Über 3.000 Menschen standen am Samstag in Wien gegen Rassismus auf! Anlässlich des internationalen Tages gegen Rassismus luden die Plattform für eine menschliche Asylpolitik, das antirassistische Black Voices Volksbegehren sowie die Initiativen #jugendstehtauf und Schulen gegen Abschiebungen zur Großdemo ein. Ein wunderbarer Erfolg und wichtiger Schritt hin zu einer solidarischen Gesellschaft für alle.
von David Albrich
Laut und entschlossen protestierten am Samstag tausende Menschen in Wien gegen Rassismus. Jung und alt, groß und klein, Menschen unterschiedlichster Hautfarben, Religionen und Ethnien taten sich eindrucksvoll unter den Slogans #WirHabenPlatz, #BlackLivesMatter und #AbschiebungenStoppen zusammen. Viele, vor allem Schüler*innen, waren zum ersten Mal überhaupt auf einer Demonstration. Von Anfang bis Ende sorgten sie für ein Feuerwerk der Solidarität. Fulminant eröffneten die Wiener Rapper*innen Gazal und Kid Pex und die Moderator*innen Noomi Anyanwu und Asma Aiad, die durch den gesamten Tag führten, die Auftaktkundgebung am Karlsplatz.
Kojo Taylor vom Panafrican Forum und der Diaspora Union of Ghanaians in Austria forderte in seiner Rede Repräsentation von Migrant*innen in allen Bereichen der Gesellschaft sowie Respekt, Wertschätzung und Anerkennung ein. „Wenn wir uns gegenseitig die Hände reichen, dann können wir eine Welt in Frieden und der Zusammenarbeit erreichen“, so Taylor. Erich Fenninger, Sprecher Plattform für eine menschliche Asylpolitik und Direktor Volkshilfe Österreich, sagte, dass es nicht ausreiche, nicht rassistisch zu sein. Man müsse antirassistisch sein. „Wir müssen uns verbünden um Ihre Macht zu brechen“, um die strukturelle und politische Gewalt der Ungleichheit zu überwinden.
Zehra Baraçkılıç von der Dokustelle Islamfeindlichkeit & antimuslimischer Rassismus erinnerte an die tödlichen Folgen von Rassismus, an die Massaker von Christchurch, Hanau, Halle und Atlanta. Sie vermisste einen gesellschaftlichen Aufschrei nach der „Operation Luxor“-Polizeirazzia: „Ist es wirklich schon so normal, dass Sicherheitskräfte nachts Kinderzimmer stürmen und Kinder schikanieren?“ Nesrin El-Isa von der Muslimischen Jugend Österreich (MJÖ) erzählte, wie sie nach der Terrornacht am 2. November 2020 in Wien Angst hatte, nach draußen zu gehen. Auch El-Isa kritisierte die Operation Luxor scharf: „Kleine Kinder werden auf Lebenszeit traumatisiert. Das ist Polizeigewalt an Kindern.“
Kojo Taylor Erich Fenninger Zehra Baraçkılıç Nesrin El-Isa
Christoph Kornitzer prangerte das Schweigen zu antiasiatischem Rassismus an, der besonders in der Pandemie grassierte. „Gerade in den letzten Tagen wurde dieser Rassismus präsenter, nachdem sechs Asian Women of Color das Leben genommen wurde.“ Ein christlicher Fundamentalist hatte in Atlanta acht Menschen erschossen, darunter sechs Asiatinnen. „Wir müssen die rassistischen Strukturen gemeinsam aufbrechen“, sagte Emmeraude Banda, einer der Sprecher*innen des Black Voices Volksbegehren. Er klagte besonders das rassistische Ethnic-Profiling der Polizei an und forderte ein, mit den Betroffenen zu sprechen: „Wir kämpfen solange, bis man uns einfach nur zuhört!“
Christoph Kornitzer Emmeraude Banda Topoke
Nach dem Auftakt zog die Demo lautstark, eingepeitscht von Rapper Topoke, über den Getreidemarkt und am Marcus-Omofuma-Denkmal am Platz der Menschenrechte vorbei zum Volkstheater, wo die Menschen von der LED-Wand mit dem Spruch „World Against Racism“ und „Aufstehen gegen Rassismus“ begrüßt wurden. Vom Balkon des Volkstheaters aus lasen die Schauspieler*innen Julia Richter, Sami Samouil Stoyanov, Uwe Schmieder und Lavinia Nowak Texte von Jacques Derrida (Von der Gastfreundschaft), Mithu Sanyal (Zuhause) und Paul B. Preciado (Ein Apartment auf dem Uranus) – auf Initiative der Dramaturgin Jennifer Weiss und in freundlicher Kooperation mit dem Theater.
Daraufhin bog der Protestmarsch triumphierend auf den Ring ein. Über 3.000 Demonstrant*innen nahmen den rechtsextremen Coronademos ihren üblichen Sammelpunkt weg. Direkt vor dem Heldentor begeisterte das Black Voices Volksbegehren mit einer Tanzeinlage. Martin Rutter, einer der zentralen Organisatoren der rechtsextremen Aufmärsche, musste kurzfristig den Treffpunkt vom Heldenplatz auf den Hauptbahnhof verlegen. Panisch schrieb er auf Facebook: „Von einem Besuch der Antifa Demo am #KARLSPLATZ wird MASSIVST abgeraten!“ Die angekündigte Megademo der Coronaleugner*innen wurde zum völligen Desaster, gerade einmal 1.500 verirrten sich zerstplittert in der Stadt.
Dementsprechend euphorisch kehrte die Demo auf den Karlsplatz zur Schlusskundgebung zurück. „Wir haben gekämpft und wir kämpfen, aber wir leben noch immer nicht“, verurteilte Schülerin Sihaam Abdillahi von der neugegründeten Initiative #jugendstehtauf den strukturellen Rassismus. Konservativen Politiker*innen, die manche Menschen zu „Anderen“ machen, richtete sie aus: „We don’t give a fuck!“ Theo Haas vom Stubenbastei-Gymnasium, aus dessen Schule Tina abgeschoben wurde, forderte ein Ende der Deportationen von hier geborenen und aufwachsenen Kindern und Jugendlichen. Er machte Mut, dass es noch nicht zu spät sei, „Tina, Sona und ihre Familien zurückzuholen“.
Sihaam Abdillahi Theo Haas Mati Randow Tierra Rigby
Schüler Mati Randow von der Initiative Schulen gegen Abschiebungen war einer von vielen, die versuchten, die Abschiebungen mit zivilem Ungehorsam zu verhindern. „Kein Kind darf sich fürchten müssen, dass in der Nacht ein Dutzend bewaffneter Polizeibeamter vor der Tür stehen, um einen aus der Wohnung und dem Leben zu reißen“, kritisierte Randow den Innenminister für die Missachtung der Kinderrechte. Schülerin Tierra Rigby erzählte die Geschichte der Abschiebung ihrer Freundin Sona der aus der HLW10. „Sona wurde wie eine Kriminelle behandelt, nur weil sie nicht hier geboren wurde“, berichtete Rigby und bekräftigte: „Wir dürfen solche Themen nicht mehr untergehen lassen. Es ist mehr als ein Trend!“
Petar Rosandić von SOS Balkanroute prangerte die illegalen Pushbacks von mindestens 181 Menschen an der steirischen Grenze durch die österreichischen Behörden an, deren Asylantrag einfach ignoriert wurde. „Aber Wien ist nicht deppert! Wir sind nicht deppert! Eine Schande sagt der Manager, der Punk, die Nonne, der Imam!“, wetterte Rosandić. Sein Freund Sabur Azizi kam 2015 aus Afghanistan nach Österreich. Er verurteilte die brutale Grenzgewalt in Bosnien: „Die Menschen werden von der Polizei geschlagen. Sie haben schlimme Verletzungen, keine Winterkleidung, kein Essen, kein Dach über den Kopf. Die Menschenrechte werden gebrochen. Das ist Rassismus und Faschismus!“
Petar Rosandić Sabur Azizi Mireille Ngosso Faika El-Nagashi
Die SPÖ-Landtagsabgeordnete Mireille Ngosso und die Grüne Nationalratsabgeordnete Faika El-Nagashi traten gemeinsam auf. „Nur weil du Ahmed heißt, wirst du von der Polizei festgehalten. Nur weil du Fatima heißt, bekommst du keine Wohnung. Ich sage euch klipp und klar: Jeder der hier ist, ist von hier!“, hielt Ngosso unmissverständlich fest. Die beiden seien eben in die Politik gegangen, um die Ära der rassistischen Politik „zu benennen und zu bekämpfen, auch in unseren eigenen Parteien“, so El-Nagashi. „Wir werden einen nationalen Aktionsplan gegen Rassismus und Diskriminierung einfordern, der seinen Namen auch verdient.“ Sie schlossen ihre Reden mit einem kräftigen „No Justice – no Peace!“
Zum stimmungsvollen Abschluss des Protests durfte noch einmal zu den rhythmischen Beats und Gesängen der Band MoZuluArt, einer Mischung aus afrikanischer Musik und Klassik, getanzt werden. Ein passender Ausklang für den internationalen Tag gegen Rassismus, der nach dem Sharpeville-Massaker am 21. März 1960 in Südafrika von den Vereinten Nationen ausgerufen wurde: Ramadu, Vusa Mkhaya, Blessings Nqo Nkomo und Roland Guggenbichler gründeten MoZuluArt im Jahr 2004 anlässlich des zehnjährigen Endes des Apartheid-Regimes in Südafrika. Auf dass wir eines Tages alle rassistischen Systeme auf der Welt überwinden. Unsere Demonstration war ein wichtiger Beitrag dazu.
Vorbildlich hielten die Teilnehmenden die Abstände so gut wie möglich ein, trugen FFP2-Masken, viele ließen sich zusätzlich vorab testen. Das ganze Programm wurde von Gerhard Kettler aufgezeichnet und kann im O-Ton nachgehört werden.
Fotos: Murtaza Elham und Black Voices Volksbegehren
Wir möchten uns bei allen herzlich bedanken, die uns schon vor der Demo und am Samstag mit einer Spende unterstützt haben! Wenn ihr die Demo gut fandet und ihr euch noch an den Kosten für Bühne und das viele Material beteiligen wollt, könnt ihr das sehr gerne mit einer Überweisung auf unser Spendenkonto tun: IBAN: AT58 2011 1843 6694 6100 BIC: GIBAATWWXXX Inhaberin: Plattform für eine menschliche Asylpolitik Als Dankeschön senden wir euch gerne unser neues Sayitloud!-Magazin, Sticker, Buttons und #WirHabenPlatz-Plakate. Wir freuen uns grundsätzlich über Beiträge, damit wir unsere Arbeit ausbauen können. Ab einer Spende von monatlich 5 Euro bzw. jährlich 50 Euro könnt ihr unser Magazin auch abonnieren.
Wunderbare Fotos von Murtaza Elham von der wunderbaren Antirassismus-Demo gestern! 🤩 #AufstehenGegenRassismus #WorldAgainstRacism
Gepostet von Plattform für eine menschliche Asylpolitik am Sonntag, 21. März 2021