Am heutigen internationalen Tag gegen Rassismus präsientierte ZARA (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit) den jährlichen Antirassismus-Report. 1.977 Meldungen, die nur die Spitze des Eisbergs abbilden, zeugen von einem tief verwurzelten strukturellen Rassismus – im Internet, öffentlichen Raum, bei Gütern und Dienstleistungen, in staatlichen Behörden und Institutionen, Politik und Medien, in der Arbeitswelt und Polizei. Der Report macht deutlich, dass Rassismus an seinen Wurzeln angepackt werden muss und Antidiskriminierungsmaßnahmen endlich umgesetzt werden müssen.
„Immer wieder machen Menschen, die einen rassistischen Vorfall erlebt haben, bei der Polizei die Erfahrung, dass ihnen nicht geglaubt wird. Besonders schwer fällt es Klientinnen und Klienten rechtlich dagegen vorzugehen“, kritisierte die Leiterin der ZARA-Beratungsstellen Fiorentina Azizi-Hacker in der Pressekonferenz zum Bericht. „Oft befürchten sie, dass ungerechtfertigt für ihre Lage oder den Vorfall selbst verantwortlich gemacht werden, der Vorfall angezweifelt oder nicht ernst genommen wird.“ Institutionen würden aus Opfern Täter machen, so Azizi-Hacker.
Krieg ist Krieg…
Thema war auch die Ungleichbehandlung von Flüchtenden Menschen aus der Ukraine in der österreichischen Verordnung über vorrübergehendes Aufenthaltsrecht. Die Verordnung schließt Drittstaatsangehörige, die vor dem Krieg in der Ukraine studiert haben oder anderen Aufenthaltstitel hatten, aus. In Österreich haben sie etwa keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. „Der Gesetzgeber etabliert anhand eines Merkmals der Staatsbürgerschaft ein Zwei-Klassen-System der aus der Ukraine geflüchteten Menschen“, warnte ZARA-Geschäftsführerin Barbara Liegl.
Deshalb habe ZARA gemeinsam mit mehr als 130 Organisationen aus ganz Österreich den offenen Brief ‚Krieg ist Krieg. Mensch ist Mensch.‘ mit unterzeichnet, so Liegl. „Dieser Brief fordert das gleiche Recht auf Schutz vor Krieg und Verfolgung für alle aus der Ukraine Geflüchteten.“ Liegl verlangte eine Änderung des Gleichbehandlungsrechts, um einen einheitlichen Diskriminierungsschutz in allen Lebensbereichen zu sichern, Maßnahmen zur Förderung von Diversität in Politik, Bildung und Medizin, und die finanzielle Stärkung von Initiativen, die Betroffene von Rassismus unterstützen.
… Mensch ist Mensch.
Emmeraude Banda, Sprecher des Black Voices Volksbegehren, begrüßte den enormen Zuspruch aus der Zivilbevölkerung und die großen Unterstützungaktionen der Regierung für die aus der Ukraine Flüchtenden. „Diese Solidarität muss in solchen Krisen immer gezeigt werden“, sagte Banda. Aber die gleichzeitige Diskriminierung von Schwarzen Menschen und People of Color (BPOC) bei ihrer Flucht aus der Ukraine und in Österreich mache den strukturellen Rassismus sichtbar. Dazu würden Menschen aus Afghanistan und Syrien nach wie vor legale Fluchtwege verwehrt werden, kritisierte Banda.
Es brauche endlich die Umsetzung des lange versprochenen Aktionsplans gegen Rassismus in Österreich, insbesondere eine humane Migrationspolitik, die die Basis für eine inklusive Gesellschaft sei, so Banda. Dies erforere die Einhaltung der Menschenrechte auf den Fluchtwegen, eine aktive Hilfestellung für alle flüchtenden Menschen und die Etablierung von legalen Fluchtwegen für alle Menschen, die vor Krieg und Verfolgung auf der Welt Schutz suchen. Auch das Black Voices Volksbegehren hat den offenen Brief „Krieg ist Krieg. Mensch ist Mensch.“ mit unterzeichnet.
„Operation Luxor“
Politikwissenschafter Farid Hafez spürt die Folgen des strukturellen Rassismus in Österreich bis heute. Hafez wurde mit seiner Familie Opfer der rassistischen Polizeiaktion „Operation Luxor“ am 9. November 2020. Nachdem er nach einem längeren Auslandsaufenthalt nun wieder in seine Wohnung in Österreich zurückgekehrt sei, habe ihn seine Tochter gefragt, ob nun wieder das Polizeisonderkommando Cobra das Haus stürmen werde. Ein Ermittlungsverfahren nach dem anderen wurde inzwischen mangels Beweisen eingestellt, allerdings wären die Konten von Hafez bis heute eingefroren.
Die Aktion wäre eine „wohlüberlegte und sehr durchdachte Handlung“ der Sicherheitsbehörden gewesen, so Hafez. Die Operation sei „in vielerlei Hinsicht ein Abbild sowie ein Ergebnis zahlreicher negativer Veränderungen in der österreichischen Gesellschaft, die wir in den letzten Jahren beobachten konnten. Veränderungen, die weniger von der Gesellschaft selbst ausgehen, als von planenden Menschen in politischen Verantwortungspositionen.“ Muslimisch-Sein werde per se als Bedrohung wahrgenommen, sagte Hafez. Dies zeige sich anhand des Kopftuchverbots oder Moscheeschließungen.
Aktive Zivilgesellschaft
Der Antirassismus-Report zeigt deutlich, dass Frauen im öffentlichen Raum doppelt so häufig von Rassismus betroffen sind wie Männer. Die größte Zahl der Meldungen bei ZARA gab es im Online-Bereich, diese machten über die Hälfte der dokumentierten Fälle aus. „Rassismus hat reale Konsequenzen: In der Ausbildung und am Arbeitsmarkt, bei der Wohnungssuche, der Gesundheitsversorgung, im öffentlichen Raum und im Alltag“, sagte die grüne Nationalratsabgeordnete Faika El-Nagashi, Mitglied der Kerngruppe der Plattform für eine menschliche Asylpolitik, zum Report.
Die Plattform für eine menschliche Asylpolitik fordert wie ZARA die rasche Umsetzung eines nationalen Aktionsplans gegen Rassismus unter Leitung der Zivilgesellschaft in Österreich. Es liegt an der solidarischen Zivilgesellschaft, nicht zu schweigen, sondern hinzuschauen und strukturellem Rassismus auf allen Ebenen den Kampf anzusagen. Wir bedanken uns an dieser Stelle herzlich bei ZARA für die jahrelange gute Zusammenarbeit und die unermüdliche Arbeit für eine Welt ohne Diskriminierung und Rassismus. Es braucht uns als aktive Zivilgesellschaft, die gegen Rassismus in all seinen Formen kämpft.