In einem offenen Brief an Innenminister, Kanzler und Vizekanzler fordert die Plattform für eine menschliche Asylpolitik zusammen mit zahlreichen roten Organisationen, Abgeordneten, Politiker_innen und dem Black Voices Volksbegehren die Rückholung und ein humanitäres Bleiberecht für die am 28. Jänner 2021 abgeschobenen Ashot, Sona, Tina und ihre Familien.
Sehr geehrter Herr Innenminister Nehammer, Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Kurz, Sehr geehrter Herr Vizekanzler Kogler,
unsere Wut ist groß. Die Abschiebungen von Tina, Sona, Ashot und ihren Familien am 28.01.2021 nach Georgien und Armenien erschüttern ganz Österreich.
Es handelt sich um Kinder, die zum Teil hier geboren wurden und Österreich als ihre Heimat und ihr Zuhause kennen. Es sind junge Menschen, die hier zur Schule gehen, hier ihren Lebensmittelpunkt, ihre Zukunft und Perspektive haben.
In welchem Land leben wir, dass Kinder mitten in der Nacht, noch dazu in einer Pandemie, von der Polizei abgeholt und abgeschoben werden. Trotz der Petitionen, die von mehr als 30.000 Menschen unterzeichnet wurden. Trotz des Protestes und der Demonstration, die von ihren Schulkolleg*innen organisiert wurden. Trotz der über hundert Aktivist*innen, die sich heute Nacht mutig der Abschiebung in den Weg gestellt haben. Die Staatsgewalt reagierte auf diesen friedlichen Protest mit der Räumung der Blockade unter dem Einsatz der WEGA und Hundestaffeln.
In Österreich geborene Kinder sind keine Fremden. Sie sind Teil der österreichischen Gesellschaft. Die Kinder ihrer Heimat zu entreißen und sie in eine ungewisse Zukunft zu schicken ist herzlos. Dieses menschenverachtende Vorgehen ist einer Demokratie unwürdig und inakzeptabel.
Herr Innenminister, Sie könnten unverzüglich humanitäres Bleiberecht erteilen. Wir fordern Sie an dieser Stelle auf von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Wir fordern die Rückholung und das humanitäre Bleiberecht für Ashot, Sona, Tina und ihre Familien.
Die Regierung hat in der Nacht, nur wenige Stunden nach dem Holocaust-Gedenktag, hier geborene Kinder und Jugendliche unter Einsatz massiver Polizeigewalt deportiert. Die 12-jährige Tina und ihre Familie. Es ist eine unfassbare Schande. Es ist eine Bösartigkeit, die schier sprachlos macht.
Über 150 Aktivist_innen stellten sich vor dem Schubhaftzentrum Zinnergasse in Simmering dem Polizei-Konvoi zum Flughafen in den Weg. Die Staatsgewalt räumte die Blockaden mit scharfen Hundestaffeln, der berüchtigten Sondereinheit WEGA und Hundertschaften an Beamten.
Der Einsatz kostete wohl mehrere 100.000 Euro. Mit horrenden Summen werden Menschen zutiefst schikaniert. Familien zerstört. Existenzen vernichtet. Unverblümt zeigt sich uns die durch und durch rassistische Struktur des Staates. Nein, das sind nicht die Vereinigten Staaten. Das ist Österreich.
Unser Dank gilt all den wunderbaren Menschen, die sich bis zuletzt gegen diese unbeschreibliche Ungerechtigkeit – zum Teil mit Sitzblockaden unter Einsatz ihres eigenes Körpers – gewehrt haben. Schüler_innen, Freund_innen und Solidarische, die sich gegen die Staatsmacht gestellt haben.
Für die Betroffenen und Angehörigen bricht eine Welt zusammen. Der Staat will mit diesem brutalen Akt aber auch alle Antirassist_innen treffen. Er will unseren Widerstandsgeist und unser zivilgesellschaftliches Engagement brechen. Das dürfen wir nicht zulassen. Das lassen wir nicht zu.
Unser Wille, gegen jede Ungerechtigkeit zu kämpfen, wird nur stärker. Wir werden mehr, wir werden lauter, wir werden entschlossener. Wenn Innenminister Karl Nehammer glaubt, er kann uns stoppen, dann täuscht er sich. Tragt die Botschaft in alle Ecken dieses Landes: Der Kampf geht weiter!
Martin Luther King sagte einmal über die Kräfteverhältnisse in seiner Heimatstadt Atlanta: „Hier haben wir starke Kräfte auf beiden Seiten, aber die Kräfte [der Rassisten] sind nicht so stark wie die, die wissen, dass es aussichtslos ist, an den Wassern der Geschichte zu stehen und die Flut zurückhalten zu wollen.“
Demonstration Sonntag, 31. Jänner, 13:00 Uhr U2 Schottentor, Wien Veranstaltung auf Facebook
Die aktive Beteiligung der FPÖ an der Coronaleugner-Kundgebung am Sonntag, 31. Jänner, ist eine ernsthafte Bedrohung für die Demokratie. Klubchef Kickl hat eine Rede angekündigt. Unter dem Deckmantel „Freiheit“ reichen sich Krawattennazis, Stiefelnazis und antisemitischen Verschwörungstheoretiker die Hand. Bereits die Stürmung des Kapitols durch rechtsextreme Trump-Anhänger_innen war eine ernste Warnung.
Wir müssen uns der Formierung einer faschistischen Straßenbewegung rechtzeitig in den Weg stellen, um eine Entwicklung wie in den 1930er-Jahren zu verhindern. Die FPÖ ist am Boden, und dort soll sie auch bleiben!
Die Maßnahmen der Regierung stellen Profite vor Menschen. Von der entstehenden Unzufriedenheit, der Verunsicherung und realen Existenzängsten nähren sich rechtsextreme Gruppen. Wir stehen für eine solidarische Pandemiebekämpfung, die niemanden zurücklässt, auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und eine breite Mobilisierung gegen die faschistische Bedrohung.
Dies ist ein dringender Appell an alle antifaschistischen, antirassistischen und demokratischen Initiativen, Organisationen und Menschen: Schließt euch unserem Protest an. Zeigen wir Faschismus und der Pandemie die rote Karte!
Hinweis: Wir nehmen die empfohlenen Abstands- und Hygienemaßnahmen gegen COVID-19 sehr ernst. Wir ersuchen alle Teilnehmenden, die Abstandsregeln einzuhalten und Mund-Nasen-Schutz (im besten Fall FFP2-Masken) mitzubringen und zu tragen.
Das zweite Say it loud-Gespräch mit dem Titel: „2015: Das Jahr der Solidarität und seine Bedeutung heute“ dreht sich um das Solidaritätsjahr 2015 und seine Auswirkungen bis heute. Es diskutieren: Sarah Knoll (Zeithistorikerin am Institut für Zeitgeschichte auf der Universität Wien), Susanne Scholl (Schriftstellerin, Journalistin, Aktivistin und Sprecherin für „Omas gegen Rechts“), Abdulhamid Kwieder (Webdesigner, Entwickler und politischer Aktivist, nachdem er 2015 als Flüchtling nach Österreich kam) und Erich Fenninger (politischer Aktivist, Sozialarbeiter, Direktor der Volkshilfe Österreich und Sprecher für die „Plattform für eine menschliche Asylpolitik“). Das Gespräch wird moderiert von Judith Ranftler (Plattform für eine menschliche Asylpolitik und Volkshilfe Österreich).
Das Gespräch war geprägt von wiederkehrender Kritik an der österreichischen Politik in Zeiten von Fluchtbewegungen und dem Konflikt zwischen dem Engagement der Zivilgesellschaft und der abwehrenden Haltung von Regierungen gegenüber Geflüchteten.
Die Zeithistorikerin Sarah Knoll stellt klar, dass Flucht und Migration keine Einzelfälle und schon gar keine Neuerscheinungen sind. Mit diesem Statement will sie unter anderem den Druck um dieses Thema herausnehmen. Denn auch wenn im Jahr 2015 mehr Menschen in Österreich um Asyl angesucht haben als während früheren Fluchtbewegungen (z.B. 1956 aus Ungarn), war das wirtschaftliche Potential Österreichs 2015 auch größer als in den Jahren davor. Knoll geht mit dem Mythos über Österreich im Umgang mit Geflüchteten hart ins Gericht. „Ja, Österreichs Hilfsbereitschaft war sehr groß, aber Flüchtlinge waren auch von Anfang an starken Anfeindungen ausgesetzt, die auch ähnlich sind wie heute“, sagt Sarah Knoll über Fluchtbewegungen nach 1945. Die Grundhaltung der österreichischen Migrations- und Fluchtpolitik war: „Österreich wollte vor allem seit 56, niemals Aufnahmeland sein.“ Sie betont, dass durch das Fortbestehen von Krieg und ungleichen Systemen, Fluchtbewegungen weiter bestehen werden und dafür langfristige Lösungen gefunden werden müssen.
Die Journalistin Susanne Scholl schildert, wie sich die Wahrnehmung von Flüchtlingen in Österreich im Vergleich zu früheren Fluchtbewegungen verändert hat. Sie sieht einen Umschwung in der Solidarität: Früher musste den Menschen, die vor „dem Kommunismus“ flüchteten geholfen werden, heute werden sie als „Wirtschaftsflüchtlinge“ bezeichnet und ihre Fluchtgründe kleingeredet. Sie beschreibt die Regierung Österreichs 2015 treffend als „Staat auf Tauchstation“, die, während die Zivilbevölkerung massenhaft mobilisierte und den in Österreich ankommenden Geflüchteten mit Sach- und Essensspenden zur Seite stand, nichts tat und das Jahr 2015 als Katastrophen- und Krisenjahr betitelte.
Abdulhamid Kwieder, Mitbegründer der Flüchtlingshilfe Österreich und selbst 2015 aus Syrien nach Österreich gekommen, erinnert sich gerne an die Menschen, die ihm bei seiner Ankunft am Westbahnhof Bananen anboten und ihm zeigten, dass er und alle anderen Geflüchteten hier willkommen sind. Deshalb ist er der Meinung: „Wir müssen 2015 wiederholen“, denn „diese Leute [, die an den Grenzen feststecken] werden auf jeden Fall einen Weg finden, um nach Österreich oder nach Europa zu kommen, weil sie keine andere, leider keine andere Chance oder Option haben.“
Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich, spricht über die Wandlung Österreichs nach 1945, da das Land nach einer kurzen „Öffnung“ nun wieder stark dabei ist „sich zurück zu entwickeln, in das kleine Österreich zu flüchten, die Fenster und die Türen zuzumachen und ignorieren was auf der Welt passiert.“ Die zwei Asylgipfel von 2015 beschreibt er als „Staatsorganversagen in einer Größenordnung“, die er sich nicht vorstellen konnte. Er ruft zu starker Solidarität und Kooperation von NGOs auf, um Druck auf die aktuelle Regierung aufzubauen.
Dieser Blick in die Geschichte zeigt, dass die Auseinandersetzung zwischen dem Engagement der Zivilgesellschaft und der politischen Rhetorik kein Einzelfall ist. Die Plattform für eine menschliche Asylpolitik arbeitet an der „Wiederholung von 2015“ im Sinne einer starken zivilgesellschaftlichen Bewegung, die letztlich zu einer politischen Trendwende führt.
Die Plattform für eine menschliche Asylpolitik lehnt die Einführung eines neuen Straftatbestands „religiös motivierte extremistische Verbindung“ (§ 247b StGB) und damit verbunden eines Erschwerungsgrundes „aus religiös motivierten extremistischen Beweggründen“ (in § 33 StGB) entschieden ab. Im Rahmen des parlamentarischen Begutachtungsverfahrens wurde eine Stellungnahme eingebracht und vor einem neuen Gesinnungsstrafrecht gegen die muslimische Gemeinschaft gewarnt (hier auf der Seite des Parlaments). Zahlreiche Wissenschafter_innen, die in der Stellungnahme angeführt werden, teilen diese Einschätzung.
„Der geplante Straftatbestand ist eine bewusste Umgehungskonstruktion für ein weiteres rassistisches Sondergesetz gegen Muslim_innen“, sagt Judith Ranftler von der Plattform. „Nach der Aufhebung des Kopftuchverbots durch den Verfassungsgerichtshof musste die Regierung eine scheinbar neutrale Formulierung wählen. Das darf nicht über die politische Absicht eines expliziten Straftatbestands ‚Politischer Islam‘ und damit der Stigmatisierung der muslimischen Gemeinschaft in Österreich hinwegtäuschen.“
Die Plattform appelliert dringend an die breitere Zivilgesellschaft, sich gegen dieses Gesetz auszusprechen, und an die Abgeordneten, dem Entwurf nicht zuzustimmen.
Die Plattform hat zusätzlich mit weiteren Organisationen wie der Dokustelle Islamfeindlichkeit & antimuslimischer Rassismus, #aufstehn, der Asylkoordination, dem Black Voices Volksbegehren, denOmas gegen Rechts, epicenter.works und der Antidiskriminierungsstelle ZARA einen offenen Brief unterzeichnet, der die Einführung eines Straftatbestands „politischer Islam“ strikt ablehnt.
Die Plattform für eine menschliche Asylpolitik ist ein breiter politischer Zusammenschluss von NGOs, Flüchtlingsinitiativen, politischen Organisationen sowie engagierten Persönlichkeiten. Die Plattform bekämpft Rassismus gegen Geflüchtete, gegen die Schwarze Community und People of Color, antimuslimischen Rassismus, Antisemitismus und alle Formen von Diskriminierung.
Samstag, 20. März 2021, 14:00 Uhr Auftakt: U1/U2/U4 Karlsplatz, Wien Abschluss: Heldenplatz Veranstaltung auf Facebook
Am Samstag, den 20. März 2021, gehen wir anlässlich des Internationalen Tags gegen Rassismus mit tausenden Menschen auf der ganzen Welt auf die Straße. Wir setzen ein Zeichen gegen jede Form von Rassismus: gegenüber Schwarzen Menschen und People of Color, Geflüchteten und Menschen mit Migrationsbiografie, Muslim_innen und Jüdinnen und Juden, Roma und Sinti und andere unterdrückte Gruppen, die Rassismus und Diskriminierung erfahren.
Wir stehen für Zusammenhalt, Menschlichkeit und Solidarität. Wir wollen die verschiedenen Momente des Widerstands zusammenbringen und zu einer mächtigen Bewegung formen.
Die Bewegung von Schüler_innen gegen die Abschiebung von Kindern und Jugendlichen hat die Regierung in eine schwere Krise gestürzt. Sie fordern die sofortige Zurückholung ihrer Freund_innen und deren Familien, eine Reform des humanitären Bleiberechts und die Einbindung von Ländern und Gemeinden, die stärkere Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung und die bedingungslose Einbürgerung von hier geborenen Kindern.
Vergangenes Jahr hat die Black Lives Matter-Bewegung die antirassistische Bewegung global inspiriert und in Österreich über 100.000 Menschen auf die Straße gebracht. Einer der größten Proteste der letzten Jahre und ein phänomenaler Moment! Daraus ist eine Reihe von Initiativen und Projekte entstanden, unter anderem das erste antirassistische Volksbegehren in Österreich: das Black Voices Volksbegehren.
Im vergangenen Jahr ist auch die Solidaritätsbewegung mit Geflüchteten unter dem Slogan #WirHabenPlatz wieder aufgeflammt. Die katastrophale Situation für schutzsuchende Menschen in den griechischen Flüchtlingslagern und entlang der Balkanroute in Bosnien, sowie die fortgesetzten Abschiebungen nach Afghanistan sorgten für einen lauten Aufschrei der Zivilgesellschaft und die Gründung neuer Initiativen.
Nach dem schrecklichen Terroranschlag in Wien sind die Übergriffe insbesondere auf muslimische Frauen dramatisch gestiegen. Mit dem geplanten Straftatbestand „politischer Islam“ geht die Stigmatisierung der muslimischen Communities weiter. Zusammen mit unseren muslimischen Brüdern und Schwestern stehen wir auf gegen antimuslimischen Rassismus.
Die Corona-Pandemie verschärft nicht nur die ohnehin grassierende Armut und stellt uns nicht nur vor gesundheitspolitische Herausforderungen. Antisemitismus kriecht in den Gruppen der „Querdenker“, Coronaleugner_innen und Impfgegner_innen aus den Löchern. In den USA hat diese Bewegung das Kapitol, den Sitz des Parlaments, gestürmt. Unser entschiedenes Auftreten gegen Faschismus und Antisemitismus ist wichtiger denn je.
Wir verteidigen die Menschenrechte und die Würde jedes einzelnen Menschen. Wir kämpfen für eine Welt ohne Armut, Rassismus und Faschismus. Für eine sozial und klimagerechte Welt. Wir rufen alle antirassistischen und antifaschistischen Initiativen auf, sich dem Protest anzuschließen!
Black and White, unite and fight – together we are dynamite! #WorldAgainstRacism #FightRacism #WirHabenPlatz
Wir nehmen die Corona-Maßnahmen sehr ernst! Bitte achtet auf die Abstandsregeln, bringt FFP2-Masken und testet euch am besten vorab! Unsere Ordner_innen und die Demoleitung werden eindringlich auf unsere Corona-Konzept aufmerksam machen sowie Masken und Desinfektionsmittel bereitstellen.
Auftaktkundgebung ab 14:00 Uhr am Karlsplatz
Kojo Taylor (Panafrican Forum & Diaspora Union of Ghanaians in Austria)
Erich Fenninger (Sprecher Plattform für eine menschliche Asylpolitik, Direktor Volkshilfe Österreich)
Christoph Kornitzer (zu antiasiatischem Rassismus)
Emmeraude Banda (Sprecher Black Voices Volksbegehren)
Moderation: Noomi Anyanwu und Asma Aiad
Tanzeinlage am Platz der Menschenrechte, Marcus-Omofuma-Denkmal
Black Voices Volksbegehren
Lesung vom Volkstheater-Balkon
Die Schauspieler*innen Julia Franz Richter, Samouil Stoyanov, Uwe Schmieder und Lavinia Nowak lesen Texte von Jacques Derrida, Mithu Sanyal und Paul B. Preciado. Unter der Initiative der Dramaturgin Jennifer Weiss und in freundlicher Kooperation mit dem Volkstheater Wien
Stellungnahme der Plattform für eine menschliche Asylpolitik zum Ministerialentwurf Terror-Bekämpfungs-Gesetz (TeBG) und der geplanten Einführung des Straftatbestands § 247b StGB „religiös motivierte extremistische Verbindung“ und eines Erschwerungsgrundes in § 33 StGB „aus religiös motivierten extremistischen Beweggründen“.
Die Plattform für eine menschliche Asylpolitik lehnt die Einführung eines neuen Straftatbestands § 247b StGB „religiös motivierte extremistische Verbindung“ und damit verbunden eines Erschwerungsgrundes in § 33 StGB „aus religiös motivierten extremistischen Beweggründen“ entschieden ab. Der geplante Straftatbestand ist nachweislich eine bewusste Umgehungskonstruktion für ein Sondergesetz bzw. einen Sonderstraftatbestand „politischer Islam“, widerspricht damit der jüngsten Judikatur des Verfassungsgerichtshofs, ist undefiniert, unspezifisch, in seiner Wirkung in Bezug auf Terrorprävention kontraproduktiv und steht in keinem ursächlichen bzw. präventiven Zusammenhang mit dem schrecklichen Terroranschlag in Wien am 2. November 2020.
Die Plattform appelliert daher an die Abgeordneten, diesem Gesetz nicht zuzustimmen.
1. Tatsächlich ein Straftatbestand „politischer Islam“
Der geplante Straftatbestand ist im Kern ein lange geplantes Projekt der politischen Rechten, das auf entsprechende Vorstöße von FPÖ und ÖVP zurückgeht. Als Straftatbestand gegen den „politischen Islam“ war dieser immer als deutlich selektives und spezifisch auf die Religion des Islam ausgerichtetes Gesinnungsgesetz gedacht, formuliert und geplant.
Die ÖVP forderte im Wahlprogramm 2017 „Null Toleranz gegenüber dem politischem Islam“ und dementsprechend das Strafrecht nachzuschärfen.[1] Das türkis-blaue Regierungsübereinkommen aus demselben Jahr sah „strafgesetzliche Bestimmungen gegen den politischen Islam (Ausgestaltung im StGB)“ im Strafgesetzbuch vor.[2] Die Folgekoalition aus ÖVP und Grünen setzte das Vorhaben in ihrem Regierungsübereinkommen als „Präzisierung und Ergänzung von Straftatbeständen zur effektiven Bekämpfung des religiös motivierten politischen Extremismus (politischer Islam)“ fort.[3] Was die Nennung des „politischen Islam“ als Klammerausdruck bezweckt, ist nicht eindeutig, lässt aber den Schluss nahe, dass es sich dabei um eine zwischen den Parteien akkordierte Ausweichformulierung und Umgehungskonstruktion handelt, auf die auch nun in der Gesetzesvorlage zurück gegriffen wird.
Nach dem Terroranschlag vom 2. November in Wien kündigte ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz bei einem Ministerratsvortrag die konkrete Umsetzung eines Straftatbestands „politscher Islam“ als „Kampf gegen den politischen Islam und die ideologische Grundlage dahinter“ an.[4] Bei der Präsentation des Straftatbestands nach einem weiteren Ministerrat im Dezember 2020 bekräftigte Integrationsministerin Susanne Raab: „Selbstverständlich haben wir einen Straftatbestand geschaffen, der den ‚Politischen Islam‘ in Österreich verbietet.“[5]
Dabei muss erwähnt werden, dass derzeit sämtliche Strömungen des pluralistischen politischen Islam sowohl politisch, als auch medial und institutionell (und dabei wissenschaftlich völlig unzulässig) auf „eine Feindschaft zu Demokratie und Menschenrechten“ reduziert werden, wie es etwa auch der Politologe Dr. Benjamin Opratko kritisiert.[6] Darüber hinaus gibt es derzeit in Österreich keinerlei politische oder mediale Diskussion darüber, inwiefern ein – real existierendes[7] – reaktionäres politisches Christentum als „religiös motivierte extremistische Verbindung“ strafrechtlich verfolgt werden sollte.
2. Eine Umgehungskonstruktion
Noch vor der Präsentation des Straftatbestands, in der Phase der koalitionsinternen Abstimmung und legistischen Formulierung, hob der Verfassungsgerichtshof (VfGH) das Kopftuchverbot an Volksschulen als verfassungswidrig auf. In seiner Erkenntnis befand der VfGH, dass sich das Verbot „nachteilig auf die Inklusion betroffener Schülerinnen auswirken und zu einer Diskriminierung führen“ könne, weil „es das Risiko birgt, muslimischen Mädchen den Zugang zur Bildung zu erschweren bzw. sie gesellschaftlich auszugrenzen“. Das Gesetz „stigmatisiert gezielt eine bestimmte Gruppe von Menschen“.[8]
Mit dieser Judikatur war die Regierung unter Druck, den neu geplanten Straftatbestand so umzuformulieren, dass er nicht erneut vom VfGH aufgehoben wird, und dennoch die politisch tendenziöse, selektive und diskriminierende Absicht zu erkennbar bleibt. Der Gesetzestext formuliert daher den Gesetzestext scheinbar neutral als „religiös motivierte extremistische Verbindung“. In den Erläuterungen – dem „Beipackzettel“ zum Gesetz – wird auch kein Hehl daraus gemacht, dass es im Grunde um den „Bereich des Islamismus (z. B. politischer Islam)“ gehe.[9]
Der Widerspruch zwischen der Kommunikation zu dem Gesetz (siehe Punkt 1) und der im Gesetzestext gewählten Formulierung legt den Schluss nahe, dass es sich bei der scheinbar neutralen Formulierung um eine bewusste Umgehungskonstruktion handelt, die als solche benannt werden muss, um die dahinter liegende Absicht und die damit verbundenen Folgen und Auswirkungen zu benennen: Es ist davon auszugehen, dass sich dieses Gesetz in ähnlicher Weise wie das o.a. Kopftuchverbot nachteilig auf die Inklusion von Muslim_innen in Österreich auswirken würde, da das Gesetz de facto eine bestimmte Gruppe von Menschen stigmatisiert.
Zudem weisen Expert_innen wie die Extremismusforscherin Dr.in Daniela Pisoiu vom Österreichischen Institut für Internationale Politik (oiip) darauf hin, dass die Repressionsmittel in der Terrorbekämpfung längst ausgereizt seien. Sie kritisiert die Einführung eines neuen Straftatbestands: „Es stellt sich die grundsätzliche Frage, ob man Extremismus am besten durch Verbote bekämpft.“[10]
3. Gesinnungsstrafrecht
Wir haben bereits im November gemeinsam mit weiteren Organisationen wie der Dokustelle Islamfeindlichkeit & antimuslimischer Rassismus, #aufstehn, der Asylkoordination, dem Black Voices Volksbegehren, den Omas gegen Rechts, epicenter.works und der Antidiskriminierungsstelle ZARA einen offenen Brief unterzeichnet, der die Einführung eines Straftatbestands „politischer Islam“ strikt ablehnt. Darin heißt es:
„Es gibt keine einheitlich wissenschaftlich anerkannte Definition des Begriffs ‚politischer Islam‘. Da es ein Sammelbegriff für unterschiedliche Gruppen mit sich unterscheidenden ideologischen Standpunkten ist. Folglich kann der geplante Straftatbestand zu einer undifferenzierten, sogar unsachgemäßen Verwendung des Begriffs führen. Dies birgt die Gefahr, dass alle Muslim*innen unter Generalverdacht gestellt, von der Exekutive beobachtet, verfolgt und sogar in ihrer Existenz bedroht werden können. Dies kommt einem Gesinnungsstrafrecht gleich, gegen das wir eintreten.“[11]
Diese Einschätzung wird auch von weiteren Expert_innen geteilt, wie dem Islamwissenschaftler Univ.-Prof. Dr. Rüdiger Lohlker[12], dem Strafrechtler Univ.-Prof. Dr. Alois Birklbauer[13], der Juristin und Kriminologin Mag.a Angelika Adensamer, MSc[14] oder dem Verfassungsrechtler Univ.-Prof. Dr. Bernd-Christian Funk[15]. Darüber hinaus wurde von den o.a. Expert_innen mehrfach betont, dass die geplante Strafbestimmung bereits durch geltendes Recht erfasst sei, wie es Funk auf den Punkt bringt: „Hier wird eine Art legistischer Aktionismus gesetzt. […] Es ist ein Akt symbolischer Gesetzgebung.“[16]
4. Schlussfolgerung
Der geplante Straftatbestand „religiös motivierte extremistische Verbindung“ und der damit verbundene Erschwernisgrund sind als Sondergesetze abzulehnen. Die Entstehungsgeschichte zeigt, dass es sich in der politischen Absicht und in der bisherigen Kommunikation immer und ausschließlich um eine selektive, auf eine Religion ausgerichtete strafgesetzliche Bestimmung handelt(e). Das Gesetz bekämpft nicht den Terror, sondern schürt und verstärkt Diskriminierung, insbesondere antimuslimischen Rassismus, und birgt die ernste und besorgniserregende Gefahr eines Gesinnungsstrafrechts.
Die religiös-neutrale Formulierung ist dem Bedarf nach einer Umgehungskonstruktion u.a. auf Grund des VfGH-Erkenntnisses zur Aufhebung des Kopftuchverbots an Volksschulen geschuldet und darf nicht über die politische wiederholt kommunizierte Absicht eines expliziten Straftatbestands „politischer Islam“ – und damit der Stigmatisierung einer religiösen Gemeinschaft in Österreich – hinwegtäuschen.
In diesem Sinne lehnen wir daher als Plattform für eine menschliche Asylpolitik die Einführung des geplanten Straftatbestandes § 247b und eines Erschwernisgrundes in § 33 StGB ab.
Über uns:Die Plattform für eine menschliche Asylpolitik ist ein breiter politischer Zusammenschluss von NGOs, Flüchtlingsinitiativen, politischen Organisationen sowie engagierten Persönlichkeiten. Die Plattform bekämpft Rassismus gegen Geflüchtete, gegen die Schwarze Community und People of Color, antimuslimischen Rassismus, Antisemitismus und alle Formen von Diskriminierung.
[1]Das Programm der Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei zur Nationalratswahl 2017, Teil 3: Ordnung & Sicherheit (Wien, 2017), S. 22; 25
Es sind schockierende Bilder, mit denen das Jahr 2021 beginnt. Tausende Trump-Anhänger_innen rotteten sich am 6. Jänner 2021 vor dem Kapitol, dem Sitz des Repräsentantenhauses und des Senats in Washington D.C., zusammen. das Gebäude von mit Landwaffen und Pistolen bewaffneten Neonazis gestürmt wurde. Rechte besetzten Büros, wie das der Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi, und die Senatskammer. Vor dem Kapitol attackierten Neonazis Journalist_innen, gewalttätige Ku-Klux-Klan-Mitglieder stellten ein einschüchterndes riesiges Kreuz aufgestellt. Wir sehen auf der Weltbühne die Vorboten eines von rechtsextremen provozierten Bürgerkriegs.
Der Putschversuch der „Proud Boys“ war absehbar. Aufbereitet vom scheidenden US-Präsident Donald Trump durch die systematische Verbreitung von Lügen, die Diffamierung der Presse, seine Verachtung für die Demokratie, die Unterstützung von rechtsradikalen Gruppen, Ku-Klux-Klan-Gruppen, evangelikalen Extremisten, der antisemitischen QAnon-„Bewegung“ und anderen „White Supremacists“, dem Schüren von Hass gegen Muslim_innen, der Förderung von Gewalt gegen Frauen und nicht zuletzt durch die Nicht-Anerkennung der Wahl.
Die Situation ist brandgefährlich. Rechtsextreme feiern weltweit. Ihr Selbstbewusstsein wird befeuert durch die Zurückhaltung des Staates. Die Polizei sieht stundenlang zu, greift nicht ein, schreitet schließlich nur zögerlich ein. Sicherheitsmitarbeiter im Kapitol machen Selfies mit Aufständischen. Neonazis schleppen Trophäen und senden Fotos aus dem Kapitol in die Welt. Ganz anders verhielten sich die Staatsorgane bei Protesten von Black Lives Matter, als das Kapitol weiträumig durch schwerbewaffnete Riot Police abgeriegelt wurde. Ein Moderator des Nachrichtensenders CNN kommentierte live: „Stellen Sie sich vor, Muslime hätten das Kapitol gestürmt, was dann passiert wäre…“
Der Aufbau einer starken antirassistischen und antifaschistischen Bewegung auf der Straße und im Parlament ist wichtiger denn je. Unsere Aufgabe ist die gemeinsame Verteidigung von Demokratie, Menschen- und Grundrechten und der Wissenschaft. Die Vereinigten Staaten sind kein isoliertes Land, auch in Österreich sägen FPÖ und ÖVP beständig an den Grundfesten eines solidarischen Miteinanders. Wir benötigen eine breite antirassistische Bewegung mit Muslim_innen, Jüdinnen und Juden, BPOC und Geflüchteten. Wir wollen, dass endlich Menschen aus den Elendslagern in Bosnien und den griechischen Inseln aufgenommen werden. Und wir brauchen eine entschlossene antifaschistische Bewegung, die sich jeder gewalttätigen faschistischen Straßenbewegung (wie es FPÖ, „Identitäre Bewegung“ und neuerdings Rechtsradikale über „Querdenken“ versuchen) in den Weg stellt und im Keim erstickt.
Dafür stehen wir in der Plattform für eine menschliche Asylpolitik. Wir hoffen auf eure Unterstützung, euren Einsatz und eure Energie. Wir brauchen euch.
Das bosnische Flüchtlingscamp Lipa ist abgebrannt. Längst gibt es unzählige Morias entlang der Balkanroute. Die Menschen hungern und fristen im Schlamm, Schnee und Eiseskälte. Die freiwillige Helferin Zehida Bihorac wendet sich in einem dramatischen Appell an die Regierungen Europas. Wir verbreiten den von SOS Balkanroute übersetzten und zuerst veröffentlichten Text.
Europa hat wieder einmal seinen Nachbarn im Stich gelassen, das zweite Mal. Es hat kein Recht alleinig und nur besorgt zu sein, weil genau das beleidigt einen.
Bosnien-Herzegowina ist ein Staat, der sich in Europa befindet, vor den Türen zur Europäischen Union. Ihr lasst uns das zweite Mal im Stich. Sind wir denn etwas weniger Europäer, etwas weniger wert, etwas weniger weiß, im Vergleich zu den anderen?
Wir sind kollektiv am Ende unserer Kräfte, Nerven und Ausdauer. Das alles ist auch hier niemandem egal. Niemanden geht es gut in seiner Haut dieser Tage. Mühsam aufgebaute Nähte der Toleranz und des gegenseitigen Verstehens scheinen völlig zu brechen. Man baut so etwas lange, wisst Ihr…
Ihr könnt nicht alles mit eurem Geld kaufen, die Verantwortung, die Empathie. Macht etwas für diese Menschen und für uns auch. Wir, eure Nachbarn, die Staatsbürger Bosnien-Herzegowinas und des Una-Sana-Kantons. Drei Jahre, seit der Schließung der Balkanroute, leben wir nicht mehr unsere Leben, egal ob bei uns zuhause oder bei einem zwischenmenschlichen Treffen. Das Thema ist das Gleiche: Sorge, Trauer, Qualen und Schmerzen.
Niemanden ist es egal. Die Erkenntnis, dass da draußen – in unserer unmittelbaren Umgebung – Menschen hungern und in der Nässe leben, schmerzt jeden normalen Menschen und das ist ihm oder ihr auch nicht egal. Die Leute werden aufgrund der Kälte anfangen zu sterben und es wird nicht das erste Mal sein, dass die bosnische Erde die Knochen geplagter Menschen zu sich nimmt.
Aber von wem wird das die Schuld sein? Sehr geehrte Damen und Herren, ihr habt kein Recht nur besorgt zu sein. Weder wir, noch sie haben so einen Zustand der Agonie gewählt. Ihr habt aber entschieden, nichts zu tun. Das ist sehr scheinheilig von euch.
2015 fand die damals 6-jährige Dunja nach einem Martyrium, dem syrischen Bürgerkrieg und einer unfassbaren Flucht in Österreich Schutz. Die Freiwillige Feuerwehr Feldkirchen an der Donau bereitete ihr und ihren Freund_innen im Sommer eine freudige Abkühlung. „Ich will Ärztin werden. Dann kann ich meine Mama, wenn sie krank wird, gesund machen“, sagte Dunja damals.
Es sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein: Menschen in Not zu helfen. Menschen eine Zukunft zu ermöglichen. Damit Menschen wieder eine Freude am Leben, Wünsche und Träume haben können. „We want Freedom“, riefen die Menschen nach dem Brand in Moria auf Demonstrationen. Die Elendslager auf den griechischen Inseln müssen geschlossen werden.
Unzählige Organisationen, Initiativen und Persönlichkeiten haben sich längst lautstark geäußert. Sie alle wollen, dass endlich Menschen aufgenommen werden. An vorderster Front die freiwilligen Helfer_innen auf Lesbos wie Doro Blancke, Helga Longin, Ronny Kokert und die Karawane der Menschlichkeit. Initiativen wie Courage mit Katharina Stemberger und SOS Balkanroute.
Kirchliche Verbände, darunter Caritas, Diakonie, die Bischofskonferenz, die Islamische Glaubensgemeinschaft und die Israelitische Kultusgemeinde. Hilfsorganisationen wie der Arbeiter-Samariter-Bund, das Rote Kreuz, die Volkshilfe, Ärzte ohne Grenzen. Die Österreichische Universitätenkonferenz, Schülerorganisationen und die Österreichische Hochschüler_innenschaft.
Unzählige Vertreter_innen aus Kunst, Kultur, Sport und Politik verlangen von der Regierung einen Kurswechsel, sofortige humanitäre Hilfe und ein Ende der Alibi-Aktionen, darunter zahlreiche ÖVP-Bürgermeister_innen und Landesrät_innen. Nicht zuletzt forderte Bundespräsident Alexander van der Bellen auf Aufnahme von schutzsuchenden Menschen in Österreich.