Über 12.000 Menschen waren am 16. März 2019 in Wiem dem Aufruf der Plattform für eine menschliche Asylpolitik gefolgt und protestierten lautstark und bunt gegen Rassismus und für eine offene und tolerante Gesellschaft. Als Plattform bedanken wir uns bei allen, die gekommen, mitorganisiert und diesen Riesenerfolg möglich gemacht haben!
Die Großdemo #aufstehn gegen Rassismus am 16. März 2019 in Wien stand ganz im Schatten des schrecklichen Attentats auf zwei Moscheen in Neuseeland mit 50 Toten. Am Vortag hat ein Nazi-Terrorist in der Stadt Christchurch 50 Menschen erschossen. Er hat das Blutbad mit Bezügen auf die Verschwörungstheorie eines „Großen Austausches“ und die „Türkenbelagerung Wiens“ gerechtfertigt – Ideen, die besonders von der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ und der FPÖ verbreitet werden. Trauer, aber auch Wut über den Anschlag dominierten den Protest von Beginn bei der Auftaktkundgebung am Platz der Menschenrechte, rund um das Marcus-Omofuma-Denkmal.
Durch den Tag führten die Moderatorinnen Ariane Baron vom Verein Flüchtlingsprojekt Ute Bock und Karin Wilflingseder von Linkswende jetzt. Die engagierten Sänger_innen von Music4HumanRights stimmten schon gleich zu Beginn mit einigen Liedern ein.
Ordentlich Stimmung machte Rapper Kid Pex zusammen mit Overflow, A.geh Wirklich?, Snessia und dem HOR „29 novembar“. Lina Kaunitz von System Change, not Climate Change! feierte den fulminanten Klimastreik von 25.000 Schüler_innen und die Klimaproteste in über 2.000 Städten in 112 Ländern am Tag zuvor, die „größte Klimaprotestwelle, die die Welt je gesehen hat!“. Muhammed Yüksek vom Alis Block, der sich gegen das rassistische E-Card-Video der FPÖ formiert hatte, hielt eine flammende Rede gegen antimuslimischen Rassismus: „Wir lassen uns nicht auseinander dividieren. Wir sind die Gesellschaft!“
Nelson Carr und Maria Mayrhofer von #aufstehn präsentierten eine Petition für den Rücktritt von FPÖ-Innenminister Herbert Kickl und motivierten die Menge: „Was tun wir, wenn sie unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger angreifen und Menschenrechte gefährdet sind? – Aufstehen!“ Der langjährige Aktivist und Betriebsrat Axel Magnus von den SozialdemokratInnen und GewerkschafterInnen gegen Notstandspolitik hielt ein kämpferisches Plädoyer, dass wir uns nicht spalten lassen dürfen: „Ihr habt vielmehr gemeinsam mit einem bolivianischen Bergarbeiter oder einer rumänischen Heimhilfe, als mit den Piechs, Porsches und wie sie alle heißen!“
Princess von Afro Rainbow Austria (ARA) sagte, dass wir für ein anderes Österreich kämpfen müssen und erklärte, warum Demonstrationen wie diese so wichtig sind: „Wir lassen uns nicht einschüchtern! Wir nehmen uns Raum, wo eigentlich kein Platz für uns sein soll.“
Den Höhepunkt auf der Auftaktkundgebung setzte Buchautor Hans-Henning Scharsach. Er wies mit einer Fülle an Beispielen und „Einzelfällen“ nach, dass mit der schwarz-blauen Regierung eine Politik des „Neonazismus light“ Einzug in die höchsten Ämter des Staates gefunden hat. Er appellierte: „Lasst uns gemeinsam ein Bollwerk der Menschlichkeit errichten!“ Zum Abmarsch heizte Rapper Ran DMC der Menge ordentlich ein.
Die Demonstration zog, das Frontbanner „#aufstehn gegen Rassismus“ voran, zuerst zum Volkstheater, das eine Kooperation mit der Plattform für eine menschliche Asylpolitik einging und wo bereits zuvor die Pressekonferenz zum Protest über die Bühne ging. Am Balkon des Volkstheaters las Schauspieler Christoph Rothenbuchner Texte des Architekten der österreichischen Verfassung, Hans Kelsen, aus dem Stück „Verteidigung der Demokratie“ von Musikerin Eva Jantschitsch und Regisseurin Christine Eder.
Beeindruckend war die Beteiligung der muslimischen Community. Zahlreiche Blöcke drückten die Vielfalt der antirassistischen Bewegung aus – es war ein kleines Volksfest, ein Come-Together verschiedenster Initiativen, politischer Organisationen, Gewerkschaftsgruppen und engagierter Einzelpersonen.
Kunst- und Kulturschaffende von DIE VIELEN organisierten einen „Glänzenden Block“, im „Alis Block“ prangerten die Teilnehmenden die ständigen Angriffe auf Muslim_innen an. Aktivist_innen in der Wiener Clubszene ließen es im Rave-Block „Hertz statt Hetze“ ordentlich krachen, und ein „Klimagerechtigkeitsblock“ machte auf den nächsten großen Klimaprotest am 5. April aufmerksam, an dem sich auch die Plattform für eine menschliche Asylpolitik mit einem antirassistischen Block beteiligen wird. Die Omas gegen Rechts brachten ihren Widerstand gegen die Regierung singend zum Ausdruck.
Gut gelaunt marschierte die Demo über die Ringstraße zur Schlusskundgebung auf den Karlsplatz. Dort wurden die tausenden Antirassist_innen von den Musikern Christoph & Lollo begrüßt, die Lieder wie „Diese Stadt“ zum Besten gaben.
Shokat Ali Walizadeh vom Afghanischen Sport- und Kulturverein Neuer Start verurteilte die systematischen Abschiebungen in das Bürgerkriegsland Afghanistan und Innenminister Kickl scharf: „Es gibt eine Person, die wirklich gefährlich ist, die die Verfassung angreift und eine bestimmte Gruppe als gefährlich für die Öffentlichkeit darstellt. Dieser Person ist gefährlich!“ Die sudanesische Autorin und Journalistin kritisierte, dass europäische Regierungen und die EU mit Diktatoren in Afrika zur „Migrationskontrolle“ kooperieren. Sie feierte den Widerstand im Sudan, rief den Regierenden „Hände weg vom Sudan!“ zu und forderte internationale Solidarität ein.
Christa Kleiner von der Plattform 20000frauen zerpflückte den vermeintlichen Kampf der Regierung gegen Gewalt an Frauen, die immer nur dann thematisiert wird, wenn „Geflüchtete oder Männer mit Migrationshintergrund“ Täter sind: „Das ist eine Verhöhnung aller Frauen, die Gewalt durch ‚österreichische Männer‘ erlebt haben, und aller Feministinnen, die seit Jahrzehnten für Frauen und gegen Gewalt kämpfen.“
In einer berührenden Rede anlässlich des Massakers in Christchurch mahnten Zehra Baraçkılıç und Elif Öztürk von der Dokustelle Islamfeindlichkeit & antimuslimischer Rassismus, wozu Hass führen kann: „Es ist Zeit, die fatalen Folgen der antimuslimischen Hetze anzuerkennen, zu verurteilen und alles Mögliche zu tun, alles Mögliche zu unterlassen, was Hass gegen Musliminnen, geflüchteten Menschen, people of color, LGBT, Jüd*nnen und gegen alle Menschen schürt.“ Am Ende ihrer Rede verlasen sie die Opfer von Christchurch und stellten Kerzen für sie auf.
Faika El-Nagashi, Landtagsabgeordnete und Integrations- und Menschenrechtssprecherin der Wiener Grünen, und Mireille Ngosso, stellvertretende SPÖ-Bezirksvorsteherin der Inneren Stadt, traten zusammen auf. El-Nagashi sagte: „Es ist die Verantwortlichkeit der Politik, Rassismus, Menschenrechtsverletzungen und die Gefährdung der Demokratie zu benennen.“ Ngosso rief den tausenden Menschen zu: „Wir dürfen den antimuslimischen, antisemitischen oder den Rassismus gegen Schwarze, gegen LGBTIQ und so weiter nicht dulden!“
Zum Abschluss motivierte Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich und Sprecher der Plattform für eine menschliche Asylpolitik, zum weiteren Widerstand: „Diese Regierung gefährdet den sozialen Frieden, baut Grund- und Freiheitsrechte ab, bekämpft die Armen und nicht die Armut, treibt die Schere zwischen Arm und Reich auseinander, privilegieren die Besitzenden und Vermögenden und kämpfen gegen die benachteiligten arbeitenden Menschen. Deshalb mobilisieren wir gegen diese inhumane Regierung!“
Gekrönt wurde der Protest von einem grandiosen Auftritt des Wiener Gitarrengotts Harri Stojka samt seiner Band, dem Harri Stojka Express. Weltweit fanden Proteste in über 70 Städten statt.