Schürte Sebastian Kurz Rassismus mit gefälschten Umfragen?


Foto: Screenshot ORF

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft WKStA wirft Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz und seinem unmittelbaren Umfeld vor, mit gefälschten bzw. frisierten Umfragen eine für sich positive Berichterstattung mit Steuergeld gekauft zu haben. Diese Umfragen, die in der Boulevardzeitung „Österreich“ erschienen sind, wurden vom Institut Research Affairs durchgeführt – das bis zuletzt fragwürdige „Studien“ erstellt hat. Der Verdacht: Es sollte in der Bevölkerung politisch Stimmung gegen schutzsuchende Menschen und Migrant*innen gemacht und Rassismus geschürt werden.

von David Albrich

Research Affairs, das von der mittlerweile wieder enthafteten Meinungsforscherin Sabine Beinschab geführt wird, dürfte im Auftrag von Sebastian Kurz und der ÖVP-Spitze weitere Umfragen, von denen sie politisch profitiert haben, gefälscht und manipuliert haben. Das legen Recherchen der Plattform für eine menschliche Asylpolitik nahe.

Drei Beispiele aus dem Jahr 2021 ergeben folgendes Bild: Die ÖVP gab in tagespolitischen Auseinandersetzungen eine Linie vor, die in der Folge von Scheinumfagen in „Österreich“ gestützt, die allerdings anderen Befragungen im gleichen Zeitraum widersprachen. Bestätigt wird dieses Muster durch teils völlig auseinandergehende Sonntagswahlumfragen.

Beispiel 1: Schüler*innenabschiebungen

Die Abschiebung der Schüler*innen Ashot, Sona, Tina und ihrer Familien nach Georgien und Armenien sorgte zu Beginn des Jahres für landesweite Empörung. Mitschüler*innen versuchten die Deportation mittels Blockaden zu verhindern. Die SPÖ forderte eine Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts, die Kirche eine Anpassung der Gesetze, die Grünen die Wiedereinführung von Härtefallkommissionen.

Die ÖVP geriet massiv unter Druck und schickte Innenminister Karl Nehammer aus, um die Abschiebungen und den Status Quo zu verteidigen. In der Zeit im Bild 2 erklärte er, dass „derzeit keine Änderungen“ im Asylwesen nötig seien. Kurz darauf wurde Research Affairs aktiv und schoss eine Umfrage nach, die sechs Tage nach dem Interview über „Österreich“ verbreitet wurde.

Demnach wären 58 Prozent der Befragten mit den Abschiebungen einverstanden gewesen, 53 Prozent seien mit der Asylpolitik der Regierung zufrieden, 76 Prozent hätten sich gegen die Lockerung der Asylgesetze erklärt. „Österreich“ kommentierte – ganz im Sinne von Sebastian Kurz – die ÖVP liege mit 39 Prozent „klar auf Platz 1“ und „über ihrem Wahlergebnis von 2019“.

Mehrere Medien, darunter APA, Kurier und Presse, übernahmen die Umfrage, die offensichtlich anderen Befragungen widersprach: So kam die ÖVP in einer Umfrage von Unique Research für profil nur mehr auf 36 Prozent. In einer weiteren Umfrage von Unique Research erklärten nur 45 Prozent, dass sie sich keine Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts (automatische Einbürgerung von Kindern) vorstellen können.

Beispiel 2: SPÖ-Vorschlag zur Erleichterung der Einbürgerung

Anfang Juni machte die SPÖ, angestoßen durch die Debatten um die Schüler*innenabschiebungen, einen begrüßenswerten Vorschlag zu eben einem erleichterten Zugang zur Staatsbürgerschaft. Unter anderem sollten in Österreich geborene Kinder automatisch die Staatsbürgerschaft erhalten; die erforderliche Einkommensgrenze, eine wesentliche Hürde für Arbeiter*innen, sollte gesenkt werden.

Kanzler Kurz wies den Vorschlag zurück und rückte in der Debatte selbst aus: „Die Staatsbürgerschaft ist ein hohes Gut. […] Integration muss durch Leistung erfolgen und die Staatsbürgerschaft muss man sich verdienen.“ Die ÖVP attackierte die SPÖ und den eigenen grünen Koalitionspartner, diese würden „mittels Masseneinbürgerungen die politischen Mehrheitsverhältnisse im Land ändern“ wollen.

Nur einen Tag darauf wurde erneut Research Affairs aktiv, die zwei Umfragen erstellte. Beide wurden in „Österreich“ veröffentlicht. In der ersten lehnten 63 Prozent der Befragten den SPÖ-Vorschlag ab. In der zweiten gewänne die ÖVP mit 35 Prozent „klar“ die nächste Nationalratswahl, die SPÖ würde verlieren und – so die reißerische Überschrift – mit nur 22 Prozent eine „klare Abfuhr“ erhalten.

Research Affairs-Chefin Beinschab erstellte die Umfrage persönlich und kommentierte als „Studienautorin“ – man beachte die beinahe Wortgleichheit mit dem Kanzler, siehe unsere Hervorhebung: „Die Staatsbürgerschaft ist für die ÖsterreicherInnen ein hohes Gut. Nur wer etwas leistet und integriert ist, sollte diese laut Meinung der Bevölkerung auch erhalten.“

Wiederum widersprachen die Umfragen anderen Studien. Unique research fand im gleichen Zeitraum, dass 60 Prozent den SPÖ-Vorschlag ablehnten. In einer neueren Umfrage des Hajek-Instituts sprechen sich 48 Prozent für eine automatische Staatsbürgerschaft für Kinder aus, 44 Prozent sind dagegen. In der Puls24-Sonntagsumfrage kam die ÖVP nur auf 32 Prozent, SPÖ im „Höhenflug“ auf 27 Prozent.

Beispiel 3: Abschiebungen nach Afghanistan

Als Anfang August klar war, dass die Taliban die Kontrolle über Afghanistan übernehmen und die Hauptstadt Kabul einnehmen werden, pochte ÖVP-Innenminister Karl Nehammer – zusammen mit den Innenministern aus Dänemark, Belgien, den Niederlanden und Griechenland – medienwirksam auf die Einhaltung von Abschiebungen in das völlig verwüstete Bürgerkriegsland.

Wieder folgt das gleiche Muster. Fünf Tage nach der Erklärung wurden erneut Österreich und Research Affairs tätig. Das Boulevardblatt titelte ganz im Sinne der türkisen ÖVP-Linie: „Österreicher für Härte“. In der entsprechenden Umfrage würden 90 Prozent der Menschen „weitere Zwangsheimflüge nach Afghanistan“ befürworten.

Nehammer fachte die Stimmung weiter an und bekräftigte zwei Tage nach Erscheinen, man müsse „so lange abschieben, wie es geht“ (tags zuvor verkündeten die Taliban ihren Sieg). Weitere drei Tage später schlug Nehammer, trotz internationaler Kritik, Abschiebezentren in die Nachbarländer vor – mit Unterstützung des nunmehrigen Bundeskanzlers Alexander Schallenberg, damals noch Außenminister.

Auch in diesem Fall kamen Befragungen zu anderen Ergebnissen. So sprachen sich in einer Gallup-Umfrage für den Standard zwei Wochen später „nur“ 38 Prozent für Abschiebungen nach Afghanistan aus (ja, ein noch immer viel zu hoher Wert, der das rassistische Klima widerspiegelt). In einer weiteren Umfrage von Unique Research für profil befürworteten 38 Prozent die Aufnahme von Menschen.

Fazit

Sebastian Kurz ließ – so die Vorwürfe der Korruptionsstaatsanwaltschaft – Umfragen erstellen und manipulieren, die ihm selbst politisch nützten und anderen schadeten (durch das sogenannte „Beinschab-Österreich-Tool“). Sie sollen geholfen haben, zunächst die Macht in der ÖVP, danach die Regierung zu übernehmen. Dieses System scheint in der Folge weiter praktiziert worden zu sein.

Es liegt der Verdacht nahe, dass die rassistischen Umfragen zu Asyl und Migration in dem Boulevardblatt „Österreich“ über Research Affairs aus der ÖVP-Zentrale und dem Bundeskanzleramt aus bestellt wurden. Nutznießerin war alleinig die türkise ÖVP, die im Gegenzug „Österreich“ mit Inseraten überhäufte und mittels lukrativen Aufträgen Research Affairs finanzierte.

Wir ewarten uns von den Ermittlungsbehörden und dem ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss eine lückenlose Aufklärung der im Raum stehenden Vorwürfe. Rassismus ist kein Kavaliersdelikt. Die Verantwortlichen müssen – von der Spitze, Sebastian Kurz, an – zur Rechenschaft gezogen werden. Jetzt ist die Zeit, das türkise ÖVP-System Kurz aufzubrechen und einen Politikwechsel in Österreich einzuläuten.