der ich – in Kroatien erhielt sie ihr Handy wieder zurück – über Whatsapp in Kontakt bin, schildert mir von Übergriffen und Zuständen, die bei einem Verbleiben für sie gefährlich wären.

Die kroatischen Behörden drängen offensichtlich sehr, dass die Zurückgeschobenen – die meisten aus Österreich – einen Asylantrag stellen. So hatte unsere Familie heute um 9 Uhr das „Interview“ zur Antragstellung. Von Seiten der von uns organisierten Asylanwältin wurde der Familie geraten, einen Asylantrag zu stellen. Sie wollte ihnen als Rechtsbeistand beim Interview zur Seite stehen, was aber von der Behörde verboten wurde. Würden sie keinen Asylantrag stellen, dürften Sie das Lager nicht verlassen – sich also einer weiteren Gefährdung aussetzen.

Da wir eine Möglichkeit gefunden haben, die Familie in einer sicheren Umgebung unterzubringen, blieb unserer Familie nichts übrig, als diesem Rat zu folgen. Und das, obwohl das Verfahren in Österreich noch gar nicht entschieden ist – was das nun für eine Auswirkung auf die österreichische Entscheidung hat, muss erst herausgefunden werden.

Der kroatische Staat ist mit der Aufnahme von Flüchtlingen heillos überfordert. Das Asylwesen steckt noch in den Anfängen. In der Regel werden Asylanträge selbst von Menschen, die aus Kriegsgebieten wie Aleppo kommen, abgewiesen. Finanzielle Unterstützung ist nicht vorhanden.

Ich – und da bin ich wohl nicht allein – bin entsetzt, dass der österreichische Staat erlaubt, Menschen, die durch Krieg und Flucht traumatisiert wurden, einer solchen Gefährdung und menschenverachtenden Situation auszusetzen. Ich appelliere an alle, die sich dafür einsetzen können und wollen, diesen Text weiterzuleiten. Es geht um Menschen, die nichts sehnlicher wollen, als endlich Frieden zu finden. Einen Frieden, den sie geglaubt haben, in Österreich zu haben, um dann wieder den Glauben an Menschlichkeit zu verlieren.

Ich appelliere an die Politiker, zumindest in diesem Fall nicht auf die Quote zu schauen – ich weiß schon, die 37.500 Asylanträge könnten bald erreicht sein, und meine Familie wäre auch in dieser Statistik berücksichtigt worden. Handeln Sie menschlich, dass meine Kinder wieder an Gerechtigkeit und Menschlichkeit glauben können.

Ihre/Eure
Ruth Lesigang

9-köpfiger Familie in Graz droht Dublin-Abschiebung

fama_kids2Die irakische Familie A. lebt seit fast 10 Monaten in der Steiermark, hat sich in Graz ein neues Zuhause aufgebaut und konnte drei Mädchen (10, 13 und 14 J.) bereits diesen September einschulen lassen. Auch für die 17-jährige Tochter stehen die Chancen gut sobald wie möglich mit der Ausbildung zu beginnen.

Doch jetzt droht die Abschiebung nach Kroatien und somit eine zweite, schmerzvolle Entwurzlung in kürzester Zeit. Der Bescheid könnte im Falle dieser Familie besonders erschütternde Konsequenzen haben: weil zwei der Kinder schon erwachsen sind (20 und 22 J.), findet ihre Abwicklung separat statt.

Die schonungslose Abschiebepraxis der österreichischen Behörden könnte also dazu führen, die Flüchtlinge nicht nur ihrer neuen Heimat zu berauben, sondern auch ihre Familie zu zerreißen.

Weitere dokumentierte Dublin-Abschiebungen

3. Oktober: Jahrestag der Großdemonstration für eine menschliche Asylpolitik

Razik Azad (Verein Afghanische Jugendliche Neuer Start), Lucia Grabetz (ÖH Bundesvertretung), Plattformsprecher Michael Genner (Asyl in Not), Maria Mayrhofer (#aufstehn) und Verfassungsjuristin Brigitte Hornyik (Österreichischer Frauenring)
Razik Azad (Verein Afghanische Jugendliche Neuer Start), Lucia Grabetz (ÖH Bundesvertretung), Plattformsprecher Michael Genner (Asyl in Not), Maria Mayrhofer (#aufstehn) und Verfassungsjuristin Brigitte Hornyik (Österreichischer Frauenring)

Anlässlich des Jahrestages der Großdemonstration für eine menschliche Asylpolitik und des Konzertes „Voices for Refugees“ mit 150.000 Menschen am 3. Oktober lud die Plattform für eine menschliche Asylpolitik in Wien zur Pressekonferenz.

Bilanz über das vergangene Jahr zogen Razik Azad (Verein Afghanische Jugendliche Neuer Start), Lucia Grabetz (ÖH Bundesvertretung), Michael Genner (Asyl in Not), Maria Mayrhofer (#aufstehn) und Verfassungsjuristin Brigitte Hornyik (Österreichischer Frauenring). Die Sprecher_innen waren sich einig, dass die Hilfsbereitschaft in Österreich ungebrochen und Widerstand gegen die geplante „Notverordnung“ der Regierung nötig sei.

Hilfsbereitschaft ungebrochen

„Der 3. Oktober 2015 war ein historischer Augenblick“, erinnerte Plattformsprecher Michael Genner von „Asyl in Not“ an jenen Moment, als die Bewegung der geflüchteten Menschen, die die Grenzen nicht mehr akzeptierten, und die Hilfsbereitschaft der Menschen in Österreich in einer Riesendemonstration zusammenkamen. Ein Jahr danach würde die Regierung mit der geplanten „Notstandsverordnung“ Menschenrechtsverletzungen vorbereiten, so Genner. Er kündigte rechtliche Schritte an. „Von einer Gefährdung der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung kann überhaupt keine Rede sein!“

Maria Mayrhofer von der Initiative #aufstehn betonte, dass das Engagement der Zivilgesellschaft noch immer enorm sei. Im Frühjahr haben 22.000 Menschen einen offenen Brief an die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner unterschrieben, die den Hilfsorganisationen die Spendengelder kürzen wollte. Der Protest zeigte Wirkung und die Regierung musste ihre Pläne zurückziehen. „Es ist höchste Zeit, dass die Politik auf uns hört, statt auf jene, die am lautesten schreien“, so Mayrhofer unter Verweis auf die jüngsten Kampagnen #schulefüralle und #anstandstattnotstand.

Kein Notstand

Die Verfassungsjuristin Brigitte Hornyik, stellvertretende Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings (ÖFR), bezeichnete die „Notstandsverordnung“ als menschenrechts-, völkerrechts- und verfassungswidrig. Immerhin gebe  es bereits Urteilssprüche, die die Pauschalzurückweisungen an der Grenze in Spielfeld als rechtswidrig erklärt hätten, so Hornyik. Sie forderte von der Politik ein klares Bekenntnis ein: „Ja, wir nehmen die Herausforderung Zuwanderung an. Die Zivilgesellschaft hat im letzten Jahr bewiesen, dass wir es können und wollen.“

Der Verein „Afghanische Jugendliche – Neuer Start in Österreich“ zeigte sich empört über die geplanten Rückführungen nach Afghanistan. Sprecher Razik Azad sagte, die Lage in Afghanistan sei angesichts der gewaltigen Arbeitslosigkeit von 50 Prozent und der Brutalität der Warlords äußerst prekär.

Lucia Grabetz vom Vorsitzteam der Österreichischen Hochschüler_innenschaft (ÖH) forderte, alle Kräfte gegen die „Notstandsverordnung“ zu bündeln. Eine Stellungnahme zur „Asylnotverordnung“, die die ÖH gemeinsam mit der Initiative „Helping Hands“ erarbeitet hat, entkräfte bei genauerer Betrachtung alle Behauptungen der Regierung von einer vermeintlichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, so Grabetz. Die Regierung beschwöre einen staatlichen Notstand herauf. Sie zog das Fazit: „Die angebliche Überbelastung ist ein selbstgeschaffenes Problem der Regierung.“

AVISO: Protest zum Asylgipfel am 24. September in Wien

Protest zum Asylgipfel: „Wir wollen das! Wir können das! Wir machen das!“

Kundgebung gegen Unrechtspolitik: 24. September, 13 Uhr, Burgtheater Wien

Anlässlich des europäischen Asylgipfels am Samstag, 24. September, in Wien organisiert die Plattform für eine menschliche Asylpolitik eine Kundgebung um 13 Uhr beim Wiener Burgtheater. Sprechen werden Erich Fenninger (Direktor der Volkshilfe Österreich), Sandra Iyke (Leiterin der Kampagne #menschenrechtasyl von Amnesty International) und die Musikerin und Asylrechts-Aktivistin Christine Schörkhuber.

Die Gipfel-Teilnehmenden haben angekündigt, in Wien das „Ende der Willkommenskultur“ zu besiegeln und die „EU-Außengrenzen“ mit Frontex stärker zu schützen. Die Plattform steht gegen diese Unrechtspolitik auf. „Wir müssen wachsam bleiben! Das Recht auf Schutz und Asyl ist ein Menschenrecht, das wir für alle Menschen verteidigen. Dieses Recht darf nicht der Tagespolitik geopfert werden!“, sagt Plattform-Sprecher Michael Genner. „Die Regierenden müssen endlich für legale und sichere Fluchtwege sorgen, anstatt sich auf die Bekämpfung von ‚Schlepperbanden‘ zu konzentrieren.“

Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe meint: „Fast 50 Millionen Kinder weltweit wachsen heute in der Fremde auf – mehr als die Hälfte von ihnen sind auf der Flucht vor Krieg und Terror. Jeder zweite Flüchtling oder Vertriebene auf der Welt ist minderjährig. Diese Zahlen sind erschreckend und müssen als Zeichen gesehen werden, wieder zu einer humanitären Tradition zurückzukehren und Brücken zu bauen, statt Grenzen.“

Mit der Notstandsverordnung und dem Festhalten an der Abschottungspolitik verkündet die Regierung „Wir wollen nicht“ und nicht „Wir können nicht“. Aber die Hilfsbereitschaft ist ungebrochen! Das Motto der Kundgebung ist deshalb „Wir wollen das! Wir können das! Wir machen das!“.

karte-protestProtestkundgebung
Samstag, 24. September, 13 Uhr
Burgtheater Wien, Löwelstraße 12

https://www.facebook.com/events/1294009047362011/
Mehr Informationen: https://menschliche-asylpolitik.at/

Rückfragehinweis
Plattform für eine menschliche Asylpolitik
0681/1043 0201
office@menschliche-asylpolitik.at

Protest zum Asylgipfel: „Wir wollen das! Wir können das! Wir machen das!“

Unsere Antwort auf ihre Unrechtspolitik!

Foto © Daniel Weber
Foto © Daniel Weber

Protest zum europäischen Asylgipfel in Wien
Samstag, 24. September, 13 Uhr
Löwelstraße 12 (Burgtheater)
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A4 Druckvorlage
A5 Druckvorlage

Die österreichische Regierung hat im Frühjahr die Balkanstaaten in Geiselhaft genommen und so die Schließung der „Balkanroute“ erzwungen und eine humanitäre Katastrophe in Griechenland provoziert. 60.000 Flüchtlinge stecken dort seither fest. Die Verweigerungshaltung der meisten EU-Mitgliedsstaaten verhindert eine faire Verteilung. Bis jetzt wurden nicht einmal 1.600 Flüchtlinge aus der Türkei in der EU aufgenommen (vereinbart wurden im EU-Türkei-Deal bis zu 200.000). Auf dem europäischen Asylgipfel am Samstag in Wien geht es darum, ob das internationale Menschenrecht auf Schutz und Asyl der Tagespolitik geopfert wird, oder ob Menschlichkeit in der Flüchtlingspolitik zum Tragen kommt.

Die Hilfsbereitschaft ist in ganz Europa ungebrochen. Hunderttausende Menschen engagieren sich freiwillig in der Gestaltung von Freizeitaktivitäten, Organisation von Sprachkursen und Integration von schutzsuchenden Menschen in den Gemeinden. Mit den „Obergrenzen“ und der Verordnung eines angeblichen „Notstands“ verhöhnt die Regierung die professionellen und freiwilligen Helfer_innen und macht schutzsuchende Menschen zu „Illegalen“. Hilfsbereitschaft und Fluchthilfe werden kriminalisiert.

Mit der Notstandsverordnung verkündet die Regierung „Wir wollen nicht“ und nicht „Wir können nicht“, so Heinz Patzelt von Amnesty International. Die Plattform für eine menschliche Asylpolitik organisiert deshalb am Samstag, 24. September eine Protestaktion um 13 Uhr am Ballhausplatz unter dem Motto „Wir wollen das! Wir können das! Wir machen das!“. Zur gleichen Zeit wird die Pressekonferenz des Asyl-Gipfels im Bundeskanzleramt stattfinden.

Wir wollen die Hilfsbereitschaft sichtbar machen: Bringt symbolisch Essen und Getränke mit, macht eure Arbeit mit geflüchteten Menschen sichtbar, seid kreativ, bunt und laut!

  • Nein zum EU-Grenzregime und Nein zu Frontex!
  • Nein zu „Obergrenzen“ und zur „Notverordnung“!
  • Ja zum Menschenrecht auf Asyl!
  • Ja zur Solidarität und Hilfsbereitschaft!

karte-protest

Flashmob: Nein zur „Notverordnung“!

20160906_Flashmob gegen Notverordnung_Flyer_1Dienstag, 6. September, 18 Uhr
Parlament

Am Dienstag, 6. September, will die Regierung im Ministerrat die „Notverordnung“ gegen schutzsuchende Menschen vorlegen. Komm zum Flashmob um 18 Uhr vor dem Parlament!

Wir leisten Widerstand vom ersten Tag bis zum Tag X des Beschlusses!

Warum ich meine Funktion als Sprecherin der Plattform zurücklege

KarinLiebe Antirassistinnen, liebe Antirassisten!

Die Herausforderungen im Kampf gegen Rassismus, unmenschliche Gesetze und dem Aufstieg der FPÖ  sind gewaltige. Wir brauchen breite und handlungsfähige Bündnisse. Mit diesem Verständnis haben wir es in der Vergangenheit immer gut geschafft, uns auf die gemeinsamen antirassistischen Anliegen zu fokussieren. Hinten angestellt wurden die oft weit auseinandergehende Positionen bei anderen Themen der vielen, verschiedenen Gruppierungen in der Plattform. Das war unsere Stärke und soll sie auch bleiben.

Um möglichen Schaden für die Plattform für eine menschliche Asylpolitik abzuwenden, lege ich meine Funktion als Sprecherin des Bündnisses zurück.

Hintergrund ist die „Demonstration gegen den Militärputsch in der Türkei“ am 16. Juli, ausgerufen von der Neuen Linkswende, in der ich organisiert bin. Dies hat teilweise heftig geführte Diskussionen in den sozialen Medien ausgelöst. Ich hoffe, mein Schritt trägt dazu bei, diese Debatte nicht in die Plattform für eine menschliche Asylpolitik zu importieren. Es gibt eine Stellungnahme zum missglücken Ablauf des Protests und den Appell weiterhin dafür, die Kräfte zu bündeln.

Die Plattform für eine menschliche Asylpolitik ist mir ein Herzensanliegen. Ich hoffe, mein Rücktritt als Sprecherin dient dazu, sie für die aktuellen und künftigen Aufgaben gut funktionsfähig zu halten.

Solidarische Grüße,
Karin Wilfingseder

Nach Brandanschlag auf Asylheim: Rosen gegen Rassismus!

Solidaritätsaktion
Montag, 6. Juni 2016, 18 Uhr
Marcus-Omofuma-Denkmal
Platz der Menschenrechte, U2 Museumsquartier
Veranstaltung auf Facebook

Foto: Ken Kistler
Foto: Ken Kistler

Die rassistische Hetze der Regierung und der FPÖ gegen Flüchtlinge legt die Spur zu brennenden Asylheimen. Nach dem Brandanschlag auf die Flüchtlingsunterkunft in Altenfelden sind unser Bemühen um Solidarität und Menschlichkeit wichtiger denn je!

Die Zivilgesellschaft hat letztes Jahr gezeigt, wie es geht. Das Rote Kreuz hat bereits angekündigt, die Flüchtlingsunterkunft exakt an der gleichen Stelle so rasch wie möglich wieder aufzubauen. Das wollen wir unterstützen!

Bringt Rosen und andere Blumen mit und kommt zahlreich!