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Lipa-Camp in Bosnien brennt! Kanzler Kurz und EU verantwortlich

Foto: Istraga.ba

Das nächste Flüchtlingslager brennt: #Lipa in der Nähe der Stadt Bihać im Nordwesten von Bosnien und Herzegowina, nur wenige Kilometer von der EU-Außengrenze zu Kroatien entfernt. 1.200 Menschen stehen vor dem völligen Nichts. Schätzungen zufolge sind nun insgesamt 3.000-3.500 geflüchtete Menschen in der Region ohne Obdach.

Das Camp wurde von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) betrieben und durch die Europäische Union (EU) finanziert. Die EU hat die Zahlungen im November eingestellt. IOM warnte seit Monaten, dass das Zeltlager nicht winterfest sei: es gibt keine festen Unterkünfte und es fehlen Anschlüsse für Strom und Wasser. Nun ziehen sich das Rote Kreuz und IOM aus dem Lager zurück.

Zuvor hatte IOM die Regierung in Sarajevo vor die Wahl gestellt: Entweder würde das Lager zumindest wintertauglich gemacht werden, oder die Organisation müsse den Betrieb einstellen. Nach langen Verhandlungen schien Anfang der Woche eine Lösung gefunden: Die Menschen sollten vorrübergehend im Lager „Bira“ in Bihać unterkommen.

Die Lokalregierung in Bihać weigert sich allerdings, die Menschen aufzunehmen. Sie hat Bira selbst im Sommer räumen lassen. Die Menschen werden erneut zum Spielball. Die europäischen Regierungen treiben schutzsuchende Menschen in der härtesten Jahreszeit aus einer ohnehin unwürdigen Lagersitution ins völlige Nichts: in Wälder, Felder und verlassene Gebäude.

Nun brennt auch Lipa ab. Menschen, die bereits alles verloren haben und seit Monaten von der Grenzpolizei und Behörden gedemütigt und verprügelt werden, sind völlig verzweifelt. Kanzler Kurz und die EU haben diese weitere, entsetzliche humanitäre Katastrophe zu verantworten. Es braucht endlich eine Abkehr von der mörderischen Asyl- und Migrationspolitik.

Bundespräsident fordert Aufnahme von Geflüchteten: „Wir haben Platz genug!“

Foto: Peter Lechner

„Wir haben Platz genug!“ Bundespräsident Alexander Van der Bellen fordert die Aufnahme von Geflüchteten aus den griechischen Elendslagern!

Über die Kleine Zeitung fordert er von der Regierung: „Setzen wir eine humanitäre Geste im Sinne Erster Hilfe. Die kann nur heißen, prioritär Familien mit Kindern dort herauszuholen.“

Bundeskanzler Sebastian Kurz muss nun endgültig seine Verweigerungshaltung aufgeben. Lassen Sie uns helfen!

Vorsitzender der Bischofskonferenz fordert Aufnahme von Schutzsuchenden

Foto: Screenshot ORF

Der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz und Erzbischof von Salzburg, Franz Lackner, forderte in der ORF-Sendung ZiB2 am Sonntag die Evakuierung und Schließung der griechischen Flüchtlingslager auf den Inseln und die Aufnahme von Menschen in Österreich.

Alle Institutionen seien angesichts dieser „humanen Katastrophe kurz vor Weihnachten“ gefordert zu helfen, so Lackner. Niemand könne sich von der Verantwortung entbinden. In einem ersten Schritt müssten die Lager auf den Inseln geschlossen und die Menschen auf das Festland gebracht werden.

„Jetzt scheint mir der Moment gekommen zu sein, wo vor allem Familien mit Kindern von dort aufgenommen werden, auch von Österreich“, sagte Lackner. Dies sei „mehr als notwendig und nicht nur ein Akt der Barmherzigkeit“. Je mehr Menschen aufgenommen würden, desto besser.

Salzburg hat Platz! Protest für Aufnahme von Schutzsuchenden

Foto: Solidarisches Salzburg

Über 100 Menschen sind heute (20. Dezember 2020) dem Aufruf des Bündnisses Solidarisches Salzburg gefolgt und protestierten für die Aufnahme von Geflüchteten. Über die Salzach wurde ein riesiges Banner gegen die „Festung Europa“ (Fortress Europe) gespannt. Eine großartige Aktion! Herzlichen Dank den Organisator_innen und Teilnehmenden!

Christine Dürnfeld, eine der Sprecherinnen sagte: „Vor unserer Haustür, in den bosnischen Lagern, drohen Menschen in der Kälte zu erfrieren. Im griechischen Moria müssen Kinder in überfluteten Lagern leben, wo sie von Ratten gebissen werden. Ist das, worauf Kanzler Kurz stolz ist?“ In der Linzerstraße wurden Kerzen aufgestellt, um auf die dramatische Situation an den EU-Außengrenzen aufmerksam zu machen.

Danke, Salzburg!

Gepostet von Solidarisches Salzburg am Sonntag, 20. Dezember 2020

„Es wird nicht ohne hässliche Bilder gehen“: 3-jähriges Mädchen in Kara Tepe vergewaltigt

2016 erklärte der damalige Außenminister Sebastian Kurz: „Es wird nicht ohne hässliche Bilder gehen.“ Am Abend des 14. Dezember wurde den Toilettenräumen im Flüchtlingslager #KaraTepe auf der griechischen Insel Lesbos ein dreijähriges afghanisches Mädchen blutend und halb bewusstlos nach einer Vergewaltigung aufgefunden. Ein drei Jahre altes Kind.

Es reicht! Jeden Tag eskaliert die Lage auf Lesbos mehr. Überschwemmungen, Matsch, Läuse, Ratten und Schlangen. Immer wieder kam es zu Vergewaltigungen und sexuellen Misshandlungen. Das Lager muss endlich und ohne weitere Verzögerung evakuiert werden. Der Bundeskanzler muss uns helfen lassen, oder abtreten.

Das Mädchen ist noch im Krankenhaus. Die Helferin Doro Blancke konnte dank großzügiger Spender_innen und durch die Unterstützung von Katerina und Nikos von der Initiative #HomeForAll sofort eine Wohnung für die Familie in Mytilini organisieren. Sie kümmern sich um eine psychologische Betreuung und die Schule.

Wir rufen zum Lichtermeer für Moria vor das Außenministerium am Minoritenplatz in Wien: Am Donnerstag, 17. Dezember um 18:00-19:00 Uhr unter den nötigen Corona-Sicherheitsmaßnahmen (Abstand halten, Maske tragen). Wir sagen: #WirHabenPlatz! Mindestens 3.000 Plätze sind in Österreich sofort verfügbar.

Wir bedanken uns bei der Sozialistische Jugend Österreich, dem Verband sozialistischer Student_innen (VSStÖ), SoHo Österreich, der Aktion kritischer Schüler_innen (aks), Junge Generation in der SPÖ und den Rote Falken Österreich für die wichtige Initiative! Bitte kommt zahlreich und lasst uns den Druck erhöhen.

Donnerstag, 17. Dezember, 18:00-19:00 Uhr
Außenministerium
, Minoritenplatz (U3 Herrengasse)
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Wichtiger Etappensieg: Verfassungsgerichtshof kippt Kopftuchverbot in Volksschulen!

Foto: Martin Juen

Was für ein wichtiger Meilenstein für die antirassistische Bewegung! Was für eine schwere Niederlage für ÖVP und FPÖ mit ihren permanenten Angriffen gegen Muslim_innen und auf den „politischen Islam“! Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat heute in einem Paukenschlag das Kopftuchverbot in Volksschulen als verfassungswidrig aufgehoben.

Das Gesetz, das von der türkis-blauen Regierung beschlossen wurde, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz in Verbindung mit dem Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit und gegen das Gebot der religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates. Das Kopftuchverbot, so der VfGH, stigmatisiere und diskriminiere gezielt muslimische Schülerinnen.

Die heutige Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen. Sie torpediert einen wichtigen Punkt des Regierungsabkommen zwischen ÖVP und Grünen, das eine Ausweitung des Kopftuchverbots bis zum 14. Lebensjahr vorsah. Diese staatlichen Kleidungsvorschriften sind diskriminierend und instrumentalisieren Grund- und Freiheitsrechte, insbesondere Kinderrechte, für viel umfassendere Einschränkungen von Frauen und Muslim_innen wie Berufsverbote und Betretungsverbote für den öffentlichen Raum. Die FPÖ machte daraus nie ein Hehl. Dem hat der Verfassungsgerichtshof nun einen Riegel vorgeschoben.

Zwei Familien hatten mit Unterstützung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) das Gesetz vor dem VfGH angefochten. 2017 gingen tausende Musliminnen auf der MuslimBanAustria-Demo in Wien gegen Kopftuchverbote und für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen auf die Straße. Der Entscheid ist ein Sieg für die muslimische Community, die seit Jahren rassistisch angefeindet wird. Ein Erfolg für alle Aktivist_innen, die unermüdlich gegen Rassismus aufstehen.

Wir können auf diesem wichtigen Etappensieg aufbauen. Wir kämpfen mit der Dokustelle Islamfeindlichkeit & antimuslimischer Rassismus, ZARA, der Asylkoordination, epicenter.works und vielen mehr gegen das „Anti-Terror-Paket“ der Regierung, das unter anderem einen Straftatbestand „Politischer Islam“ beinhaltet. Jetzt ist die Tür einen Spalt für die längst nötige Gegenoffensive offen. Die VfGH-Entscheidung zeigt: Wir können Erfolge feiern, wenn wir entschlossen und hartnäckig kämpfen.

Say it loud!-Gespräch #3: Grenzgewalt Balkanroute, Menschenrechte und Pushbacks

Schwere Menschenrechtsbrüche durch illegale Pushbacks an EU-Außengrenzen

Zum UN-Tag der Menschenrechte am 10. Dezember veröffentlicht die Plattform für eine menschliche Asylpolitik ihr drittes Say it loud!-Gespräch zum Thema „Grenzgewalt entlang der Balkanroute, Menschenrechte und Pushbacks“. Es diskutieren Zehida Bihorac („Flüchtlingsmutter“ in Bosnien), Erich Fenninger (Volkshilfe Österreich, Plattform-Sprecher), Petar Rosandić (SOS Balkanroute), Stephan Handl (Amnesty International Österreich), David Neuber (Pfarrnetzwerk Asyl) und Vedran Džihić (Österreichisches Institut für Internationale Politik, oiip). Das Gespräch ist auf Youtube und Facebook erschienen.

Zehida Bihorac, im Jugoslawienkrieg selbst geflüchtet und nun freiwillige Helferin in Bosnien, schildert die unerträgliche Situation nur wenige Minuten von der EU-Außengrenze zu Kroatien. Geflüchtete werden geschlagen, müssen in den Wäldern im Freien ausharren, Helfer_innen werden kriminalisiert. Nun steht der harte Winter bevor. „Die Menschenrechte liegen in irgendeiner Schublade“, berichtet Bihorac entsetzt über den Umgang mit Menschen, die einfach nur auf „dem Weg zu einem besseren Leben“ seien. „Was mir am meisten wehtut, sind die Kinder“, sagt sie. Ihr größer Wunsch wäre, dass die Menschen zumindest unmittelbar eine Unterkunft erhielten.

Politikwissenschafter Vedran Džihić, ebenfalls Kriegsflüchtling, verortet einen systematischen, gewaltsamen Bruch der Grund- und Menschenrechte in der Europäischen Union (EU), auch durch die österreichische Regierung. Ihm stimmt Stephan Handl, Jurist bei Amnesty International, zu. Er zählt nahezu ein Dutzend Menschenrechtsverletzungen, von der Verwehrung der Einreise über Kettenabschiebungen bis hin zum Bruch der UN-Folterkonvention, auf. Handl sieht nicht bloß Versagen, sondern vermutet politische Absicht hinter dem brutalen Vorgehen gegen schutzsuchende Menschen, wie der aktuelle Entwurf des EU-Migrationspakts zeige.

Die Initiative SOS Balkanroute hat Hilfsgüter gesammelt, die nach Bosnien gebracht werden. Gründer Petar Rosandić, bekannt als „Kid Pex“, zeigt sich enttäuscht von Politiker_innen, die „nur so tun als ob“, und ruft dazu auf, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen: „Wir haben eine besondere Verantwortung, denn irgendwie sind wir alle Flüchtlinge.“ Dieser Verantwortung ist sich auch das Pfarrnetzwerk Asyl bewusst. „Nur weil die Menschen nicht mehr durchkommen, heißt das nicht, dass wir nichts mehr tun,“ sagt David Neuber vom Netzwerk. Darum habe man mit Menschen vor Ort gesprochen und organisiere nun ein Projekt für minderjährige Geflüchtete.

Erich Fenninger plädiert zusammenfassend dafür, die unterschiedlichen Interessen miteinander zu verbinden: das Engagement gegen Armut, Arbeitslosigkeit und Einkommensverluste in der Coronakrise mit dem universellen Einsatz für die Menschenrechte. Auch er glaubt nicht mehr, dass wir diesen Anspruch nur an Politiker_innen delegieren können: „Wir müssen als Zivilgesellschaft mehr politisches Subjekt werden.“ Die Say it loud!-Gespräche werden von Judith Ranftler (Plattform für eine menschliche Asylpolitik und Volkshilfe Österreich) moderiert und von der Grünen Bildungswerkstatt Wien (GBW Wien) unterstützt.

„Nie wieder!“: Jüdische Aktivist_innen verurteilen Uiguren-Verfolgung

Jüdische Aktivist_innen haben heute am UN-Tag der Menschenrechte Auszüge aus der Menschenrechtsklärung vor Chinesischen Botschaften und Konsulaten in Wien und in mindestens 24 weiteren Städten auf der Welt befestigt. Sie wollen mit der Aktion auf den Genozid an der überwiegend muslimischen Minderheit der Uigur_innen hinweisen.

„Als junge jüdische Aktivist:innen ist unsere Geschichte von Völkermord, Hass und Diskriminierung geprägt. ‚Niemals wieder’ ist nicht nur ein Aufruf zur Erinnerung, sondern ein Aufruf zum Handeln und zum Widerstand“, sagt Bini Guttmann, Präsident der European Union of Jewish Students (EUJS) und Mitbegründer der weltweiten Kampagne „Never Again, Right Now!“ (NARN).

Die Co-Präsidentin der Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen (JöH), Sashi Turkof, fordert: „Wir müssen dort hinschauen, wohin niemand anderes hinschaut. Wir müssen diejenigen sein, die Ungerechtigkeit aufzeigen und für diejenigen kämpfen, die Opfer von Unterdrückung und Ungerechtigkeit sind.“ Die Menschenrechte dürfen nicht länger mit Füßen getreten werden.

Herzlichen Dank für diese wichtige Initiative!

Fotos: JöH

8. Dezember #FreeCongo in Wien: Proteste gegen Ausbeutung, Krieg und Gewalt an Frauen

Foto: Linda Forsell / Kontinent / laif

Nach den Black Lives Matter-Protesten und den Demos in Solidarität mit der EndSARS-Bewegung in Nigeria ruft auch die kongolesische Community für Dienstag, 8. Dezember 2020, zur Kundgebung um 17:00 Uhr auf den Muhammad-Asad-Platz vor der UNO-City in Wien. Mireille Ngosso, SPÖ-Landtagsabgeordnete und Mitglied in der Kerngruppe der Plattform für eine menschliche Asylpolitik, erklärt die Motivation hinter  den Protesten.

von Mireille Ngosso

Coltan ist ein Roherz in Zentralafrika aus dem vorrangig das Metall Tantal gewonnen wird. Dieser Rohstoff ist aus der heutigen IT-Branche nicht mehr wegzudenken. Tantal heißt das begehrte Metall, das aus dem Erz gewonnen wird. Der wertvolle Rohstoff steckt in Handys und in nahezu allen Elektrogeräten die wir besitzen: in Smartphones, Kameras, Laptops. Geschätzte 50 bis 80 Prozent der weltweiten Coltanvorkommen lagern in der Demokratischen Republik Kongo. Etwa 30 Prozent der Arbeiter_innen sind Kinder und Jugendliche. 

Nach einem aktuellen Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International sind manche von ihnen nur sieben Jahre alt, arbeiten unter prekären Bedingungen und ohne Sicherheitsausrüstung, für einen Lohn von ein bis zwei US-Dollar pro Tag. Das UN-Kinderhilfswerk schätzte 2014, dass in den Minen im Süden Kongos rund 40.000 Minderjährige beschäftigt sind. 

Rohstoffe für Waffen

Der Ostkongo ist so reich an Bodenschätzen wie keine andere Gegend der Welt. Rund einhundert registrierte Minen gibt es allein in der Provinz Walikale ungezählte mit dem illegalem Abbau. In den meisten davon wird Kassiterit, ein Erz mit einem hohen Zinngehalt, Kupfer, Gold und Coltan abgebaut. Von Goma über Ruanda und Uganda gelangen die Mineralien nach Mombasa, von wo aus sie an Rohstoffgroßhändler wie Apple oder andere verkauft werden. 

Die meisten Minen werden von militärischen Milizen kontrolliert. Ihnen geht es nicht um die Rohstoffe, sondern nur um den Umsatz aus dem Handel, mit dem sie ihre Waffen finanzieren. Etwa 150 Millionen Dollar sollen laut einer Untersuchung der Vereinten Nationen jedes Jahr an verschiedene bewaffnete Gruppen fließen, die in den verschiedensten Kongo Provinzen deb Abbau der Mineralien kontrollieren. Genug Geld, um den Krieg im Ostkongo weiterzuführen. 

Gewalt gegen Frauen

Um den jahrelangen Krieg in Ostkongo zu verstehen müsste man sehr weit in die Geschichte zurückgreifen. Kurz: Bis heute führen die Rohstoffe zu großen Konflikten zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen, Rebellenführern, Staat, Militär westlichen Unternehmen und den angrenzenden Staaten. Wirtschaftliche Interessen werden zu Triebfedern oder Auslösern für bewaffnete Konflikte. Ertragreiche Gebiete werden erbittert umkämpft. Wer das Gebiet hat, hat die Macht über die Rohstoffe und damit den Gewinn. Die Gebiete im Ostkongo sind im Dauerkriegszustand. 

Die Gewalt gegen Frauen und Kinder nimmt zu. Massenvergewaltigungen sind Teil des Krieges der zwischen den verschiedenen Milizen und der Armee geführt wird. Die Statistiken zeigen, dass die sexuelle Gewalt immer weiter zunimmt. Über eine halbe Million Frauen sollen seit Beginn des Krieges 1998 vergewaltigt worden sein. Jede dritte Frau im Ostkongo wurde Opfer sexueller Gewalt. 60 Prozent von ihnen wurde von bewaffneten Männern misshandelt. All das geschieht und die Welt schweigt. 

Kundgebung
Dienstag, 8. Dezember 2020, 17:00 Uhr
Muhammad-Asad-Platz vor der UNO-City

(U1 Kaisermühlen/Vienna International Centre)

Aufruf des Rappers und Sängers Topoke zur Kundgebung

Faktencheck eines Faktenchecks: profil folgt rassistischer Kurz’ Erzählung

Das Nachrichtenmagazin profil behauptet in einem „Faktencheck“ mit dem tendenziösen Titel „Virale Balkanroute“ in seiner aktuellen Ausgabe (Nr. 50 vom 6. Dezember 2020), dass „rückkehrende Migranten vom Westbalkan (wie auch Österreichische Touristen) das Infektionsgeschehen im Sommer tatsächlich signifikant mitbestimmt“ hätten. Wir zeigen, dass das profil hier nicht bloß eine sehr gewagte, sondern gemeingefährliche Aussage trifft, die nur dazu dient, die Argumentation des Bundeskanzlers zu stützen. Eine Aussage, die auf Basis derselben rassistischen Zuschreibungen zustande kommt.

von David Albrich

Alles beginnt mit einer Annahme, die in völligem Widerspruch zur später gezogenen Schlussfolgerung steht: Das profil bezieht sich auf Daten der Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) für den Zeitraum von Mitte April bis Ende August, also über einen viel längeren Zeitraum, als den Sommer. Dieser erste Hinweis wird noch wichtig werden. Diese Zahlen, die nur die Staatszugehörigkeit wiedergeben, zeigen tatsächlich einen Anstieg im Infektionsgeschehen unter ausländischen Staatsangehörigen und einen Rückgang bei österreichischen Staatsbürger_innen. Dass die Statistik allerdings „nichts über den Ort der Ansteckung“ aussagt, muss sogar das profil zugeben. Es muss außerdem bekennen, dass sich „Somalier und Afghanen (aufgrund prekärer Wohnverhältnisse) wohl in Österreich“ infiziert haben. Auch das ist ein wichtiger Hinweis, auf den wir noch zurückkommen.

Rassistische Zuschreibung

An dieser Stelle tut das profil nun allerdings einen Schritt, der reine Mutmaßung ist und eben einer rassistischen Zuschreibung folgt: „Berücksichtigt man, dass unter den infizierten Österreichischen Staatsbürgern auch viele Menschen mit Migrationshintergrund sind, haben rückkehrende Migranten vom Westbalkan […] das Infektionsgeschehen im Sommer tatsächlich signifikant mitbestimmt.“ Das profil schreibt Menschen mit Migrationsbiografie einfach zu, dass sie, wie der Kanzler das auch tut, eigentlich nicht in Österreich leben, als würde es eben zu ihnen gehören, zu ihren „Wurzeln“ (offenbar in der Türkei und am Balken) zu reisen.

Grundsätzlich könnte man sich fragen, warum ausgerechnet im eigentlich fraglichen Zeitraum im August die Infektionen unter den Reiserückkehrer_innen höher waren. Der Standard schreibt das von Kurz’ kolportierte „Drittel“ an Ansteckungen (über Daten der AGES geografisch dem „Westbalkan“ zuordenbar) den beiden Sommerwochen vom 10. bis 23. August zu. Deutschland ermöglichte ab 1. August Rückehrenden günstige Tests, kurz darauf wurden die Testungen verpflichtend, die Debatte schwappte auf Österreich über. Hierzulande zog die Regierung medienwirksam mit Maßnahmen nach: Am 14. August wurden strengere Grenzkontrollen erlassen, tags darauf die erste Teststraße in Wien eingerichtet, es folgte eine Reisewarnung für Kroatien.

Verzerrte Wahrnehmung

Alle Augen waren auf die Reiserückkehrer_innen gerichtet. Es darf überhaupt nicht verwundern, dass wir unter dieser Gruppe im August höhere Zahlen finden, wenn man gezielt danach sucht (vorsorglicher Hinweis: mit grundsätzlich mehr Testungen hat dies allerdings nichts zu tun). Die Zahl an behördlich erfassten Infektionen hängt nachweislich mit der Teststrategie zusammen. Dafür spricht, wie der Standard recherchierte, dass der „Westbalkan-Anteil“ an Infektionen in der Zeit vor und nach diesen zwei Wochen nur zwischen drei und zwölf Prozent lag. Vielmehr dürfte das Infektionsgeschehen in der gesamten Bevölkerung bereits seit einigen Wochen im Sommer angestiegen sein (wie auch in Deutschland).

Nun engte der Kanzler den Blick auf diese zwei ausgewählten Augustwochen ein. Änderungen bei den Tests können tatsächlich, sagt das Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung, die „öffentliche Wahrnehmung der Pandemielage verzerren“. Die Handlungen der Regierung im Sommer (die sonst nichts zustande bekam, man denke nur etwa an die seit Sommer vergeblichen Appelle des Rotkreuz-Chefs für mehr Contact-Tracer_innen) hatten jedenfalls den günstigen Effekt, dass man nun über rosinengepickte Zahlen Migrant_innen die Schuld an der zweiten Coronawelle geben kann. Wenn man gezielter in Pflegeheimen oder Krankenhäusern getestet hätte (was tatsächlich auch sinnvoll wäre), könnten die Schlagzeilen lauten: Das Virus wurde über unsere Altenheime und Spitäler eingeschleppt! Aber das hätte nicht die von Kurz beabsichtigte Wirkung der rassistischen Spaltung.

Sozioökonomische Faktoren

Interessant wäre – besonders für ein Magazin wie das profil, das sich für seine kritischen Recherchen rühmt – ein tiefergehender Blick darauf, warum Migrant_innen im längeren Zeitraum in der Tat häufiger von Corona-Infektionen betroffen sind, wo doch ein Virus nicht nach Herkunft und Religion entscheidet.

Dass ausländische Staatsangehörige in „systemrelevanten Berufen“ überrepräsentiert sind, weniger oft die Möglichkeit für Home Office haben und daher einem höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind, zieht das profil überhaupt nicht in Erwägung. Genau hier kommt der erste Hinweis (Zeitraum der Ansteckung) ins Spiel: Ab Mitte April setzte die schrittweise Öffnung nach dem ersten Lockdown ein. Inländer_innen konnten häufiger weiter von zuhause aus arbeiten, während Menschen mit Migrationsbiografie meist wieder physisch an ihre Arbeitsplätze mussten. Und auch der zweite Hinweis mit den prekären Wohnverhältnissen (Ort der Ansteckung) ist wichtig: Menschen mit Migrationsbiografie kommen oft aus sozial (schwächeren) Schichten, in denen die empfohlenen Hygienemaßnahmen, wie Abstandhalten, schwerer einzuhalten sind. Zudem starten sie statistisch gesehen bereits von einem schlechteren Gesundheitszustand aus.

Genau auf diese sozioökonomischen Zusammenhänge geht Judith Kohlenberger in unserem ausführlichen Interview mit Judith Ranftler ein. Das profil hingegen macht Menschen mit Migrationshintergrund zu Treiber_innen der Pandemie und folgt dem rassistischen Narrativ des Bundeskanzlers. Das ist schäbig.


David Albrich ist Koordinator der Plattform für eine menschliche Asylpolitik und war Anmelder der Demonstration „Flüchtlinge willkommen“ am 3. Oktober 2015 mit 70.000 Teilnehmenden. Er ist politischer Aktivist und Autor, darunter von das „Braunbuch FPÖ“ und „Faschismus in der Regierung“. David arbeitet in der Volkshilfe Österreich.