Nein zum Krieg in der Ukraine! Österreich muss Geflüchtete aufnehmen

Foto: Screenshot ORF

Wir verurteilen den Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine auf das Schärfste. Bereits jetzt sind laut UNHCR innerhalb der Ukraine 100.00 Menschen vor den Kämpfen auf der Flucht. Es droht eine humanitäre Katastrophe mit Millionen Flüchtlingen und Binnenvertriebenen. Die Zivilbevölkerung ist immer das erste Opfer von Kriegen. Ihr Schutz muss oberste Priorität haben. Der russische Angriff muss sofort eingestellt und die Truppen müssen unverzüglich abgezogen werden. Amnesty International fordert alle Parteien zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte auf.

„Nachbarschaftshilfe vor Ort“ ist zu wenig. Österreich muss in dieser äußerst gefährlichen Lage auf Verhandlungen und eine diplomatische Lösung – die noch möglich ist – setzen, und sich dabei insbesondere für die Wahrung der Menschenrechte einsetzen. Es braucht dringend eine Abrüstung der Worte und Taten. Als Plattform für eine menschliche Asylpolitik fordern wir ein Ende der Kampfhandlungen, die Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge und den schnellen Aufbau eines unbürokratischen Aufnahmeprogramms für Geflüchtete aus der Ukraine in Österreich.

Neue Plattform „Gemeinsam für Kinderrechte“ gegründet

Weil die Regierung bisher keine einzige Empfehlung der Kindeswohlkommission berücksichtigt hat, gründen Mitglieder nun das Bündnis „Gemeinsam für Kinderrechte“.

von Angelika Koller

Zum ersten Jahrestag der Einsetzung der Kindeswohlkommission wurde der dreizehnjährige Husein S. nach Aserbaidschan abgeschoben. Festgehalten im Abschiebezentrum wurde dem Jungen untersagt zu weinen. Von seinen Freund*innen konnte er sich nicht verabschieden. In Aserbaidschan versucht Husein nun, an dem Schulunterricht in Österreich via Distance-Learning teilzunehmen.

Die Situation erinnert an die Abschiebung der damals 12-jährigen Tina und ihrer kleinen Schwester nach Georgien, die die Gründung der Kindeswohlkommission unter Leitung von Irmgard Griss veranlasste. Bereits im Sommer 2021 legte die Expert*innenkommission einen Bericht vor, der klar besagt: Kinderrechte werden bei Abschiebungen nur unzureichend gewürdigt. Trotz der vielen festgestellten Missstände fand bisher keine Änderung im Umgang mit Kindern im Asyl- und Fremdenrecht statt. Kinderrechte und das Kindeswohl werden Griss zufolge „offenkundig mit Füßen getreten“.

Kindeswohl nicht berücksichtigt

Weil keine der Empfehlungen der Kommission umgesetzt wurden, gründeten einige der Mitglieder nun das Bündnis „Gemeinsam für Kinderrechte“. Mit dabei sind Universitätsprofessor Ernst Berger, der Kinder- und Jugendanwalt Ercan Nik Nafs, Sinaida Horvath von der Refugee Law Clinic der Universität Wien sowie Katharina Glawischnig von der Asylkoordination Österreich. Die Plattform leistet zivilgesellschaftliches Monitoring im Asyl- und Fremdenrechtsbereich und möchte politischen Druck auf Regierende ausüben. Kinderschutz muss im Asylwesen institutionalisiert und im Verfassungsrang beachtet werden.

Abschiebungen sind traumatische Ereignisse, Kindern werden seelische Verletzungen zugefügt, die Spätfolgen sind nicht abzuschätzen. Nicht nur das gewohnte soziale und gesellschaftliche Umfeld wird entrissen, die Zukunftspläne und Perspektiven werden mit einer Entscheidung zerstört. Kinderpsychiater Ernst Berger untermauert die Missstände bei der Präsentation des Bündnisses: „Die Priorität des Kindeswohls ist zwar in der Verfassung angekommen, nicht aber in der Lebensrealität von Kindern und schon gar nicht bei Kindern aus Migrantenfamilien oder Fluchtwaisen.“

„Hoffe, dass Kinderabschiebungen verboten werden“

In Österreich lebende Kinder vermissen ihre Freund*innen und Mitschüler*innen und verlieren das Vertrauen in den Rechtsstaat. Bereits im letzten Jahr formierten sich zahlreiche zivilgesellschaftliche Bewegungen wie #JugendStehtAuf oder #SchulenGegenAbschiebungen gegen die menschenverachtenden Abschiebungspolitik.

Tina, die die Auswirkungen ihrer Abschiebung nun täglich spürt, sagt zur Plattform für eine menschliche Asylpolitik:

„Ich wünsche es wirklich keinem, was ich und meine Familie erleben mussten. Das war eine sehr, sehr schwierige Zeit für uns. Ich hoffe, Politiker werden sich dafür einsetzen, dass Kinderabschiebungen verboten werden. Das kann man Kindern einfach nicht antun, so ein Leben. Man lebt sein Leben und auf einmal wird erwartet, dass man in einem anderen Land weiterlebt wo man die Leute nicht kennt, keine Freunde hat und die Sprache nicht versteht. So etwas darf man Kindern nicht antun. Wenn man etwas kennt und sich daran gewöhnt hat, das ist wie bei Kleinkindern: wenn man ein Kuscheltier, es weggenommen und durch ein anderes ersetzt wird, dann sind die auch nicht zufrieden, weil sie das andere kennen und damit immer gespielt haben, oder gekuschelt, geschlafen haben. Und dann gibt man ihnen ein anderes und sagt: ‚Ja hey, das ist doch quasi dasselbe.‘ Und das ist eigentlich nicht so, weil das ist was ganz anderes.“

Liebe Tina, wir stimmen dir zu: Wir müssen Kinderabschiebungen jetzt stoppen! Die Gründung des neuen Bündnisses ist ein wichtiger Schritt, um dem Kindeswohl zu seinem Recht zu verhelfen.

Gericht bestätigt erneut „teilweise methodische Anwendung“ von „Pushbacks“ aus Österreich

Foto: Metropolico.org (Wikimedia Commons)

Nun besteht kein Zweifel mehr. Schon wieder hat ein Gericht einen illegalen „Pushback“ aus Österreich bestätigt. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark entschied im Fall des jugendlichen somalischen Geflüchteten Amin, dass dessen Zurückweisung durch die Polizei nach Slowenien im Juli 2021 rechtswidrig war. Amin sei „ein fundamentales Recht auf Einleitung eines Asylverfahrens“ genommen worden. Inzwischen hat Amin in Slowenien Asyl erhalten.

Amin hat zunächst bei steirischen Polizisten mehrmals um Asyl angesucht und dabei das englische Wort „asylum“ verwendet, das die Beamten hätten verstehen müssen. Aber nur wenige Stunden danach haben ihn die Beamten wieder über die Grenze bei Sicheldorf nach Slowenien deportiert. Das Gericht erklärte die Zurückweisung nach dem geschilderten Verfahrensablauf für illegal. Das Urteil ist schwerer Schlag gegen das ÖVP-geführte Innenministerium.

Gericht bekräftigt Urteil

Das Gericht wiederholte, dass „Pushbacks“ in Österreich „teilweise methodische Anwendung finden“ – eine Erkenntnis, die das Gericht bereits vergangenen Sommer im Fall eines 21-jährigen Marokkaners sowie sechs weiterer Geflüchteter festgestellt hat. Alle Fälle haben die Initiative Alarm Phone Austria und die Asylkoordination Österreich dokumentiert. Die aktuelle Entscheidung ist der nächste Erfolg von Anwalt Clemens Lahner für die Durchsetzung der Menschenrechte.

„Die Argumentation des Innenministeriums, dass es keine Pushbacks in Österreich gibt, ist nicht mehr haltbar“, sagt Lahner gegenüber dem Kurier. Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination fordert im Ö1-Morgenjournal Aufklärung: „Ist das hier ein kalkulierter Rechtsbruch oder ein systemisches Führungsversagen? Es braucht klare Sanktionen für rechtswidriges Handeln der Polizist*innen und eine Sicherstellung, dass die Rechte der Schutzsuchenden gewahrt bleiben.“

Koalitionsthema

Das Thema Pushbacks ist damit endgültig in der türkis-grünen Koalition angekommen. Während ÖVP-Innenminister Gerhard Karner seine Beamten in Schutz nimmt, prangert der grüne Asylpolitiksprecher Georg Bürstmayr die neuerliche „schwere Menschenrechtsverletzung“ an. „Das lässt sich nicht einfach wegreden oder ignorieren“, sagt Bürstmayr. Er fordert Konsequenzen, ansonsten könnten in vielen kleinen Schritten rasch „absolut unmenschliche Verhältnisse entstehen“.

Österreich macht sich unmittelbar mitschuldig an den Verbrechen gegenüber Asylsuchenden. Es sind nicht nur die kroatische Polizei oder griechischen Behörden, die Menschen wiederholt illegal zurückweisen und ihnen das Recht auf Asyl verwehren. Die rechtswidrige Praxis der „Pushbacks“, die auch von österreichischen Beamten angewandt und von der Europäischen Union (EU) toleriert wird, muss endlich aufhören. Wir verlangen Konsequenzen von der Bundesregierung.

Antirassismus und Klimakrise sind nicht „staatsgefährdend“, sondern gehen uns alle an!

Foto: Murtaza Elham

Heute wurde der Verfassungsschutzbericht 2020 veröffentlicht. Darin werden tatsächlich „Antifaschismus, […] die COVID-19-Pandemie, die Flüchtlingsproblematik, die Klimakrise, die Kurdenthematik und ‚Black Lives Matter‘-Aktivitäten“ als „linksextremistische“ Themenfelder aufgefasst. Zivilgesellschaftliche Großdemonstrationen werden zu „schützenden Umfeldern“ von „Linksextremisten“ zum „Ausleben ihrer Gewaltbereitschaft“ umgedeutet.

Wir haben im Jahr 2020 als Plattform für eine menschliche Asylpolitik zu den Black Lives Matter-Protesten und Klimastreiks aufgerufen sowie selbst Großdemonstrationen organisiert (u.a. „Voices for Refugees“ zusammen mit der Volkshilfe Österreich). Wir verwehren uns gegen diese versuchte Diffamierung und Kriminalisierung von zivilgesellschaftlichem Engagement. Die Unterstellung, uns ginge es nicht um die Sache, sondern um bloße „Gewaltbereitschaft“, ist unerhört.

Antifaschismus, Antirassismus und Kampf gegen die Klimakrise sind nicht „staatsgefährdend“, sondern gehen uns alle an! Gerade in Zeiten, in denen gewaltbereite Neonazis beinahe wöchentlich unter Polizeischutz aufmarschieren, Muslim*innen, Jüdinnen und Juden, Geflüchtete und andere von Diskriminierung betroffene Menschen sich nicht mehr sicher fühlen, und die Auswirkungen der Klimakrise für alle spürbar werden, ist unser zivilgesellschaftlicher Protest wichtiger denn je.

Entschuldigung und Entschädigung statt Abschiebeabkommen!

Foto: Screenshot ORF

Die ÖVP hat nicht nur ein riesiges Korruptionsproblem, sondern ein gewaltiges Rassismusproblem. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck bezeichnete heute Afrika allen Ernstes als „nicht nur ein Land, aus dem Flüchtlinge kommen“, sondern eines „voller junger Menschen, die hochdigitalisiert sind“. Afrika dürfe man nicht China überlassen. Dabei war es Schramböck nicht peinlich, von Afrika „Partnerschaften auf Augenhöhe“ zu fordern, denn diese dürften „nicht nur einseitig sein, die Kolonialzeiten sind schon lange vorbei“.

Dabei sind gerade Schramböcks Äußerungen von rassistischen Stereotypen und neo-kolonialistischen Haltungen durchzogen. Afrika ist ein Kontinent, und kein Land. Sie bedient sich eben genau der Rhetorik aus der Kolonialzeit, die sie scheinbar kritisiert, um den imperialistischen Wettstreit mit China um die Ausplünderung der Ressourcen afrikanischer Länder zu befeuern. Während gleichzeitig mehr und mehr Rückführungs- und Abschiebeabkommen mit afrikanischen Ländern abgeschlossen werden.

Ein echter Dialog auf Augenhöhe würde bedeuten, endlich die Schulden für die (Neo-)Kolonialzeit zu begleichen und die Ausbeutung des afrikanischen Kontinents durch den Westen zu beenden. Es braucht dringend eine Entschuldigung, Entschädigungszahlungen und die sofortige Aussetzung aller Rückführungs- und Abschiebeabkommen.

Zum Tag des transnationalen Migrant*innenstreiks am 1. März 2022: Empowering Migrant Women im Parlament!

Empowering Migrant Women: Die Diaspora als Sprachrohr für Frauen- und Migrantinnenrechte | Veranstaltung auf Facebook

Eine Veranstaltung von Ewa Ernst-Dziedzic und Faika El-Nagashi mit der Plattform für eine menschliche Asylpolitik

Frauen übernehmen in vielen globalen Konflikten eine wichtige Rolle: Sie kämpfen um ihre Rechte inmitten oft gewaltvoller politischer Auseinandersetzungen, von denen sie selbst massiv betroffen sind. Sie fordern ihre körperliche Unversehrtheit, ihre Selbstbestimmung, ihre ökonomische Unabhängigkeit und eine friedliche Zukunft. Sie sind unbeugsame Rebellinnen gegen gegen autoritäre Regimes und faschistische und terroristische Strömungen. Und sie sind auch die Pionierinnen des demokratischen Wiederaufbaus, oft nach nach Jahrzehnten der Unterdrückung.

In Österreich sind sie Teil der Diaspora und engagieren sich weiter politisch für Frauenrechte hier und dort. Als Migrantinnen und als Geflüchtete schaffen sie auch in Österreich Räume des Widerstands und des Engagements für Frauenrechte, Demokratie und Dialog.

Anlässlich des transnationalen Migrantinnenstreiktags am 1. März und im Vorfeld des internationalen Tags gegen Rassismus (21. März) diskutieren wir mit mutigen politisch engagierten Frauen, die über die Diaspora hinaus ihre Stimme für die Rechte von Frauen, Migrantinnen und Geflüchteten erheben.Begrüßung durch NR-Abg. Faika El-Nagashi, Integrationssprecherin:

Integrationspolitik zur Stärkung von MigrantinnenrechtenBegrüßung durch NR-Abg. Ewa Ernst-Dziedzic, Außenpolitische Sprecherin:
Frauenrechte weltweit: Außenpolitik als FriedenspolitikDanach Diskussion mit:

  • Ishraga Mustafa Hamid (Aktivistin und Schrifstellerin): Sudan
  • Zahra Hashimi (Aktivistin): Afghanistan
  • Selma Jahić (Zeitzeugin): Bosnien und Herzegowina/Balkan
  • Iryna Piarvoikina (Politikwissenschaftlerin): Belarus
  • Celia Mara (Künstlerin und Aktivistin): Brasilien/Lateinamerika

Moderation: Judith Ranftler, Plattform für eine menschliche Asylpolitik/Volkshilfe Österreich

Anschließend Ausklang mit veganen Brötchen & Getränken

Achtung: Für den Eintritt in das Gebäude ist ein Lichtbildausweis erforderlich! Während der Veranstaltung gilt FFP2-Maskenpflicht. Für den Zutritt gilt die 2Gplus-Regel (geimpft oder genesen UND PCR-getestet). PCR-Tests haben eine Gültigkeit von 48 Stunden.

Einlass ab 17:30 Uhr

Beginn (pünktlich): 18:00 Uhr

Begrenzte Teilnehmer:innenzahl, Anmeldung bis 24. Februar unter martha.weicher@gruene.at

Solidarität mit Alev Korun! Beamter bezeichnete antirassistische Politikerin als „Hexe“ und wollte sie „in der Donau versenken“

Foto: Parlamentsdirektion / Bildagentur Zolles KG / Mike Ranz

Der Spiegel, der die neuen Nachrichten veröffentlichte, berichtet außerdem von diskriminierenden Äußerungen im Kreis jener, die Sebastian Kurz zur Macht verholfen haben. So beschwert sich eine Mitarbeiterin über eine Ministerin, weil diese zu LGBT-freundlich sei: „Seit wann goutiert die ÖVP eine Zeremonie bei den Homos?“ Erst gestern veröffentlichte der Standard Chats, in denen sich die ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner über die SPÖ echauffierte: „Die Roten bleiben Gsindl!“

Wieder sind neue Details aus den Chatprotokollen aus dem Umfeld der ÖVP bekannt geworden. So soll ein Staatsdiener während einer Rede der antirassistischen Politikerin Alev Korun (von 2008 bis 2017 Nationalratsabgeordnete) im österreichischen Parlament gefragt haben: „Warum hat diese Hexe noch niemand in der Donau versenkt? Ich glaube, weil sie die Donau von Passau bis ins Schwarze Meer vergiften würde.“ Wir sind entsetzt und drücken Alev Korun unsere volle Solidarität aus.

Der Spiegel untermauert auch weiter, wie das Team um Kurz gezielt Rassismus eingesetzt hat, um an die Regierung zu kommen. So soll sein Chefstratege Stefan Steiner im Innenministerium unter Wolfgang Sobotka, inzwischen Parlamentspräsident, eine eigene Kleiderverordnung bestellt haben: „Könnt ihr nicht sagen: eine Polizistin mit Kopftuch wird es nicht geben. Wird dazu eine Klarstellung im Erlass bzw. Uniformtrageordnung geben. Wäre das denkbar für euch?“

Kurz darauf erklärt Sobotka öffentlich, dass es für ihn nicht infrage komme, „dass Polizistinnen während ihres Dientes ein Kopftuch tragen“. Auch die bestellte Änderung der Kleiderordnung stellt er in den Raum. Oliver Das Gupta fasst im Spiegel das Thema Kopftuchverbot zusammen: „Es ist offensichtlich ein Baustein im Plan von Sebastian Kurz und seinen Getreuen wie Steiner, um die Macht zu übernehmen: zuerst die Zentrale der Volkspartei ÖVP und dann das Kanzleramt.“

Offener Brief: Muslim* Contemporary und Solidarische wehren sich gegen rassistischen Diffamierungsversuch

Foto: Minitta Kandlbauer

Kurz vor Weihnachten 2021 versuchte die türkise Wiener ÖVP die Kunstausstellung Muslim*Contempory mit widerlichen rassistischen Unterstellungen, Zuschreibungen und Kampfbegriffen wie „politischer Islam“ zu diskreditieren. Die Ausstellung, die bereits im November an der Akademie der Bildenden Künste gezeigt wurde, behandelte die rassistische Polizeiaktion „Operation Luxor“. Damit dürfte die ÖVP offenbar ein Problem haben. Wir erklären uns solidarisch und drucken den offenen Brief der Initiator*innen, der von zahlreichen Kulturinstitutionen und Interessensvertretungen mit unterzeichnet wurde, an dieser Stelle ab.

Von 8. bis 12. November 2021 fand an der Akademie der bildenden Künste in Wien zum ersten Mal die multidisziplinäre, anti-rassistische und feministische Ausstellung Muslim* Contemporary (1) statt. Die Ausstellung mit unterschiedlichen künstlerischen und vermittelnden Formaten bot muslimischen und muslimisch gelesenen Künstler:innen(2) sowie allen dialoginteressierten Menschen einen Raum, die Rolle ihrer Partizipation in der österreichischen Gesellschaft und ihre Alltagserfahrungen mit künstlerischen Mitteln auszuverhandeln. Für die Teilnehmenden war es ein Raum des künstlerischen Austauschs, der Bestärkung, des Dialogs und des Lernens.

Mit Muslim* Contemporary wurde nicht nur ein inklusiver Raum geschaffen, sondern auch ein kritischer. Die Ausstellung fand zum ersten Jahrestag der „Operation Luxor“ statt und behandelte diese größte polizeiliche Aktion der Nachkriegszeit mit den Mitteln der Kunst und des Dialogs aus der Perspektive der Betroffenen. Teile der „Operation Luxor“ wurde mittlerweile vom Oberlandesgericht Graz für rechtswidrig erklärt und das harte und überschießende Vorgehen der Exekutive scharf kritisiert.(3) Viele polizeiliche Maßnahmen wurden per Gericht aufgehoben. Maßgeblich beteiligt an der Operation war das unter dem Einfluss der ÖVP stehende ehemalige BVT (Innenministerium). (4)

Am 20. Dezember stellten nun die beiden ÖVP-Gemeinderätinnen Laura Sachslehner und Caroline Hungerländer als Reaktion auf die Ausstellung eine schriftliche Anfrage im Gemeinderat.(5) Ihre darin geäußerten Vorwürfe sehen von jedweder Auseinandersetzung mit den künstlerischen Arbeiten ab. Stattdessen werfen sie den involvierten Künstler:innen vor, schon durch das bloße Sprechen über den Rassismus, den sie tagtäglich als Muslim:innen erfahren, ein „Narrativ des politischen Islam“ zu übernehmen. Außerdem, so der Vorwurf, wäre die Beziehung einiger Künstlerinnen zur Muslimischen Jugend Österreich ein weiteres Indiz für ihr angebliches „Naheverhältnis zum politischen Islam”. Die Muslimische Jugend Österreich, die mit Projekten wie „MuslimInnen gegen Antisemitismus” für ihre feministische und kritische Arbeit bekannt ist, wird also ebenfalls angegriffen. Hierbei bezieht sich die ÖVP-Anfrage auf einen Bericht der „Dokumentationsstelle Politischer Islam”, die 2020 unter türkis-grün eingesetzt wurde und deren Arbeit seither immer wieder heftig kritisiert wird (beispielsweise die unrühmliche “Islam-Landkarte”(6), die international für Empörung sorgte).

Wir weisen diese Argumentation der ÖVP aufs Schärfste zurück und möchten mit großer Sorge auf diesen ÖVP-Angriff auf Kunstfreiheit und die muslimische Zivilgesellschaft aufmerksam machen. In ihren Vorwürfen nimmt die ÖVP-Anfrage weder auf die künstlerische Arbeit noch auf den Inhalt der Ausstellung Bezug.

Wovor anerkannte Expert:innen gewarnt haben(7), scheint jetzt einzutreten: Der vage Begriff „politischer Islam“ wird abermals von der ÖVP instrumentalisiert, um Muslim:innen und rassismuskritische Stimmen anzugreifen, einzuschüchtern und zu kriminalisieren. Künstler:innen of Color, die (teils rechtswidrige) ÖVP-Rechtspolitik kritisieren und künstlerisch den Rassismus verarbeiten, den sie tagtäglich erleben, wird in verschwörungstheoretischer Manier „ein Naheverhältnis zum politischen Islam“ unterstellt. Diese Vorwürfe erinnern an den rechtskonservativen Diskurs des Links-Islamismus (Islamo-Gauchisme), wie wir ihn aus Frankreich kennen, der sich gegen verschiedene Formen anti-rassistischer, postkolonialer oder feministischer Kritik richtet.

Weiters unterstellt die ÖVP-Anfrage den beiden Politikerinnen Mireille Ngosso (SPÖ) und Faika El-Nagashi (Die Grünen)  auf Basis einer ebenso fragwürdigen Schlussfolgerung „linksextreme Gewaltbereitschaft“. Auf einem Foto, das bei der Ausstellung entstanden ist, seien die beiden mit erhobener Faust abgebildet. Wie weithin bekannt, ist die erhobene Faust unter anderem ein etabliertes Zeichen für anti-rassistische Bestrebungen für die Rechte und Gleichbehandlung Schwarzer Menschen. Die ÖVP-Vorwürfe zeugen von Unwissenheit und sind so wild zusammengewürfelt, dass der Eindruck entsteht, die ÖVP konstruiere Vorwürfe, um anti-rassistische, feministische, kritische Stimmen zu diskreditieren und einzuschüchtern.

Zudem kann das Verhalten der ÖVP anti-rassistischen und feministischen Nachwuchskünstler:innen of Color die finanzielle Grundlage für ihre Arbeit entziehen. Durch die Anfrage und die haltlosen darin geäußerten Vorwürfe entsteht nicht zuletzt ein administrativer Mehraufwand. Diese politische Strategie, um kritische Stimmen, die sich gegen Rechtspolitik stellen, mit den Mitteln der Bürokratie mundtot zu machen, kennen wir bereits von der FPÖ und wendet auch die vom deutschen Verfassungsschutz als „Rechtsextremismus-Verdachtsfall“ eingestufte(8) AfD in Deutschland seit Jahren an.(9) Ob ein künstlerisches Projekt förderwürdig und qualitativ hochwertig ist, haben nicht politische Parteien, sondern etablierte Künstler:innen und Kunstinstitutionen zu entscheiden.

Wir sehen in diesem Manöver der ÖVP daher den Versuch, die Freiheit der Kunst und Meinungsfreiheit einzuschränken. 

Muslim* Contemporary war ein Raum, in dem mit künstlerischen Mitteln Fragen von Diskriminierung, Repräsentation und Teilhabe diskutiert und kritisch reflektiert wurden. Außerdem hieß die Ausstellung Menschen willkommen, denen der Zugang zu etablierten Kulturinstitutionen aufgrund struktureller Diskriminierung oftmals erschwert wird. Trotz dieser Signifikanz war es verglichen mit anderen Kunstausstellungen in Wien eine kleine Veranstaltung, die ganz wesentlich von ehrenamtlichem Engagement getragen wurde. Wir nehmen es daher als besonders alarmierend wahr, dass diese kleine, aber kritische Kunstausstellung von  ÖVP-Politikerinnen mit so zweifelhaften und schwerwiegenden Vorwürfen angegriffen wird.

Unsere Frage an die ÖVP lautet daher: Nutzt die ÖVP die neu eingesetzte „Dokumentationsstelle politischer Islam“ um zivilgesellschaftliche Akteur:innen, die ÖVP-Politik kritisieren, einzuschüchtern, um anti-muslimische Rassismen in der Gesellschaft zu verstärken, und um Künstler:innen die Förderwürdigkeit abzusprechen sowie Bürger:innen zu diskreditieren? 

Da bei uns dieser Eindruck entstanden ist, verstehen wir die ÖVP-Anfrage nicht nur als Angriff auf Künstler:innen, die muslimische Zivilgesellschaft sowie Politikerinnen of Color, sondern zudem als schwerwiegenden Angriff auf die Kunstfreiheit und kritische Stimmen ganz allgemein. 

Wien, 8. Februar 2022

Verfasserinnen des Briefes:

Asma Aiad – Kuratorin von Muslim*Contemporary, Künstlerin, Aktivistin
Anahita Neghabat – Sozialwissenschaftlerin und Künstlerin
Dr.in Mireille Ngosso – Landtagsabgeordnete und Gemeinderätin SPÖ Wien

Dieser offene Brief wurde bereits gezeichnet von:

Mag. Dr. Johan Frederik Hartle – Rektor, Akademie der bildenden Künste WienMag.a Dr.in

Ingeborg Erhart – Vizerektorin für Kunst und Lehre, Akademie der bildenden Künste Wien

Prof.in. Dr.in Marina Gržinić – Professorin am Institut für bildende Kunst, Akademie der bildenden Künste Wien
Ivet Ćurlin, Nataša Ilić und Sabina Sabolović (WHW) – Direktorinnen der Kunsthalle Wien

Ricarda Denzer – Künstlerin, im Vorstand der Secession, Lehrende an der Universität für Angewandte Kunst

Esma Bošnjaković – Künstlerin

Judith Rohrmoser – Künstlerin

Tobias Herzberg – Universitätsassistent, Universität für angewandte Kunst Wien

Mag.iur Anna Steiger – Vizerektorin für Personal & Gender TU Wien

Peter Wesely – Journalist, Pressereferent, Verein Wirtschaft für Integration

Muslimische Jugend Österreich

Dr. Bernhard Lauxmann – Universitätsassistent post.doc, Universität Wien, Institut für Praktische Theologie und Religionspsychologie

Univ.-Prof. Mag. PhD. Elke Krasny – Professorin am Institut für das künstlerische Lehramt, Akademie der bildenden Künste Wien

Luisa Ziaja – Kuratorin für zeitgenössische Kunst, Belvedere21 Wien

Prof. Farid Hafez – Visiting Professor of International Studies, Williams College

Mag. Andreas Ferus, MSc – Leiter Universitätsbibliothek, Akademie der bildenden Künste Wien

Jo Schmeiser – Regisseurin, Universität für Angewandte Kunst / Abteilung Kunst und Kommunikative Praxis

Cocon – Verein zur Entwicklung und Umsetzung von Kunstprojekten

Petra Poelzl – Künstlerische Leiterin & Geschäftsleiterin, Kunstpavillon & Neue Galerie Innsbruck

Tiroler Künstler:innenschaft

Vorstand Frauen*Volksbegehren

Michael Strasser – Künstler, Vorstandsmitglied Tiroler Künstler:innenschaft

Karl Öllinger – Abgeordneter zum Nationalrat a.D. (die Grünen)

Rikki Reinwein – Präsidentin der Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs -Zentralverband

Univ.-Prof. Mag. Dr. Elke Gaugele – Professorin im Fachbereich Moden und Styles, Akademie der bildenden Künste Wien

Natascha Strobl – Politikwissenschaftlerin

Marlene Engel – Musikdramaturgin Volksbühne Berlin

ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit

Arts Rights Justice Austria

Team ausARTen – Perspektivwechsel durch Kunst aus München

Gabi Gerbasits – IG Kultur Österreich

Carla Bobadilla und Almut Rink – Vorsitzende IG Bildende Kunst 

Daniela Koweindl – Kulturpolitische Sprecherin, IG Bildende Kunst

IG Kultur Wien

IG freie Theaterarbeit

Sozialistische Jugend Österreich

Brunnenpassage

Salam Oida – Verein zur Förderung von Vielfalt in Kunst und Kultur 

kulturen in bewegung

Galina Baeva – Obfrau Verein oca: migrations, minorities, arts

D/Arts

Sheri Avraham – D/Arts Projektbüro für Diversität und urbanen Dialog

Sophie Lingg – Universitätsassistentin, Fachbereich Kunst und Bildung, Akademie der bildenden Künste Wien

Judeobolschewiener*innen

Natalie Ananda Assmann – Theaterschaffende und Kuratorin

Larissa Felicitas Huber – Queer Feministisches Referat der ÖH, Akademie der bildenden Künste Wien

Elisabeth Lechner – Kulturwissenschaftlerin

Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreich (VBKÖ)

Mag. Dr. Bernhard Lauxmann – Institut für Praktische Theologie und Religionspsychologie, Uni Wien

Dr. Benjamin Opratko – Post-Doc Researcher, Uni Wien

Muhammet Ali Baş – Kulturvermittler und Autor

Calimaat – Künstler

Dr. Cornelia Kogoj – Initiative Minderheiten

Black Voices – Anti-Rassismus Volksbegehren

Andreas Peham, Rechtsextremismusforscher

Kollektiv un_gefragt

Maria Anna Kollmann, Dachverband der Filmschaffenden

Kulturrat Österreich

ASSITEJ Austria – Junges Theater Österreich

Evelyn Shi , Landesvorsitzende Junos Wien

Yousef Hasan , Stellvertretender Landesvorsitzender Junos Wien 


(1) Zur Muslim* Contemporary Website: https://bit.ly/3H6zxdm
(2) „Muslimisch gelesen“ bedeutet, dass manche Menschen, unabhängig von ihrer eigenen Identifikation, von anderen als Muslim*innen wahrgenommen werden.
(3) Kritik an der „Operation Luxor”: https://bit.ly/3H5rQnJ
(4) Zusammenfassung der Ereignisse rund um „Operation Luxor”: https://bit.ly/349gZdQ
(5) Schriftliche ÖVP-Anfrage: https://bit.ly/3494XBe
(6) Zur “Islam-Landkarte” des Integrationsministeriums: https://bit.ly/3AMusoj
(7 )Zwei ausführliche Kritiken: 1) https://bit.ly/3rSQ8Ly 2) https://bit.ly/3G334Dm
(8) Zur Einstufung der AfD als rechtsextrem: https://bit.ly/3G1gWOM
(9) Mehr Information zu dieser rechtspolitischen Strategie: 1) https://bit.ly/3tZICRC 2) https://bit.ly/35qnVnKCopy

#Sideletter: Endlich antimuslimischen Rassismus benennen!

Foto: Jakob Alexander

In den jüngst bekannt gewordenen „Sideletter“, also geheimen Zusatzvereinbarungen zwischen den Regierungsparteien, haben Grüne und ÖVP offenbar Posten im ORF gegen ein rassistisches Kopftuchverbot für Lehrer*innen abgetauscht. Nicht nur, dass man die Öffentlichkeit, Wähler*innen und Parteigremien, getäuscht hat, vor allem der Inhalt ist empörend. Wir sind schockiert, wie selbstverständlich es noch immer ist, Politik auf den Köpfen von Muslim*innen, vor allem muslimischen Frauen, zu machen.

Die Veröffentlichungen haben für viel Verunsicherung gesorgt. Zunächst: Nein, es ist derzeit kein weiteres Kopftuchverbot geplant. Der Verfassungsgerichtshof hat im Dezember 2020 das Kopftuchverbot für Schülerinnen in Volksschulen gekippt. Wir haben die damalige Entscheidung als wichtigen Etappensieg im Kampf gegen antimuslimischen Rassismus begrüßt und gefeiert. Das Gericht hat damit weiteren Kopftuchverboten vorerst einen Riegel vorgeschoben.

Die Dokustelle Islamfeindlichkeit & antimuslimischer Rassismus zeigt immer wieder mit akribisch recherchierten Analysen und Fallbeispielen, wie antimuslimischer Rassismus den Alltag von Muslim*innen einschränkt. Auch die aktuelle Debatte hat erneut antimuslimische Tendenzen befeuert. Die Dokustelle verlangt „eine umfassende Aufklärung der menschenrechtsverachtenden Vereinbarungen und bitten die Verantwortlichen dazu Stellung zu nehmen“.

Die grüne Nationalratsabgeordnete Faika El-Nagashi fordert ebenso eine „Klarstellung“ und darüber hinaus einen Dialog mit den Betroffenen. „Wir brauchen eine offene Diskussion über Rassismus in der Politik und wir brauchen klare antirassistische Haltungen, mit denen wir Politik machen. Innerhalb der eigenen Partei und über Parteigrenzen hinweg“, sagt El-Nagashi. Unterstützung bekommt sie etwa von ihrer Parteikollegin im Nationalrat,

Dass es in den Diskussionen rund um die Sideletter vor allem wieder um Fragen machtpolitischer Auseinandersetzungen geht (kritisiert wird vor allem, dass die ÖVP das Papier an die Öffentlichkeit gespielt hat), ist leider symptomatisch für den Umgang mit Rassismus in Österreich. Als Plattform für eine menschliche Asylpolitik stehen wir auf Seite der Betroffenen und fordern endlich eine entschlossene Haltung in der Politik gegen antimuslimischen Rassismus. Dafür stehen und kämpfen wir.Foto: Jakob Alexander

#YesWeCare! Solidarität mit dem Gesundheits- und Pflegepersonal

#YesWeCare!
Sonntag, 19. Dezember 2021, 18:30 Uhr
Wiener Ringstraße

Wir schließen uns dem Lichtermeer in Gedenken an die über 13.000 Opfer der Pandemie an und drücken unsere Solidarität mit dem Gesundheits- und Pflegepersonal aus. Die Angriffe auf unsere Kolleg*innen aus den Reihen der von Rechtsextremen angeführten Coronaleugner*innen sind absolut inakzeptabel. Wir fordern nicht nur Wertschätzung, sondern höhere Bezahlung, mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen.

Seit Wochen schüren FPÖ und Neonazis Hass und Angst, um ihrem Ziel, dem Aufbau einer faschistischen Straßenbewegung, näher zu kommen. An den Wochenenden nehmen sie die zentralen Plätze in Österreich ein. Ihre Anhänger*innen terrorisieren dabei Journalist*innen, Muslim*innen und Jüdinnen und Juden. Das solidarische Lichtermeer kann das Moment sein, an dem wir diese Dynamik umkehren. Wir holen uns die Plätze zurück.

Wir bedanken uns bei Daniel Landau und Roman Scamoni für die wichtige Initiative! Wir treffen uns als Plattform für eine menschliche Asylpolitik am Sonntag, 19. Dezember um 18:30 Uhr beim Burgtheater. Um 19:00 Uhr werden wir die Fahrbahn einnehmen und die Lichterkette um den Ring schließen. Setzen wir ein starkes Zeichen der solidarischen Zivilgesellschaft. Die Pandemie bekämpfen wir gemeinsam und grenzüberschreitend.