Menschen mit Migrationsbiografie doppelt so häufig von Corona betroffen


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Am Wochenende berichtete der Intensivmediziner Burkhard Gustorff der Ottakringer Klinik im Interview mit Die Presse, dass 60 Prozent seiner Intensivpatient_innen Migrationshintergrund hätten. Diese Zahlen kann die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger von der Wirtschaftsuniversität Wien am Dienstag gegenüber dem ORF nicht unmittelbar bestätigen. Allerdings seien Menschen mit Migrationsbiografie aufgrund wirtschaftlicher und struktureller Benachteiligungen tatsächlich doppelt so häufig von Corona-Infektionen betroffen. Weil sie meist in systemrelevanten Berufen mit geringem Einkommen, aber hohem Infektionsrisiko arbeiten.

Kohlenberger sagt: „Wer schon einmal einen Krankenhausaufenthalt in Wien hinter sich hatte, weiß, dass vor allem das Pflegepersonal migrantischer Herkunft ist. Aber auch im privaten Bereich sind sehr viele Migrant_innen tätig. Wir sehen es an der Supermarkt-Kassa, an den Lieferdiensten.“ Die schlechten Arbeitsbedingungen machen Menschen anfälliger für Ansteckungen. Auch seien Sprachbarrieren ein Treiber des Problems. Lange Zeit waren die Beschreibungen der Corona-Schutzmaßnahmen nur auf Deutsch verfügbar. Erst zögerlich wurden sie, aber auch fehlerhaft, in andere Sprachen übersetzt.

Das Coronavirus kennt keine Herkunft und keine Religion, es unterscheidet aus genetischer Sicht nicht zwischen Menschen. Die Pandemie verstärkt allerdings bestehende Ungerechtigkeiten und auch gesundheitliche Ungleichheiten im System, fürchtet der Medizinsoziologe Matthias Richter. Es ist an der Zeit, dass die Beschäftigten in den sogenannten „systemrelevanten Berufen“ endlich die Anerkennung bekommen, die sie verdienen. Das erfordert eine deutlich höhere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen, sowie einen offensiven Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus in Gesellschaft und Staat.