„Wer für Menschen in Not keinen Platz macht, sollte für uns Platz machen!“


Rede von Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich und Sprecher der Plattform für eine menschliche Asylpolitik, am Protest #WirHabenPlatz am Heldenplatz am 3. Oktober 2020, genau fünf Jahre nach der bahnbrechenden Großdemo und dem Konzert für ein menschliches Europa #VoicesForRefugees.

Willkommen zur Veränderung! Welcome to change!

Es geht nicht ums Nicht-Können. Es geht ums Nicht-Wollen. Wer nicht will, kann nicht. Und wer nicht kann, hilft auch nicht. Menschen, die keine Verantwortung für Menschen in Not übernehmen und Hilfe und Schutz gewähren, sollten auch keine Verantwortung für eine Gemeinschaft oder für einen Staat übernehmen. Sie stellen eine potenzielle Bedrohung für alle Menschen, insbesondere für vulnerable Gruppen in Österreich, dar.

Wer für Menschen in Not keinen Platz macht, sollte für uns Platz machen. Damit wir für Menschen in Not in Österreich Platz machen können!

Wir wollen aus tiefster Überzeugung Menschenleben retten. Menschenrettung ist niemals ein symbolischer Akt. Menschenrettung ist immer eine reale und konkrete Handlung. Für gerettete Menschen erweist sich die Rettung niemals als Symbol, sondern sichert ihr Überleben.

Wir handeln auch nicht, weil wir unser Gewissen beruhigen wollen. Wir verstehen alle gemeinsam unser Dasein nicht nur als Ich-Sein. Wir verstehen unser Dasein darin, dass wir Menschen uns wechselseitig anerkennen. Wir verstehen unser Dasein um ein Engagement füreinander – vor allem, die die benachteiligsten Menschen auf dieser Erde.

Menschen und Natur zuerst!

Deshalb engagieren wir uns für Menschen, die vor Krieg, Terror und Umweltzerstörung fliehen müssen.  Wir engagieren uns für die Klasse an Menschen, die bewusst und gezielt ausgebeutet, abgewertet und abgefertigt werden. Die schlechte Jobs haben und arbeitslos werden. Für die armutsbetroffenen Kinder und für alle Menschen, die finanziell benachteiligt werden.

Wir übernehmen Verantwortung. Wir bilden nicht die herrschenden Gedanken der Herrschenden ab. Wir setzen uns gegen die herrschenden Gedanken der herrschenden Klasse zur Wehr. Wir wehren uns gegen die Menschenzerstörung durch das Kapital. Wir wehren uns gegen die Umweltzerstörung durch das Kapital. Wir wehren uns gegen jene, die ihre Hautfarbe über die Hautfarbe der anderen stellen. Und wir wehren uns gegen jene, die sagen: Ich zuerst, mein Staat zuerst, mein Kapital zuerst, meine Privilegien zuerst.

Wir sagen: Menschen und Natur zuerst! Wir sind es die die Armut abschaffen und die Zerstörung des Planeten stoppen werden. Wir schaffen Mut, Befreiung und Ermächtigung.

2015: Das Jahr der Menschlichkeit

Wir lassen uns auch nicht einreden, dass das Jahr 2015 für das Falsche steht. 2015 steht aus unserer Sicht für das Richtige. Für Menschlichkeit, für zivilgesellschaftliches Helfen und Handeln. Wer das Wesen des Jahres 2015 umdeutet, enttarnt und positioniert sich selbst als Menschenfeind und als Feind von uns, der sozialen Zivilgesellschaft. Und die Zukunft wird uns recht geben. Von 2015 bis heute versagen viele Staaten in Europa, das Organ in Europa selbst und derzeit auch unser Bundeskanzler.

Die Regierenden erweisen sich in Permanenz als überfordert und nicht willens. Wir aber haben den Willen. Wir sind die Zivilgesellschaft. Wir haben das damalige Staatsversagen kompensiert und versuchen es auch heute zu kompensieren. Unser Engagement ermöglicht und verändert. Ihr Tun behindert und verhindert. Wir helfen Menschen. Sie helfen nicht und behindern darüber hinaus unsere Hilfe. Deshalb wird unser Engagement die Welt verbessern und verändern. Ihr Tun hingegen blockiert jegliche Verbesserung.

Fünf Jahre nach dem Konzert Voices for Refugees stehen wir wieder am Heldenplatz. Wir die Voices for Refugees. Wir haben damals Geschichte geschrieben. Rund 200.000 Menschen waren dabei und haben ihre Stimme erhoben. Voices for Refugees und das Lichtermeer waren die größten Kundgebungen der zweiten Republik.

Solidarity-Award

Ich möchte diesen Tag zum Anlass nehmen, um Danke zu sagen. Ich stelle mir eine Welt und ein Österreich vor, wo der Bundeskanzler an einem Tag wie diesem hier steht und der Zivilgesellschaft einen Dank ausspricht. Das ist aber nicht der Fall. Deshalb haben wir uns überlegt, und mir ist das ein Bedürfnis, euch Danke zu sagen. Weil wir noch nicht in der Zukunft sind, sondern in der Gegenwart, und wir uns deshalb auch selbst würdigen können.

Ich freue mich, dass es Menschen in Österreich gibt, die hier Schutz gefunden haben, unser Leben bereichern, mit uns Freud und Leid teilen, Feste zelebrieren, mit uns lachen und manches Mal, wie Ali Khalili vor mir gesagt hat, weinen. Danke stellvertretend für alle, die in Österreich leben und Schutz gefunden haben.

Danke allen Menschen, die sich informell, so wie unser Buddy for Refugee, den wir gerade gehört haben, stellvertretend für alle, die helfen, täglich Menschen betreuen und unterrichten. Das ist das wahre Österreich, auf das wir stolz sind. Danke an all jene die sich in dieser Zeit organisiert haben wie Train of Hope und den Refugee Convoy und viele andere. Danke dir stellvertretend für alle Menschen, die auch heute hier stehen: Bei dir, bei dir, bei dir!

Danke an alle Organisationen, wie beispielsweise Amnesty International Österreich, Heinz Patzelt und das gesamte Team, Herbert Langthaler und Lukas Gahleitner von der Asylkoordination Österreich, die die ganze Zeit versuchen, das Recht auf Asyl durchzusetzen, wenn es von der Regierung oder Kanzler versucht wird, zu vernichten. Danke Christoph Riedl von der Diakonie Österreich und Christian Schörkhuber von der Volkshilfe Oberösterreich.

Danke an alle Künstler_innen und Akteur_innen, die sich damals und heute beteiligt haben. Danke beispielsweise Susanne Scholl, die die Omas gegen Rechts gegründet hat. Danke Konstantin Wecker, der gerne hier wäre, und Danke Campino von den Toten Hosen, den wir gleich auf der Leinwand sehen werden.

Danke an alle, die gesellschaftspolitisch wirken wie ihr. Ihr seid ein Wahnsinn! Beispielsweise Menschen.Würde.Österreich, Danke Peter Wesely und Christian Konrad für ihr großartiges Engagement. Ich möchte mich auch bei den vielen Plattformen bedanken: Offensive gegen Rechts und Plattform für eine menschliche Asylpolitik. Stellvertretend für alle bedanke ich mich bei David Albrich, Faika El-Nagashi, Karin Wilflingseder, Fiona Herzog, Judith Ranftler, Mireille Ngosso, Niki Kunrath, Daniela Krois!

Und deshalb, weil es keinen Bundeskanzler gibt, der dies tut, bekommt ihr heute von uns einen Solidarity-Award. Ihr habt es euch verdient. Es ist eine kleine Anerkennung und des Respekts an euch!

Eine sozial gerechte Welt ist möglich! We help to change, we change to help. Join our revolution!

Meine Rede auf der #WirHabenPlatz-Demo am Heldenplatz. ✊

Geplaatst door Erich Fenninger op Zaterdag 3 oktober 2020