Sieg für SOS Balkanroute: Gericht weist Einschüchterungsklage durch regierungsnahes Institut ab

Das Handelsgericht Wien hat heute in erster Instanz die SLAPP-Klage des regierungsnahen International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) gegen SOS Balkanroute und Obmann Petar Rosandić abgewiesen. Das ICMPD, in dessen politischer Steuerungsgruppe das österreichische Innenministerium seine Interessen durchsetzt, hatte SOS Balkanroute geklagt, weil die NGO den Bau des illegalen Gefängnisses im bosnischen Flüchtlingslager Lipa aufgedeckt hatte. SLAPP steht für „Strategic Lawsuits against Public Participation” , zu Deutsch „Strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung“.

„Wir gratulieren Petar Rosandić, dem ganzen Team von SOS Balkanroute und Anwältin Maria Windhager zu diesem wichtigen Sieg bei der Verteidigung der Menschenrechte und des Rechts auf freie Meinungsäußerung“, kommentiert Erich Fenninger, Volkshilfe-Direktor und Sprecher der Plattform für eine menschliche Asylpolitik das Urteil. „Die Regierung muss nun die Empfehlungen der EU-Kommission gegen missbräuchliche SLAPP-Klagen umsetzen und dafür Sorge tragen, dass das Justizsystem nicht mehr gegen kritische Stimmen der Zivilgesellschaft missbraucht werden kann.“

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Wir erwarten, dass ICMPD das Urteil akzeptiert, auf weitere Rechtsmittel verzichtet und sich zumindest bei SOS Balkanroute entschuldigt. Nachdem der Bau des Gefängnisses in Lipa bereits vonseiten bosnischer Regierungsvertreter:innen aufgekündigt wurde, müssen jetzt die Verantwortlichen, zuvorderst Kanzler Nehammer, Innenminister Karner sowie ICMPD-Chef Spindelegger, das politische Projekt, den Balkan zu einer „Abschiebezone“ mit illegalen Pushbacks und Internierungslagern zu machen, ad acta legen.

Fenninger: „Klagen gegen kritische Zivilgesellschaft gefährden unsere Demokratie“

Foto: Jakob Alexander

Am Dienstag startet der Prozess gegen die Menschenrechtsorganisation SOS Balkanroute. Die NGO und Obmann Petar Rosandić werden politisch verklagt, weil sie Missstände an den EU-Außengrenzen wie das Gefängnis im bosnischen Flüchtlingslager Lipa aufdecken. Kläger ist das regierungsnahe International Centre for Migration Policy Development (ICMPD), in dem die Republik Österreich durch das ÖVP-geführte Innenministerium vertreten ist.

Wir wehren uns gegen diese Einschüchterung und erklären uns solidarisch mit SOS Balkanroute. „Menschen aus der Zivilgesellschaft, die berechtigte Kritik üben, werden durch Klagen existenziell bedroht. Das gefährdet unsere Demokratie und muss aufhören“, sagt Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich und Sprecher der Plattform für eine menschliche Asylpolitik. Solche Klagen müssen von allen demokratischen Kräften scharf verurteilt werden.

Klagen gegen kritische Zivilgesellschaft haben System und werden als SLAPPs bezeichnet – „Strategic Lawsuits against Public Participation” , zu Deutsch „Strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung“. Bereits die Androhung von Klagen und voraussichtlich hohe Prozesskosten sollen dazu führen, dass Kritik unterbunden wird. Wir dürfen nicht zulassen, dass eine derartige Praxis in Österreich etabliert wird. Die Regierung muss hier endlich einschreiten und ICMPD einen Riegel vorschieben.

Zusammen mit vielen Organisationen aus der Zivilgesellschaft haben wir folgende Erklärung unterzeichnet:

Wir erklären uns solidarisch mit der Menschenrechtsorganisation SOS Balkanroute: Denn Flucht ist kein Verbrechen und Solidarität mit geflüchteten Menschen genauso wenig! Menschenrechtswidrige Praktiken wie SLAPPs dürfen in Österreich keine Chance haben!

Wir fordern die österreichische Regierung auf:

1. Klare Stellung gegen den Missbrauch des Justizsystems durch SLAPP-Klagen – wie jene gegen die SOS Balkanroute und ihren Obmann Petar Rosandić zu beziehen; 

2. zu gewährleisten, dass SLAPP-Klagen nicht als Instrument gegen kritische Stimmen der Zivilgesellschaft missbraucht werden;

3. Solidarität mit Menschen auf der Flucht nicht zu verurteilen und die Arbeit von Menschenrechtsaktivist:innen weder in Österreich noch generell in Europa zu behindern.

Say it loud! Das Buch. Beiträge zu aktuellen Fragen der Flüchtlingspolitik

In Zeiten humanitärer Krisen liegen Verzweiflung und Hoffnung oft nahe beisammen. Die solidarische Zivilgesellschaft stellt sich diesen Herausforderungen und stärkt die Hoffnung auf eine Welt und Ausbeutung und Unterdrückung.

Dieses Buch vereint Beiträge aus Wissenschaft und Aktivismus und schafft Inspiration zur Einflussnahme auf den politischen Diskurs. Es ist eine laute Stimme für Menschenrechte und für den Kampf um internationale Solidarität.

Inhalt:

  • Vorwort der Grünen Bildungswerkstatt Wien | Elisabeth Kittl
  • Vorwort der Plattform für eine menschliche Asylpolitik | Erich Fenninger
  • Say it loud! Eine laute Zivilgesellschaft in einem Zeitalter der Katastrophen | David Albrich, Judith Ranftler
  • Lesbos, wo Europa die Rechte der Menschen zu Grabe trägt | Doro Blancke
  • Können wir von Geflüchteten lernen, anzukommen? | Ronny Kokert
  • Kampf um die Bedeutung des Solidaritätsjahres 2015 | Susanne Scholl
  • Wider Pushbacks und Grenzgewalt in der EU: Eine Rückbesinnung auf mehr Rechtsstaatlichkeit | Stephan Handl
  • Wieso wir nicht aufgeben dürfen: Humanitärer Widerstand an den EU-Außengrenzen | Petar Rosandić
  • Warum ich mich hier zuhause fühle und dort nicht | Tina im Gespräch mit Angelika Koller
  • Globale Klimaerwärmung und die Flucht vor anthropogenen Naturkatastrophen | Andreas Weber
  • Klimawandel, Migration und Flucht in der Politik: Meine Empfehlungen an eine fiktive Außenministerin | Sarah Nash
Elisabeth KittlElisabeth Kittl ist Obfrau der Grünen Bildungswerkstatt Wien, Feministin und kämpft für das gute (und leistbare) Leben für alle. Sie ist leidenschaftlich, wissbegierig, lernfreudig und hinterfragt immer den Status quo.
Erich FenningerErich Fenninger ist Sprecher der Plattform für eine menschliche Asylpolitik, Direktor der Volkshilfe Österreich und Herausgeber mehrere Bücher, darunter „Von Freiheit Träumen“. 2015 initiierte er das Solidaritätskonzert für Europa Voices for Refugees am 3. Oktober mit 200.000 Menschen auf dem Wiener Heldenplatz.
David AlbrichDavid Albrich ist Mitgründer und Koordinator der Plattform für eine menschliche Asylpolitik und setzt sich als politischer Aktivist für Antirasismus und Klimagerechtigkeit ein. Er arbeitet in der Volkshilfe Österreichim Projekt Kinderarmut abschaffen und im Bereich Asyl, Integration und Migration.
Doro Blancke
Doro Blancke ist Geschäftsführerin des Vereins Flüchtlingshilfe/refugee assistance – doro blancke. Als Menschenrechtsaktivistin ist sie seit Jahren für schutzsuchende Menschen an den europäischen Außengrenzen im Einsatz. 2020 wurde sie für ihr Engagement mit dem Ute-Bock-Preis ausgezeichnet. 2023 erhielt sie den Menschenrechtspreis des Landes Steiermark.
Stephan HandlStephan Handl ist Jurist, Kultur- und Sozialanthropologe. Seit 2020 ist er als Advocacy & Research Officer bei Amnesty International Österreich für die Themenbereiche Asyl und Migration verantwortlich. Davor war er Leiter des Wiener Schubhaftberatungsteams beim Diakonie Flüchtlingsdienst.
Ronny KokertRonny Kokert ist Kampfsportweltmeister, Konflikt-Coach und leitet das Trainingszentrum Shinergy Base in Wien. 2016 gründete er die Shinergy Freedom Fighters und trainiert traumatisierte Kriegsflüchtlinge aus Afghanistan, Syrien und dem Irak. Er engagiert sich aktiv in der Flüchtlingshilfe und schleuste sich in die Lager von Moria und Kara Tepe auf Lesbos ein.
Sarah Louise NashSarah Louise Nash ist selbst Migrantin aus Schottland und Senior Scientist an der Universität für Weiterbildung Krems. Sie ist Politikwissenschaftlerin und forscht hauptsächlich zur Politik von Klimawandel und Migration in Europa.
Judith RanftlerJudith Ranftler ist Obfrau der Plattform für eine menschliche Asylpolitik. Sie ist Sozialarbeiterin und leitet in der Volkshilfe Österreich den Bereich Kinderarmut, Asyl, Integration und Migration.
Petar RosandićPetar Rosandić, bekannt als Rapper Kid Pex, ist Mitbegründer von SOS Balkanroute, einer mehrfach ausgezeichneten humanitären Initiative für ein menschenwürdiges Leben von geflüchteten Menschen in Südosteuropa. Entlang der Balkanroute organisieren er und sein Team regelmäßig Hilfstransporte mit Sachspenden zu den Lagern an der bosnisch-kroatischen Grenze.
Susanne SchollSusanne Scholl ist Journalistin, Schriftstellerin und war langjährige ORF-Korrespondentin in Moskau. Für ihre journalistische Arbeit und ihr menschenrechtliches Engagement erhielt sie zahlreiche Preise, unter anderem den Concordia-Preis und das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst. Sie ist Mitgründerin der Plattform Omas gegen Rechts.
TinaTina ist eine mutige und laute Stimme für Kinderrechte. Ihr Engagement und ihr medialer Einsatz als Betroffene des rassistischen österreichischen Asyl systems stärkt den Kampf gegen Kinderabschiebungen.
Andreas WeberAndreas Weber studierte Soziologie, Geschichte und Philosophie und ist Lektor an der Universität Wien. Er setzt sich in Lehre und Forschung gegenwärtig vor allem mit soziologischen Gesellschaftstheorien sowie soziologischen Fragestellungen im Kontext der Krise der Umwelt und des Klimas auseinander und veröffentlichte arbeitete unter anderem an der Studie Klimakrise und Lebensweise.

Herausgeberinnen: Grüne Bildungswerkstatt Wien, Plattform für eine menschliche Asylpolitik. Redaktion: Angelika Koller. Layout: Grafix & Design – Brigitte Lang.

Erfolg! SOS Balkanroute verhindert Schubhaftgefängnis in Lipa

Foto: SOS Balkanroute

Nur kurz nach dem Besuch bei der österreichischen Justizministerin Alma Zadić verkündet der bosnische Menschenrechtsminister Sevlid Hurtić das Ende des umstrittenenen Abschiebegefängnisses im Flüchtlingslager Lipa. Es wird nicht in Betrieb gehen. Die NGO SOS Balkanroute hatte standhaft gegen die menschenrechtswidrige Internierungsanstalt kampagnisiert und einen Erfolg auf voller Linie errungen. Wir gratulieren Petar Rosandić und seinem Team herzlich zu diesem wichtigen Teilerfolg!

Der Stopp ist ein Fiasko für den regierungsnahen Gefängniserrichter ICMPD, der in der Auseinandersetzung SOS Balkanroute geklagt hatte. Allen voran ist die Verhinderung des Gefängnisses eine krachende Niederlage für die Betreiber des politischen Projektes der „Festung Europa“ – Bundeskanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner (beide ÖVP). Ihre Versuche, die Menchenrechte und insbesondere das politische Recht auf Asyl zu untergraben, scheitern.

Der Bau in Lipa muss nun geschliffen werden. Mit den Worten des neuen SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler: „Festungen bleiben in der Geschichte immer als Ruinen zurück.“ Wir fordern die Rücknahme der Klage gegen SOS Balkanroute. Die Verantwortlichen, zuvorderst Nehammer, Karner sowie ICMPD-Chef Spindelegger, müssen das politische Projekt, den Balkan zu einer „Abschiebezone“ zu machen, ad acta legen.

Die Zivilgesellschaft hat gesiegt. Rechnet mit uns. Es ist die Zeit für eine echte Wende zur einer menschlichen Asylpolitik. Wir feiern den Erfolg am Dienstag, 20. Juni am Weltflüchtlingstag zusammen mit EsRAP, Kid Pex, Doro Blanchke und vielen mehr am Wiener Brunnenmarkt und Yppenplatz. Wir freuen uns au euer Kommen. Schöpfen wir Mut und Hoffnung aus dem Sieg für die nächsten Kämpfe.

Brunnenmarkt feiert den Weltflüchtlingstag: Solidarity is not a Crime!

Kundgebung mit EsRAP uvm.
🕕 Dienstag, 20. Juni, 18:00 Uhr
📍 Yppenplatz, Wien

Am Dienstag, 20. Juni ist der Weltflüchtlingstag. Ein Tag für das Menschenrecht auf Schutz vor Krieg, Verfolgung und Gewalt. Ein Recht, das von der etablierten Politik zunehmend in Frage gestellt und bekämpft wird. Von einer Politik, die versucht, Menschen auseinander zu dividieren und Aktivist:innen und Helfer:innen einzuschüchtern – aktuell trifft das die Menschenrechtsorganisation SOS Balkanroute, die von dem regierungsnahen Gefängnisbauer im bosnischen Flüchtlingslager Lipa geklagt wird.

Ob auf der Balkanroute, auf den griechischen Inseln oder in Österreich: Solidarität ist kein Verbrechen. Wir wollen eine Welt, in der die Rechte und Würde von allen gewahrt sind. Wir feiern den Weltflüchtlingstag gemeinsam mit Kid Pex von SOS Balkanroute, Doro Blancke von der Flüchtlingshilfe auf Lesbos und dem grandiosen Rap-Duo ESRAP auf dem Wiener Yppenplatz, wo Vielfalt und Zusammenhalt täglich gelebt werden. Österreich muss Brunnenmarkt werden.

Foto: Christopher Glanzl (Hauptbild), Tim Cavadini (EsRAP)

Putin-Methoden: Regierungsnaher Gefängnisbauer klagt SOS Balkanroute

Das Wiener Zentrum für Migrationspolitik (ICMPD), der Errichter des Gefängnistraktes im bosnischen Flüchtlingslager Lipa, versucht die Menschenrechtsorganisation SOS Balkanroute mittels einer Klage mundtot zu machen. Wir verurteilen diesen politischen Einschüchterungsversuch auf das Schärfste und fordern die Grünen und ÖVP in der Regierung auf, ihre eigene Organisation zu maßregeln und das Recht auf freie Meinungsäußerung zu gewährleisten.

„Die Republik Österreich klagt indirekt eine österreichische Flüchtlings-NGO“, kritisiert David Albrich, Koordinator der Plattform für eine menschliche Asylpolitik. Das ÖVP-Innenministerium, geführt von Gerhard Karner, vertritt die Republik Österreich in der politischen Steuerungsgruppe des ICMPD und förderte die Einrichtung mit mindestens drei Millionen Euro. Dieses Institut klagt nun (offenbar kofinanziert mit Steuermitteln) SOS Balkanroute und Obmann Petar Rosandić alias Kid Pex wegen Kreditschädigung und Ehrenbeleidigung.

„Diese neue Stufe der Eskalation erinnert an die Methoden totalitärer Politiker. Trump, Putin und Orban: Sie alle versuchen die Opposition zum Schweigen zu bringen“, sagt Albrich. Auch die Plattform für menschliche Asylpolitik wurde vor zwei Jahren von FPÖ-Chef Herbert Kickl geklagt – und hat gewonnen! „Wir rufen alle Demokrat:innen auf, sich an den Prozesskosten für SOS Balkanroute zu beteiligen. Wir werden auch diesen Einschüchterungsversuch abwehren und die Demokratie verteidigen.“

ICMPD beteiligt am Menschenrechtsbruch

Das ICMPD ist ein Rädchen im vom damaligen Innenminister Karl Nehammer ausgerufenen „Rückführungsmechanismus“ am Balkan, wie die Plattform für eine menschliche Asylpolitik ausführlich dokumentierte. Dieser wird von Wien aus koordiniert und bildet eine Achse mit nationalistischen Kräften in Europa. Die besondere Rolle des ICMPD: Es hilft bei der Umgehung von EU-Bestimmungen. FRONTEX darf nämlich keine Abschiebungen in Drittstaaten wie Bosnien und Herzegowina organisieren.

„Wenn Menschen in diesem neuen Gefängnistrakt eingesperrt werden sollen, nachdem man ihnen von Österreich abwärts die Stellung eines rechtmäßigen Asylantrags verwehrt, sie von der kroatischen Polizei gefoltert wurden, sie in einem abgelegenen Lager jahrelang zermartert werden, man ihnen ihre letzte Würde raubt und das ICMPD inmitten dieses Prozesses ein weiteres Abschiebegefängnis baut, dann beteiligt man sich am Menschenrechtsbruch, selbstverständlich“, so Albrich abschließend.

Spendenkonto für Anwalts- und Prozesskosten
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Recherchen zum Gefängnis in Lipa legen nahe: ICMPD williger Vollstrecker der ÖVP-Politik

Absprachen auf höchster Ebene über bevorstehende Abschiebungen. Der bosnische Sicherheitsminister Selmo Cikotić trifft im Oktober 2022 in Wien seinen österreichischen Amtskollegen Gerhard Karner und ICMPD-Chef Michael Spindelegger und berichtet über die Rückführungen, die „in nächster Zeit von dieser Organisation durchgeführt werden“. Fotos und Screenshots: Bosnisches Sicherheitsministerium

ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer und das Innenministerium dürften die treibenden Kräfte der systematischen Menschenrechtsverletzungen am Balkan und politisch verantwortlich für den Bau des Abschiebegefängnisses im bosnischen Flüchtlingslager Lipa sein, zeigen Recherchen der Plattform für eine menschliche Asylpolitik. Das dem Innenministerium unterstehende „Migrationszentrum“ ICMPD dürfte dabei das ausführende Organ des Kanzlers sein, so der Verdacht. Es errichtete das Gefängnis, umgeht dabei EU-Bestimmungen und organisiert mit bosnischien Behörden nachweislich Zwangsdeportationen von Geflüchteten.

von David Albrich

Das neue Abschiebegefängnis im bosnischen Flüchtlingslager Lipa ist kein einmaliges Hoppala eines angeblich unabhängigen österreichischen Migrations-Think Tanks oder ein bloß „gesicherter Bereich“ für schutzsuchende Menschen, wie der Bauherr selbst beteuert. Das Gefängnis, Anfang April von der Menschenrechtsorganisation SOS Balkanroute aufgedeckt, ist die beinharte Realität der von Österreich vorangetriebenen Politik des verharmlosend genannten „Grenz- und Migrationsmanagements“. Unsere Recherchen zeichnen die Geschichte des Gefängnisses als bewusstes politisches Projekt, das die Aushebelung der Menschenrechte institutionalisiert, nach. [1]

Österreich leitet Abschiebeplattform JCP

Alle wesentlichen Akteure des Gefängnisses waren im Sommer 2020 auf der „Westbalkan-Konferenz“ vertreten, zu welcher der damalige ÖVP-Innenminister Karl Nehammer geladen hatte. Unter österreichischer Führung beschlossen die EU-Innenminister, bosnisches Sicherheitsministerium und Grenzpolizei, die EU-Grenzschutzagentur FRONTEX und das regierungsnahe Zentrum für Migrationspolitik (ICMPD) die Gründung einer „Plattform gegen illegale Migration“ mit dem Sitz in Wien. Das Innenministerium sagte die operative Unterstützung mit Personal und Büros zu. Ziel: Mehr Rückführungen.

Aus dem Abschlussdokument, als „Wiener Erklärung“ bekannt, wurde schließlich im Februar 2022 nach mehreren offiziellen Gipfeln und inoffiziellen Arbeitsgesprächen „auf Beamtenebene“ (wie Nehammer selbst in einer Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage bestätigte) die Joint Coordination Platform (JCP). Chef wird der stellvertretende FRONTEX-Direktor Berndt Körner. Der EU-Kommissar und Orban-Vertraute Olivér Várhelyi stellt die nötigen finanziellen Mittel bereit. Das ICMPD war an allen entscheidenden Treffen vertreten, leistete durch die Ausrichtung der eigenen „Vienna Migration Conference“ einen aktiven Beitrag in der Ausgestaltung der Beschlüsse und wird von Várhelyi bei der Präsentation der Plattform in Wien explizit als wichtiger Partner und Empfänger von EU-Geldern genannt (siehe Zeitachse unten).

Das juristische Problem, die Zahl an Rückführungen zu steigern: FRONTEX darf laut EU-Bestimmungen keine Abschiebungen unmittelbar in Drittstaaten wie Bosnien und Herzegowina organisieren. „Eine solche Einschränkung gilt jedoch nicht für das ICMPD als eine der Vertragsparteien des JCP“, erklärt der Berliner Investigativjournalist Matthias Monroy die besondere Rolle, die das ICMPD in dem von Österreich konstruierten „Rückführungsmechanismus“ am Balkan einnimmt. Im Klartext: ICMPD tut, was FRONTEX nicht darf.

Oktober 2022: ICMPD, Karner und Cikotić beraten in Wien Rückführungspläne

In Österreich hält man sich über diesen Mechanismus eher bedeckt. In Bosnien spricht man offener darüber, sichtlich in der Hoffnung, bei seinen Auftraggebern und im EU-Beitrittsprozess als ernster Partner wahrgenommen zu werden. Das bosnische Sicherheitsministerium berichtet im Oktober 2022, während der Bauarbeiten des Abschiebezentrums, offen über eine Beratung von Minister Selmo Cikotić mit ICMPD-Chef Michael Spindelegger in Wien zur bevorstehenden Abschiebung von „illegalen Migranten“, die „in nächster Zeit von dieser Organisation [ICMPD] durchgeführt werden“ – es wird betont: in „Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Union“. Beim gleichen Besuch in Wien tritt Cikotić auf einer ICMPD-Konferenz auf und trifft ÖVP-Innenminister Gerhard Karner zu Gesprächen über den Fortschritt im Grenz- und Migrationsmanagement.

ICMPD, in dessen politischer Steuerungsgruppe das Innenministerium vertreten ist, nimmt offenbar bereitwillig Geld an, so der Verdacht, um bestehendes EU-Recht zu umgehen. Als Ende 2020 Flüchtende in ihrer Verzweiflung das Lager Lipa in Brand setzten, bietet sich für die politisch Verantwortlichen in Österreich die Gelegenheit, über den Wiederaufbau Verträge zu beeinflussen und sich die bosnische Politik für ihr Vorhaben gefügig zu machen. Monika Mokre von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften vermutet damals bereits, dass ein wiederaufgebautes Lipa „von Menschen bevölkert werden soll, die Österreich loswerden will“. Volkshilfe, Diakonie und weitere NGOs warnen vor Kettenabschiebungen.

EU-Kommissar Várhelyi: „Asylbetrüger inhaftieren“

Und Lipa wird tatsächlich zum „Pilotprojekt“ für ein Abschiebe-Internierungslager, wie EU-Kommissar Várhelyi erklärt, samt ICMPD als willigem Vollstrecker. Kurz nach dem Treffen von Cikotić, Karner und ICMPD in Wien zur Durchführung von Rückführungen, sagte Várhelyi im Rahmen eines Vertragsabschlusses im November 2022 zwischen dem Lager-Betreiber IOM und selbigem Ministerium in Sarajevo unverblümt: „Ich verkünde heute ein weiteres Pilotprojekt in Höhe von 500.000 Euro für das Lager Lipa. Wir müssen unsere Internierungslager in Lipa und in der Region unter Kontrolle halten. Das heißt, wir müssen die Asylbetrüger inhaftieren, bis sie in ihre Herkunftsländer zurückkehren.“

EU-Kommissar Oliver Várhelyi präsentiert im November 2022 in Sarajevo das Pilotprojekt eines „Internierungslager“ in Lipa, finanziert mit einer halben Million Euro aus EU-Geldern. Foto und Screenshot: EU-Delegation in Bosnien und Herzegowina.

Schwarz auf Weiß. Die Absicht war von Beginn an, Menschen zur Abschiebung hinter Gitter zu sperren, auch wenn im Nachhinein – teils mit Zusagen weiterer finanzieller Unterstützung für Bosnien – versucht wird, das Gefängnis weiß zu waschen.

Der offiziellen Politik geht es beim „Grenz- und Migrationsmanagement“ nicht um die Gewährleistung des Menschenrechts auf Asyl, sondern um dessen Aushebelung. Schutzsuchende sollen zermürbt, engagierte Helfer:innen der Zivilgesellschaft entmutigt, Solidarität zerstört werden. Die neue Haftanstalt inmitten eines von Flüchtenden bereits ohnehin als Gefängnis erlebten Lagers, ist ein weiterer grausamer Ziegelstein im rassistischen, neokolonialen Projekt der „Festung Europa“. Unsere Recherchen ordnen ein, wie eng Kanzler, österreichisches Innenministerium, ICMPD und EU-Einrichtungen mit den bosnischen Behörden in diesem widerwärtigen politischen Projekt zusammenarbeiten.

Der Verdacht liegt nahe, dass die Demütigung und Drangsalierung von schutzsuchenden Menschen am Balkan in Wien zumindest billigend zur Kenntnis genommen werden.

Timeline

Vorgeschichte

  • Mai 2018: Erklärung von Sofia. Bekenntnis zwischen den EU-Staaten und den Balkanländern zum Ausbau einer „gemeinsamen Migrationssteuerung und des Grenzmanagements“.
  • Mai 2019: Kommissions-Stellungnahme zum Antrag Bosniens auf EU-Mitgliedschaft. Die EU-Kommission verlangt die Umsetzung von 14 Schlüsselprioritäten. Bosnien müsse, so eine Priorität, eine „wirksame Koordinierung der Kapazitäten für das Grenz- und Migrationsmanagement“ gewährleisten, im Gegenzug erhalte das Land finanzielle Unterstützung.

2020

  • Juli 2020: Wiener Erklärung. Auf Initiative Österreichs beschließen EU-Innenminister auf einer „Westbalkankonferenz“ mit dem bosnischen Sicherheitsministerium und der bosnischen Grenzpolizei, FRONTEX und ICMPD die Bildung einer „Plattform gegen illegale Migration“ (Operational Platform – Eastern Mediterranean Route, später bekannt als Joint Coordination Platform, kurz JCP) mit dem Sitz in Wien. Österreich sagte operativ Personal und Bürokapazitäten zu. ICMPD ist auf der Konferenz durch Michael Spindelegger vertreten, FRONTEX durch dessen stellvertretenden Direktor Berndt Körner, der später zum Leiter der Plattform ernannt wird, und die EU-Kommission durch Olivér Várhelyi, der in der Folge EU-Gelder für das Gefängnis lukriert.
  • September 2020: Die österreichische Polizei weist rechtswidrig sieben Schutzsuchende (drei davon minderjährig) gewaltsam nach Slowenien zurück, die innerhalb von 48 Stunden mittels Kettenabschiebung über Kroatien nach Bosnien deportiert werden. Medien berichten in den Folgemonaten über Dutzende weitere Fälle, das Innenministerium dementiert. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark urteilte im Juli 2021, dass die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt worden sei und illegale Pushbacks „teilweise methodisch Anwendung“ finden. Die Höchstinstanz, der Verwaltungsgerichtshof, bestätigt die Entscheidung im Juni 2022. An der Praxis der österreichischen Polizei ändert sich nichts. [2]
  • Dezember 2020: Lipa steht in Flammen. Geflüchtete sollen das Lager aus Verzweiflung angezündet haben. Der Brand und der Wiederaufbau des Lagers geben eine Gelegenheit für die Institutionalisierung der Wiener Erklärung und dem Aufbau von „Kapazitäten für Rückführungen“.

2021

  • März 2021: Das Hilfswerk beginnt in Bosnien ein einjähriges vom österreichischen Innenministerium und Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) finanziertes Projekt zur „Eindämmung irregulärer Migration in die EU“.
  • April 2021: Rückführungsplan. ICMPD organisiert in Sarajevo eine Konferenz zur „östlichen Mittelmeerroute“ unter Anwesenheit des bosnischen Sicherheitsministers Cikotić. Eine Woche später unterzeichnet dieser mit Österreichs Innenminister Nehammer eine Absichtserklärung zur Deportation von Flüchtenden, im Gegenzug soll Lipa mit einer halben Million Euro aus Österreich wiederaufgebaut werden. Eine breite Allianz aus NGOS, darunter die Plattform für eine menschliche Asylpolitik, kritisiert das Vorhaben vehement.
  • Mai 2021: Ministerkonferenz. EU-Innenminister, ICMPD, IOM und FRONTEX treffen sich in Portugal mit Ministern aus Afrika zum „Management der Migrationsströme“. Oberösterreichs ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer lässt über das Hilfswerk die Wasserversorgung im Gesamtlager Lipa bauen.
  • Juni 2021: Erklärung von Prag. Auf der Ministerkonferenz der von Österreich 2001 initiierten Sicherheitspartnerschaft „Forum Salzburg“ beschließen EU-Innenminister, JCP, FRONTEX, ICMPD und IOM, bezugnehmend auf die Wiener Erklärung, politische Richtlinien für die JCP, um die Kooperation „zur Eindämmung irregulärer Migration zu verstärken“. Kurz darauf weist diese österreichische Polizei erneut einen Geflüchteten illegal nach Slowenien zurück. Wiederum wird Österreich vom Verwaltungsgericht verurteilt und bekräftigt, dass auch in Österreich illegale Pushbacks „teilweise methodisch Anwendung finden“. Erneut keine Konsequenzen.
  • September 2021: Medieninszenierung am Balkan. Innenminister Nehammer kündigt auf einer Reise am Balkan eine von der Plattform gegen illegale Migration ausgerichtete „Rückführungskonferenz“ an. Zeitgleich geht Lipa zum zweiten Mal in Flammen auf, die Menschen sind verzweifelt.
  • Oktober 2021: Erklärung von Brdo und Vienna Migration Conference. Die EU-Spitzen würdigen am EU-Westbalkan-Gipfel „die anhaltenden Anstrengungen unserer Partner“ am Balkan im „Migrationsmanagement“. Kurz darauf eröffnen ÖVP-Innenminister Nehammer und Spindelegger in Wien die „Vienna Migration Conference“ des ICMPD. Mit dabei der bosnische Sicherheitsminister Cikotić.
  • November 2021: Sarajevo Migration Dialogue. Auf der von Hilfswerk und bosnischem Sicherheitsministerium organisierten Konferenz beraten österreichisches Innenministerium (vertreten durch den Leiter der Sektion „Fremdenwesen“, Peter Webinger), bosnisches Sicherheitsministerium, bosnische Grenzpolizei und JCP (Berndt Körner) über das regionale Grenz- und Migrationsmanagement, insbesondere einen Rückkehrmechanismus in Bosnien. Zeitgleich wird das neu aufgebaute Lager in Lipa, auf dem das Logo des österreichischen Innenministeriums prangt, eröffnet. Das umzäunte und zutrittsgesicherte Lager wirkt damals bereits wie ein Gefängnis.
  • Dezember 2021: ÖVP-Krise. Sebastian Kurz stürzt, Nehammer wird Kanzler, Gerhard Karner übernimmt das ÖVP-Innenministerium.

2022

  • Februar 2022: Rückführungskonferenz in Wien. Formale Gründung der Joint Coordination Platform (JCP) mit IOM, FRONTEX und ICMPD (vormals Plattform gegen illegale Migration). Der ehemalige FRONTEX-Leiter Berndt Körner wird Präsident. Auf einer gemeinsamen Abschlusspressekonferenz mit dem bosnischen Sicherheitsminister Cikotić und EU-Kommissar Várhelyi kündigt Innenminister Karner „einen regionalen Rückführungsmechanismus“ an. Várhelyi erklärt, dass man mit der „massiven Erhöhung der Unterstützung im Bereich der Rückführungen“ in der Höhe von 355 Millionen Euro „mit IOM, ICMPD und FRONTEX“ zusammenarbeite.
  • Juni 2022: Auf die Präsentation der Plattform in Wien folgt eine administrative Umsetzungskonferenz in Ljubljana, organisiert vom österreichischen und slowenischen Innenministerium und Hilfswerk, zusammen mit IOM und ICMPD.
  • August 2022: Polizeitreffen zwischen Österreich und Bosnien. Hochrangige Beamte aus dem bosnischen und österreichischen Innenministerium (unter anderem wieder mit „Fremdenwesen“-Leiter Webinger) treffen sich in Wien im Rahmen der JCP, man gratulierte Bosnien demonstrativ für Rückführung „illegaler Migranten“ nach Pakistan.
  • September 2022: Baubeginn Haftzellen Lipa und zweiter Sarajevo Migration Dialogue. Österreichisches Innenministerium, ICMPD, bosnische Behörden, Hilfswerk und der EU-Botschafter für Bosnien- und Herzegowina, Johann Sattler, besprechen den „Kampf gegen illegale Migration“ und weitere Rückführungen. Zur gleichen Zeit beginnt ICMPD laut eigenen Aussagen mit dem Bau des Abschiebe-Gefängnisses innerhalb des bereits eingezäunten Hauptlagers in Lipa.
  • Oktober 2022: Konferenz und ICMPD-5-Jahresplan. Innenminister Karner eröffnet in Wien „Vienna Migration Conference“ des ICMPD und trifft bosnischen Sicherheitsminister Cikotić. Dieser bespricht am gleichen Tag mit Spindelegger bevorstehende Rückführungen, die von ICMPD „in nächster Zeit durchgeführt werden“. Die EU-Kommission empfiehlt auf Betreiben Österreichs den Beitrittskandidaten-Status für Bosnien, sollte unter anderem das „Migrationsmanagement“ umgesetzt werden. Kurz darauf unterzeichnet das ICMPD mit dem bosnischen Sicherheitsministerium und JCP einen „Fünf-Jahresplan“ zur „Rückführung von Migranten“. Medien berichten zur selben Zeit über Enthüllungen zu gewaltsamen Pushbacks und Folter durch die kroatische Grenzpolizei.
  • November 2022: Das bosnisches Sicherheitsministerium unterzeichnet in Sarajevo mit IOM ein Abkommen zur „freiwilligen und zwangsweisen Rückkehr“ unter Beisein von EU-Kommissar Olivér Várhelyi. Dieser verkündet bei der „Unterschriftenzeremonie“ ein 500.000 Euro schweres Pilotprojekt mit Bosnien und IOM zur „freiwilligen und zwangsweisen Rückkehr“ und weitere 500.000 Euro für ein Pilotprojekt „Hafteinrichtung“ zur zwangsweisen Rückführung von „Asylbetrügern“ in Lipa.
  • Dezember 2022: Erklärung von Tirana. Die EU-Regierungsspitzen beschließen mit Bosnien und anderen Balkan-Staaten „verstärkt Rückführungen aus dem Westbalkan in die Herkunftsländer durchzuführen“. Die EU-Kommission verabschiedet einen „Aktionsplan für den Westbalkan“, der sich explizit auf das „Pilotprojekt mit IOM“ mit FRONTEX-Unterstützung bezieht und die „Entwicklung angemessener Rückführungseinrichtungen“ fordert, und verspricht dafür weitere Finanzmittel aus dem EU-Fonds Instrument für Heranführungshilfe (IPA).

2023

  • Jänner 2022: Bau des Gefängnisses in Lipa laut ICMPD abgeschlossen.
  • März 2022: Hochrangiges Polizeitreffen zwischen Bosnien und Kroatien. Die Führung des bosnischen Geheimdienstes, Grenzpolizei sowie Generaldirektion der kroatischen Polizei, Leitung der Grenzpolizei und Kriminalpolizei beraten die Umsetzung eines Abkommens zwischen Kroatien und Bosnien und die Organisation gemeinsamer Grenzpatrouillen. Kurz darauf treffen sich hochrangige Beamte des österreichischen Innenministeriums mit dem bosnischen Sicherheitsministerium in Wien, man bedankte sich bei Bosnien für die „Zwangsrückführung illegaler Einwanderer nach Pakistan, Marokko und Bangladesch“. Menschenrechtsorganisationen berichten über vermehrte Massenabschiebungen aus Kroatien nach Bosnien.
  • April 2022: ICMPD muss auf öffentlichen Druck hin Bau des Abschiebe-Gefängnisses in Lipa zugeben, nachdem man zunächst dementiert hatte. Weitere Dokumente kommen ans Licht, welche die Verwicklung höchster Kreise aus Politik und Polizei in illegale Pushbacks von Kroatien nach Bosnien belegen. Vermehrt bringen Polizeibusse hunderte zurückgeschobene Menschen aus Kroatien nach Lipa. Der EU-Botschafter in Bosnien, Johann Sattler, bestätigt, dass die EU das Abschiebegefängnis finanziert hat und dort Menschen zur zwangsweisen Rückführung bis zu 72 Stunden interniert werden, bevor sie „in das Asylzentrum im Osten von Sarajevo transportiert werden“.

David Albrich ist Koordinator der Plattform für eine menschliche Asylpolitik. Er war im März 2021 kurz nach dem Brand mit Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger und einer Delegation der Omas gegen Rechts auf Einladung der Menschenrechtsorganisation SOS Balkanroute für einen Lokalaugenschein in Lipa.

[1] Die österreichische Staatspolitik folgt hier grundsätzlich einer langfristigen Strategie, die zurück auf das Forum Salzburg im Jahr 2001 geht, wie Klaudia Wieser (Universität Wien) und Nidžara Ahmetašević (Journalistin in Sarajevo) in der Studie „At the heart of Fortress Europe: A new study about Austria’s role in border externalization policies in the Balkans“ zeigen.

[2] Aufgedeckt wurden die gesetzwidrigen Pushbacks aus Österreich von der Initiative Push-Back Austria zusammen mit der Asylkoordination Österreich. Im „Black Book of Pushbacks. Expanded & Updated Edition“ (2022) hat das das Border Violence Monitoring Network (BVMN) auf mehr als 3.000 Seiten 25.000 gewaltsame Pushbacks entlang der Balkanroute dokumentiert.

Protest gegen Abschiebung von Haslacher Familie vor Abschiebezentrum Zinnergasse

Mit Angehörigen, Freund:innen und Solidarischen protestierten wir heute vor dem Abschiebezentrum Zinnergasse in Wien gegen die Abschiebung von Familie Lopez aus Haslach an der Mühl in Oberösterreich. Wir danken allen, die bei Kälte und Regen stundenlang vor dem Polizeizentrum ausgeharrt und ein Zeichen für Menschlichkeit gesetzt haben. Unser Respekt und Mitgefühl gilt insbesondere jenen, die den langen Weg auf sich genommen haben und aus Haslach angereist sind.

Leider wurde die Familie, versteckt vor uns und den zahlreichen Kameras vor Ort, klammheimlich zum Flughafen Wien-Schwechat gebracht. Wir sind noch immer über die Niederträchtigkeit des Innenministers schockiert. Er hätte ein humanitäres Bleiberecht vergeben können, tat dies aber offenbar aus politischen Gründen nicht. Es ist gewissen Parteien in Österreich wichtiger, zu spalten und Niedertracht zu säen, anstatt Gemeinschaft und Solidarität zu leben.

Die Abschiebung um jeden Preis soll die Zivilgesellschaft entmutigen. Doch sie wird das Gegenteil bewirken. Wir lassen uns nicht entmutigen und bereiten uns auf die nächsten Aktionen und Proteste vor. Wir stehen auf und sind laut, egal wo Ungerechtigkeit passiert. Wenn ihr unsere Arbeit weiter unterstützen wollt, könnt ihr das mit einer Spende tun und euch bei uns Sticker, Plakate, Buttons bestellen. Wir kämpfen umso stärker für eine menschliche Asylpolitik.  

Spontandemo vor Zinnergasse: Bleiberecht für Familie Lopez!

🕓 Donnerstag, 13. März 2023, 16:00 Uhr
📍 Abschiebezentrum Zinnergasse 29a (erreichbar über U3 Zippererstraße und Bus 76A nach Albern, Haltestelle Freudenauer Hafenbrücke)

Familie Lopez aus Haslach an der Mühl in Oberösterreich darf nicht abgeschoben werden. Die Plattform für eine menschliche Asylpolitik organisiert heute Donnerstag um 16:00 Uhr eine Spontandemo vor dem Abschiebezentrum Zinnergasse 29a (erreichbar über U3 Simmering und Bus 76A nach Albern, Haltestelle Freudenauer Hafenbrücke). Wir wollen die Abschiebung der Familie verhindern!

Mutter Emilia arbeitet als Köchin im Gastgewerbe und engagiert sich freiwillig als Mesnerin in der Kirche. Tochter Joia ist in Ausbildung zur Altenpflegerin. Sohn Joshua spielt Fußball beim SV Haslach, ist in der letzten Stufe der Pflichtschule und wollte im Herbst an einer berufsbildenden Schule beginnen. Wir appellieren an die Verantwortungsträger:innen, der Familie ein Bleiberecht zu ermöglichen!